Iran:Langer Atem der Opposition

In Iran hat der Widerstand auch Unterstützer, die nicht auf die Straße gehen. Die Opposition bleibt in der Öffentlichkeit präsent - und unterhöhlt zugleich das Regime.

Tomas Avenarius

Bei seiner Amtseinführung 2005 hatte Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad dem Obersten Geistlichen Führer des Landes unterwürfig und mit gesenktem Haupt die Hand geküsst.

Iran: Iranische Opposition bei einer Demonstration auf der Straße: Sie findet trotz aller Repression weiter Wege, um zu protestieren.

Iranische Opposition bei einer Demonstration auf der Straße: Sie findet trotz aller Repression weiter Wege, um zu protestieren.

(Foto: Foto: AFP)

Nach seiner gezinkten Wiederwahl im Juni steht demnächst die Wiederholung der Zeremonie an. Keiner weiß, ob Ahmadinedschad erneut zum Kuss-Bückling ansetzen, und ob Revolutionsführer Ali Chamenei die eigene Hand nicht zurückziehen wird. Klar ist nur: Der alte und neue Präsident ist zu einem schwer berechenbaren Faktor geworden für den Revolutionsführer.

Die Fragwürdigkeit der Juni-Abstimmung und die Niederschlagung der Proteste haben ihn bei vielen Iranern und in der internationalen Öffentlichkeit als Präsidenten delegitimiert.

Die persische Opposition wäre keine Opposition, würde sie nicht weiter gegen ihn schießen. Aber inzwischen lassen auch beinharte Vertreter des Regimes keine Gelegenheit aus, den Staatschef zu demontieren. So hat die Juni-Wahl die Islamische Republik weit stärker erschüttert, als die Opposition dies aus eigener Kraft je hätte schaffen können.

Zwischen dem Chefpersonal der Chomeini-Theokratie zeigen sich tiefe Verwerfungen: Revolutionsführer Chamenei hat seinen frisch gekürten Präsidenten jüngst in aller Öffentlichkeit gedemütigt. Er verbot Ahmadinedschad, einen Vertrauten zu seinem Vize zu machen. Der Gerüffelte versuchte, seinen Kopf durchzusetzen. Er stellte dabei bewusst das Zentraldogma der Chomeini-Republik in Frage. Denn dank seiner religiös-theologischen Legitimation ist der Oberste geistliche Führer unfehlbar wie der römische Papst. Und der hat das letzte Wort.

Hinzu kommt Opposition aus den eigenen Reihen. Konservative aus Parlament und Regierung klagen lauthals die Haftbedingungen für Tausende inhaftierte Oppositionelle an: Als ob die systematische Folter in den Gefängnissen der Islamischen Republik für sie Neuigkeitswert hätte. Natürlich geht es dabei nicht um die elenden Haftbedingungen für die Regimekritiker. Es geht um Kritik an Ahmadinedschad und an den Sicherheitskräften. Dann taucht Ex-Präsident Rafsandschani auf.

Als Grenzgänger zwischen den Regierungspalästen der Macht und den Hinterzimmern der Opposition predigt der chamäleonartige Strippenzieher den Erhalt der Chomeini-Republik und stellt gleichzeitig deren Führung in Frage. Schließlich ist das die eigentliche Opposition, die auf der Straße. Sie findet trotz aller Repression weiter Wege, um zu protestieren. Ihre Führer bedienen sich sogar des Islam, der doch Selbstzweck des unfrommen Gottesstaates ist. Etwa, wenn sie zum Gedenken am Grab der Oppositions-Ikone Neda aufrufen.

Die Opposition hat ein unerwartet großes Potential unter Beweis gestellt: Sie bleibt in der Öffentlichkeit präsent und unterhöhlt zugleich das Regime. Ihr kommt zugute, dass sich die Machtstruktur der Chomeini-Republik verändert hat. Nach 30 Jahren Gottesstaat drängen im System jüngere Politiker an die Macht. Die als Konservative bezeichneten Kräfte sind sich schon lange nicht mehr einig. Die Alten wollen an den Schalthebeln der Macht bleiben. Und die Jungen konkurrieren gegen sie und untereinander um eben diese Pfründe.

Einige stehen zu den in drei Jahrzehnten Theokratie etablierten schiitischen Klerikern. Andere, wie Ahmadinedschad, setzen auf den Rückhalt der immer einflussreicheren Revolutionsgarden: In den Augen vieler war die Wiederwahl Ahmadinedschads ein getarnter Staatsstreich der revolutionären Paramilitärs.

Wer die stärkeren Bataillone hat, lässt sich noch nicht erkennen. Aber zum Tragen kommen könnten die Konflikte im System der Islamischen Republik, wenn zur innenpolitische Krise eine andere hinzukommt: ein Verfall der ohnehin desolaten Wirtschaftslage etwa. Oder die Eskalation der Dauerkrise um das persische Atomprogramm.

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