Iran:Die Atom-Uhr läuft ab

Iran nuclear talks in Vienna

Wenig Bewegung: Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif (2. von links) verhandelt derzeit in Wien.

(Foto: Georg Hochmuth/dpa)

Seit ewigen Zeiten schon laufen die Gespräche zwischen dem Westen und Iran wegen dessen Atom-Programm. Bis Dienstag soll nun endlich ein Abkommen stehen - doch die wesentlichen Fragen sind weiterhin offen.

Von Paul-Anton Krüger, Wien

Ein Schnellkochtopf wird sich im Wiener Luxushotel Palais Coburg allenfalls in der Küche finden. Doch ein hochrangiger westlicher Diplomat bemühte das Kochgeschirr für einen Vergleich, um den Stand der Verhandlungen der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands mit Iran zu beschreiben. Bis 1. Juli wollten sie sich gemäß einer selbstgesetzten Frist auf ein Abkommen geeinigt haben, das den seit mehr als zehn Jahren schwelenden Atomkonflikt beilegen soll. Indes, der "Druck ist noch nicht hoch genug", wie es im Laufe der Woche hieß - und selbstgesetzte Fristen haben den Vorteil, dass man einvernehmlich verlängern kann.

So gaben sich die Außenminister eine Woche mehr Zeit; bis nächsten Dienstag um Mitternacht sollen die Gespräche jetzt zum Ziel führen. Zwar hatten alle Ressortchefs in Wien vorbeigeschaut, um die Temperatur im Kessel zu prüfen. An diesem Wochenende aber dürfte das Wasser langsam zu Dampf werden. Wenn dem US-Kongress am 9. Juli kein Bericht über das Abkommen vorliegt, verlängert sich dessen Beratungsfrist von 30 auf 60 Tage. Das wollen alle Beteiligten vermeiden.

Zu viele eckige Klammern gebe es noch in dem von den Politischen Direktoren der Außenministerien vorbereiteten Text, als dass es sich lohnte, dass Minister schon tief einsteigen, hieß es Mitte der Woche. Mehr noch, mancher westliche Unterhändler hatte den Eindruck, dass die Iraner versuchten, die Eckpunkte des Abkommens noch einmal aufzuweichen, auf die man sich Anfang April in Lausanne schon geeinigt hatte. Ausgelöst hatte die Skepsis eine Rede von Irans oberstem Führer Ali Chamenei, in der er zwar Außenminister Mohammed Dschawad Sarif und dessen Delegation das Vertrauen aussprach, zugleich aber "rote Linien" formulierte, die kaum mit dem Kompromiss von Lausanne zu vereinbaren sind.

Als "nützlich" werteten es daher westliche Delegationen, dass Sarif vergangenen Sonntag nach Hause flog. Seinen US-Kollegen John Kerry hatte der Iraner erst am Abend zuvor informiert; öffentlich hieß es, die Reise sei seit Langem geplant gewesen. Hintergrund dürfte die extrem angespannte innenpolitische Lage in Teheran gewesen sein, wie es hieß. Als Sarif am Dienstag den Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi, und Hossein Fereydoon, den Bruder und Vertrauten von Präsident Hassan Rohani, mit nach Wien brachte, wurde dies als Zeichen gewertet, dass die Iraner weiter konstruktiv Lösungen suchen wollten.

Als größten Brocken nannten Diplomaten die Frage, wie viel Zugang Iran der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) gewähren muss. Damit verknüpft ist auch die Aufklärung von schwerwiegenden Verdachtsmomenten, dass Iran an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet habe. Bislang hat sich Iran nur in zwei der zwölf von der IAEA gestellten Fragen kooperativ gezeigt; Chamenei hatte "unübliche Kontrollen ausgeschlossen", während die westlichen Verhandler die Devise ausgegeben hatten, die IAEA müsse "immer und überall" Zugang erhalten.

Nach Gesprächen mit Sarif und Kerry flog IAEA-Chef Yukiya Amano am Donnerstag nach Teheran, um dort Präsident Hassan Rohani zu treffen und auch Ali Shamkhani, den Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrates. Die Iraner erweckten danach den Eindruck, als sei eine Lösung für die Inspektion eines Areals auf dem Militärstützpunkt Parchin vereinbart worden, wo Wissenschaftler mit Teilen eines Sprengkopfes experimentiert haben sollen. Die IAEA teilte dagegen nur mit, der Besuch habe dazu beigetragen, ein "besseres Verständnis für mögliche Wege voran" zu entwickeln - nach Durchbruch hörte sich das nicht an. Auch dürften die westlichen Staaten kaum einwilligen, dass Iran nur Inspektionen nach dem Zusatzprotokoll des Atomwaffensperrvertrags akzeptiert, strikte Beschränkungen für Forschung und Entwicklung von Atomtechnologie ablehnt, zugleich aber fordert, dass die Sanktionen gleich zu Beginn der Umsetzungsphase eines Abkommens weitgehend aufgehoben werden.

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius kündigte an, er werde Sonntagabend nach Wien zurückkehren. Er hoffe, dass man dann ein Abkommen abschließen könne. Das heißt ein weiteres arbeitsames Wochenende für die Politischen Direktoren, begleitet von intensiven Gesprächen zwischen Kerry und Sarif. Am Sonntag wird die Kochplatte dann auf höchste Flamme gestellt, um binnen 48 Stunden zum Ziel zu gelangen. "So ist das mit dem Schnellkochtopf. Wenn genug Hitze da ist, sind die Kartoffeln ruckzuck fertig", sagte der Diplomat.

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