Iran:Bombenbau und frühe Bettruhe

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Nahkampf und Gebet auf dem Stundenplan: In iranischen Terrorcamps werden angeblich Selbstmordattentäter für den Irak ausgebildet.

Tomas Avenarius

Auf dem täglichen Vorlesungs- und Trainingsprogramm stehen Nahkampf, Bombenbau, Gebet und religiöser Unterricht. Frühes Aufstehen und frühes Zubettgehen gehören ebenfalls dazu. Und wer die mehrwöchige Ausbildung unter spartanischen Lebensbedingungen erfolgreich hinter sich gebracht hat, läuft Gefahr, bald in der eigenen Heimat zu verbluten: als schiitischer Militanter im Untergrundkrieg gegen die US-Truppen im Irak.

Gut gedrillte Ausbilder: Iranische Revolutionsgardisten beim Freitagsgebet in Teheran. Die paramilitärische Truppe trainiert angeblich Terroristen. (Foto: Foto: Reuters)

Immer wieder behauptet die US-Führung, dass die iranische Regierung schiitische Untergrundgruppen im Irak finanziert, ausbildet und bewaffnet. Zweifel daran können - nüchtern betrachtet - kaum bestehen: Die 150.000 Soldaten der US-Besatzungsmacht, die im Nachbarland Irak stehen, werden von Irans Führung zweifellos als Bedrohung empfunden.

Den wasserdichten Nachweis dafür, dass die so genannten irakischen "Spezialgruppen" im Teheraner Auftrag Bomben am Straßenrand vergraben oder als Heckenschützen auf US-Soldaten schießen, hat Washington bisher aber nicht geführt.

Protokolle von Gefangenen

Eine US-Studie soll nun tieferen Einblick verschaffen: Das Papier mit dem Titel "Die iranische Strategie im Irak - Politik und andere Instrumente" stammt aus dem "Anti-Terror-Center" der US-Militärakademie West Point. Die 80-seitige Studie untersucht die Ziele offizieller iranischer Politik im Nachbarland Irak sowie die verdeckte Einflussnahme durch die Unterstützung militanter Schiiten-Gruppen.

Die Autoren, ein US-Offizier und ein US-Wissenschaftler, hatten sich im Sommer 2008 im Irak aufgehalten. Sie hatten Zugang zu geheimen Berichten der amerikanischen und der irakischen Geheimdienste sowie des US-Militärs. Zudem konnten sie die Verhörprotokolle gefangener schiitischer Untergrundkämpfer lesen.

Dem Bericht zufolge bildet Iran gezielt irakische Schiiten als Untergrundkämpfer aus: In Lagern nahe der Hauptstadt Teheran, aber auch im Libanon. Das Training übernehmen dem Bericht zufolge zum Teil die paramilitärischen iranischen Revolutionsgarden, die die politisch absolut linientreue Elitetruppe der iranischen Sicherheitskräfte sind. Ebenso zum Einsatz kämen Militärspezialisten der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah.

Ein Grund dafür dürfte praktischer Natur sein: Die libanesischen Kämpfer sind wie die Iraker arabische Muttersprachler, während die Iraner Persisch sprechen. Ebenso wichtig dürfte sein, dass sich mit Hilfe der Hisbollah jeder direkte Kontakt zwischen Iranern und Amerikanern vermeiden lässt: Solange keine iranischen Kämpfer gefangen genommen oder getötet werden, kann Washington dies nicht als Anlass für Vergeltung nutzen.

Die Hisbollah-Miliz wurde 1982 von iranischen Revolutionsgarden im Libanon ins Leben gerufen; ihre Führer haben ein enges religiös-ideologisches Verhältnis zum iranischen Revolutionsregime. Experten sagen ohnehin, Hisbollah sei mehr als nur der verlängerte Arm Irans im Libanon mit seinem hohen schiitischen Bevölkerungsanteil. Hisbollah diene dem Zweck, die iranische Urheberschaft für Terrorakte weltweit gegen israelische und US-Ziele zu verschleiern. Dazu würde die Ausbildung irakischer Untergrundkämpfer durch Hisbollah im Iran passen.

Alte Kontakte

Das Training der Militanten ist der Studie zufolge aber nur eines von mehreren Instrumenten, mit denen Iran im Irak seine Interessen verfolgt. Seit die amerikanische Armee den irakischen Diktator Saddam Hussein 2003 gestürzt hat, macht das Nachbarland seinen Einfluss im Irak geltend.

Zunächst politisch: Teheran unterhält als schiitische Führungsmacht engste Beziehungen zu den Führern aller schiitischen Parteien im Irak. Diese lebten während der Saddam-Diktatur fast alle in Iran. Sie hatten im Exil Milizen aufgebaut, die bis heute existieren. Diese wurden seinerzeit ebenfalls von den iranischen Revolutionsgarden bewaffnet und ausgebildet; die Kontakte auf Militärebene bestehen bis heute und werden nun offenbar mit den Trainingsprogrammen für irakische Kämpfer fortgeführt.

© SZ vom 21.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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