Iran:Beweglicher Ringer

Ali Khamenei

Ali Chamenei ist der Oberste Führer Irans. Die Einigung im Atomstreit könnte er in letzter Sekunde platzen lassen.

(Foto: AP)

Irans Ayatollah Ali Chamenei behält stets das letzte Wort, auch im Atomdeal. Er könnte die Einigung mit den Partnern aus dem Westen und Russland leicht in letzter Sekunde platzen lassen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Islamische Republik Iran, in dieser offiziellen Bezeichnung kommt das Paradox des heutigen persischen Staates zum Ausdruck. Iran ist einerseits eine Republik, mit einem gewählten Parlament, einem gewählten Präsidenten, einer Regierung, die Minister für Minister von den Abgeordneten bestätigt werden muss - auch wenn vor jeder Wahl alle Kandidaten aussortiert werden, an deren ideologischer Linientreue Zweifel bestehen. Anderseits ist da die Herrschaft des islamischen Gelehrten, die in dieser Form zurückgeht auf den Staatsgründer Ayatollah Ruhollah Chomeini. Sie stattet den Obersten Führer mit sehr weitreichender Macht aus.

Auf Lebenszeit bestimmt vom 86-köpfigen Expertenrat, der alle acht Jahre vom Volk gewählt wird, kontrolliert er die anderen Staatsorgane, wacht darüber, dass ihr Handeln mit den Grundsätzen der Islamischen Revolution übereinstimmt. De facto reicht sein Einfluss in jeden Winkel der politischen Sphäre, er kontrolliert Justiz und Medien, ist Oberbefehlshaber und Herr über den Sicherheitsapparat mit der Parallelarmee der Revolutionsgarden und den Geheimdiensten.

Nicht der Präsident oder der Außenminister entscheiden sicherheits- und außenpolitische Fragen. Der Oberste Führer hat das letzte Wort. Als sich in Wien die Verhandlungen über das Atomabkommen der Entscheidung zuneigten, fragte US-Außenminister John Kerry eindringlich sein Gegenüber Mohammad Dschawad Sarif, ob er ein Mandat von Ayatollah Ali Chamenei habe. Der 75 Jahre alte Kleriker kam vor 25 Jahren ins Amt. Sarif habe versichert, er sei diesbezüglich zuversichtlich, verlautete aus der US-Delegation.

Nun hat sich Chamenei erstmals selbst zu dem Pakt geäußert - zurückhaltend und ohne sich irgendeine Option zu nehmen. Ein "Meilenstein" sei erreicht worden, ließ er in einem Brief an Präsident Hassan Rohani wissen. Der Text aber bedürfe "vorsichtiger Untersuchung". Iran müsse auf der Hut sein, einige seiner sechs Verhandlungspartner seien "in keiner Weise vertrauenswürdig". Gemeint waren damit offenkundig die USA. Was Iran umtreibt, ist der US-Kongress in Washington und die Gefahr, dass sich der nächste US-Präsident von dem Abkommen schlicht wieder lossagen könnte.

Während Sarif eloquent und geschmeidig, manchmal fast freundschaftlich mit Washington verhandelt, hat Chamenei nie abgelassen von seiner beißenden antiamerikanische Rhetorik. Der große Satan ist für ihn keine leere Propagandaphrase, sie entspricht seiner Sicht, wonach was immer die Amerikaner vorbringen - ihr eigentliches Ziel bleibe, das Regime in Teheran zu stürzen.

Zurück geht diese Einschätzung des 1939 in Maschhad geborenen Chamenei auf seine Zeit als Student in den religiösen Seminaren der heiligen Stadt Qom, wo er sich Anfang 1962 der religiösen Opposition um Chomeini anschloss. Der Schah galt diesen Kreisen, aber auch weit darüber hinaus, als Marionette der USA.

Um Gespräche mit Washington dennoch rechtfertigen zu können, berief sich Chamenei auf die Formel der "heroischen Flexibilität". Ein Ringer müsse sich beweglich zeigen, aber er dürfe nie vergessen, wer der Gegner ist, sagte er - in Anspielung auf den Titel eines Buchs über den zweiten schiitischen Imam Hassan, das er übersetzt hat. Zugleich macht er aber klar, dass es keine Annäherung an die USA geben werde, sondern die Verhandlungen strikt beschränkt seien auf das Nukleardossier.

Präsident Barack Obama war sich immer bewusst, dass der Erfolg von Verhandlungen von Chamenei abhängen würde. In mehreren Briefen versuchte er, ihn zu überzeugen, dass eben nicht ein Regimewechsel das Ziel sei. Chamenei antwortete - wenn überhaupt - mit Litaneien über die schlechten Erfahrungen, die Iran mit Amerika gemacht habe. Dass der Ayatollah dennoch an einer Einigung interessiert sein könne, konnten die Amerikaner erstmals annehmen, als 2011 und 2012 bei Geheimgesprächen in Oman dessen außenpolitischer Berater Ali Akbar Velayati erschien. Eine Garantie aber, dass Chamenei nicht wieder von dem Abkommen abrückt, gibt es bis heute nicht.

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