Iran:Im magischen Kreis

Die Probleme mit dem islamischen Land erscheinen unlösbar. Dem Westen bleibt da nur eine Doppelstrategie: Er muss einerseits das Atomabkommen einhalten und andererseits den Zumutungen Teherans entgegentreten.

Von Stefan Kornelius

Maurits Cornelis Escher, kurz M. C. Escher, ist für seine Täuschungs-Bilder bekannt, besonders für die Lithografie Treppauf Treppab, bei der sich Stufen zu einer schier endlosen Treppe ohne Anfang und Ende verzahnen. Da wandert das Auge hinauf und herunter, immer wieder, immer im Kreis, und findet keinen Ausweg. Eine surreale, geradezu albtraumartige Konstruktion, eine optische Täuschung, bei der Aufstieg und Niedergang eins werden.

Wer eine politische Entsprechung für Eschers Bild sucht, wird in Iran fündig und hier besonders bei dem aus westlicher, ja: deutscher Sicht zentralen Problem: Wie genau hat man mit diesem Land umzugehen, damit sich die inneren Verhältnisse zum Besseren wenden und sich zugleich die Außenpolitik des islamischen Giganten konstruktiv beeinflussen lässt? Die Antwort auf die scheinbar simple Frage führt in ein Gebilde, das M. C. Escher konstruiert haben könnte: Überall, wo es bergauf geht, führt der Weg auch bergab; überall, wo sich ein Ausweg abzeichnet, beginnt ein neues Problem.

Das Nuklearabkommen hat Iran unantastbar gemacht. Das war ein Fehler

Iran wurde im Westen lange Zeit nur durch die Nuklearbrille betrachtet. Das Atomabkommen war die Leistung einer ganzen Diplomaten-Generation, ein gewaltiges Werk, das der Welt mehr Sicherheit brachte - aber, wie man jetzt weiß, auch neuen Ärger. Denn die größte Schwäche des Programms ist es, dass es Iran eine Art Unantastbarkeit beschert hat.

Aus Furcht vor einer Neuauflage des Atomprogramms hat der Westen viel zu lange Irans Aggressionen in der Region, vor allem in Syrien und Jemen, hingenommen. Aus Furcht vor einer Überreaktion der Hardliner hat man die Reformer zu wenig gestützt. Und aus Furcht vor dem erratischen US-Kongress wurden Investitionen in Iran hasenherzig angepackt.

Wo immer in Iran eine Treppe auftaucht - sie verläuft wie bei Escher im Kreis. Großen Anteil an dieser Albtraum-Konstruktion haben die USA. Das prinzipiell vernichtende Iran-Bild einer Traditionalistenfraktion im Kongress wird nun auch noch vom Präsidenten geteilt, dem die Ereignisse in die Hände spielen. Die Proteste in Iran in den vergangenen Wochen, deren gewaltsame Niederschlagung, die Verhaftungswelle - all das lässt die berechtigte Frage zu: Wieso soll man solch ein Land auch noch mit der Aufhebung von Sanktionen belohnen? Profitieren nicht genau die Falschen vom Geld des Westens, also die Pasdaran-Garde und der übrige Sicherheitsapparat um den Obersten geistlichen Führer Ali Chamenei? Oder zugespitzt: Wird Irans Aggression durch die ökonomische Öffnung erst möglich?

Das Nuklearabkommen hat die inneren Verhältnisse Irans und auch die der Vereinigten Staaten nicht grundlegend verändern können. Die Revisionisten auf beiden Seiten erleben gar einen Frühling und profitieren davon, dass es keinen Hebel gegen ihre finstere Eindeutigkeit gibt. Beispiel Straßenprotest: Lassen die USA die Sanktionen weiterhin außer Kraft, wird das vom Regime als Freibrief für die Niederschlagung der Proteste und die Verhaftungswellen interpretiert. Setzen die Sanktionen wieder ein, ist das Nuklearabkommen faktisch beendet.

Indes: Die iranischen Straßenproteste haben gezeigt, dass es eine mutige Bevölkerungsgruppe gibt, deren Interessen durchaus mit den Vorstellungen des Westens im Einklang stehen. Sie demonstrieren gegen die außenpolitische Überdehnung ihres Landes, die Einmischung in der erweiterten Nachbarschaft und die so entstehenden Kosten. Sie wollen eine Art Iran-First-Programm, ironischerweise.

Weil der Nukleardeal erhaltenswert ist und die Reformer Unterstützung verdienen, ist es notwendig, das Abkommen klar zu trennen von der übrigen Iran-Politik. Da gibt es genug zu tun: Iran verfolgt einen expansiven außenpolitischen Kurs. Darauf muss Europa differenzierter antworten, als es die Vereinigten Staaten tun, die mit ihrer klaren Parteinahme zugunsten der Golf-Monarchien Schaden anrichten. Beispielhaft für einen differenzierten Kurs ist die Reaktion auf die jüngsten Raketentests Irans, wo nach genauer Prüfung punktgenau Extra-Sanktionen ausgesprochen wurden. Der Deal um das Atomprogramm blieb davon unberührt.

Neue Sanktionen weisen freilich keinen Ausweg aus dem Escher'schen Treppen-Albtraum. Wer eine neue politische Architektur mit Iran anstrebt, der muss warten, bis in den Vereinigten Staaten und vor allem in Iran selbst ein paar Bauzeichner ausgewechselt werden.

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