Iran:Annäherung bei Atom-Gesprächen

Iran darf künftig angereichertes Uran aus dem Ausland einführen und erklärt sich bereit zu weiteren Verhandlungen.

Paul-Anton Krüger

"Es ist nur ein Start, und wir müssen Fortschritte sehen", sagte Javier Solana am Abend in Genf. Es war die berechtigt zurückhaltende Art des EU-Chefdiplomaten, zumindest einen kleinen Erfolg in den Gesprächen zwischen Vertretern Irans und der fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates sowie Deutschlands zu verkünden. Denn, wie Solana nach den Gesprächen in der Villa Le Saugy sechs Kilometer von Genf entfernt ausführte: "Es gibt noch viele Probleme, die gelöst werden müssen."

Iran: Ein Anhänger der iranischen Opposition demonstriert mit einer Mahmud-Ahmadinedschad-Maske in Genf.

Ein Anhänger der iranischen Opposition demonstriert mit einer Mahmud-Ahmadinedschad-Maske in Genf.

(Foto: Foto: AFP)

Eine Einigung mit Iran erzielte die Sechsergruppe in drei Punkten: Noch vor Ende Oktober soll es zu einer weiteren Gesprächsrunde kommen. Laut Solana soll sich dieses Treffen "auf nukleare Fragen" konzentrieren, es könnten aber auch Themen von "globaler Bedeutung" angesprochen werden, wenn eine Seite dies wünscht. Diese Kompromissformel ermöglicht es allen Beteiligten, das Gesicht zu wahren. Die Sechsergruppe hat zumindest die allgemeine Zusage, dass Iran über sein Atomprogramm sprechen will, die allumfassende Agenda, mit der Teheran in die Gespräche gegangen war, wird aber nicht vom Tisch gewischt.

Zweitens stimmte Iran laut Solana zu, der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA "binnen Wochen" Zutritt zu der Urananreicherungsanlage nahe Ghom zu gewähren. Die geheim gehaltene Anlage war vergangenen Woche bekanntgeworden. Iran hatte sie bei der IAEA gemeldet - offenbar erst nachdem westliche Geheimdienste das Projekt enttarnt hatten. Ein hoher US-Diplomat hatte vor den Gesprächen deutlich gemacht, dass dies den USA als "greifbarer konkreter Schritt" vorerst genügen würde, sofern dies ungehinderten Zugang zu Dokumenten und Personen einschließt, die mit der Anlage in Verbindung stehen sollen.

Der dritte Punkt ist ein großes Zugeständnis an Iran: Die Sechsergruppe erklärte sich bereit, Iran neuen Brennstoff für einen Forschungsreaktor in Teheran zur Verfügung zu stellen, der Isotope für medizinische Zwecke produziert. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte dies am Rande der UN-Generalversammlung in New York als vertrauensbildende Geste gefordert. Am 18. Oktober sollen bei einem Vorbereitungstreffen in Wien technische Details geklärt werden. Iran und die Sechsergruppe kamen überein, dass leichtangereichertes Uran aus der Anreicherungsanlage Natans in einem Drittland weiter auf 20 Prozent angereichert wird und daraus Brennstäbe hergestellt werden. Diese würden dann wieder an Iran gehen.

Russland könnte Anreicherung übernehmen

Iran darf gemäß dem Atomwaffensperrvertrag selbst Uran nur auf fünf Prozent anreichern. Der Vorschlag hat den Charme, dass Iran einen Teil seines Vorrats an leichtangereichertem Uran aufgeben würde, der als Ausgangsstoff zur Hochanreicherung für militärische Zwecke dienen könnte. Vermutlich übernimmt Russland die Anreicherung, was zur besseren politischen Einbindung Moskaus beitragen könnte.

Zum Erfolg hat dem Vernehmen nach beigetragen, dass die USA zum ersten Mal als vollwertiges Mitglied der Sechsergruppe an den Gesprächen teilnahmen. In der Mittagspause kam es erstmals seit Jahren zu einem direkten Kontakt hoher amerikanischer und iranischer Diplomaten. US-Außenstaatssekretär William Burns sprach während der Mittagspause eine halbe Stunde lang mit Irans Chefunterhändler Said Dschalili, wie ein US-Sprecher bestätigte. Dschalili gilt als Vertrauter von Präsident Ahmadinedschad und sitzt dem Obersten Nationalen Sicherheitsrat vor, der in Abstimmung mit dem Geistlichen Führer Ali Chamenei die Atompolitik bestimmt.

Test für Dialogbereitschaft

Diplomaten hatten das Treffen als "Test für Irans Dialogbereitschaft" bezeichnet und als Ziel ausgegeben, "einen Folgeprozess zu organisieren". Dabei gilt nach wie vor ein Angebot der Sechsergruppe als Gesprächsgrundlage, wonach Iran Zusammenarbeit in der Wirtschaft, der Nutzung der Kernenergie und eine stufenweise Aufhebung der UN-Sanktionen versprochen werden, wenn das Land seine umstrittene Urananreicherung einfriert.

US-Diplomaten deuteten vor den Gesprächen an, es könne Lösungen geben, die es Iran erlauben würden, weiter Uran anzureichern. Iran hat dies als "unveräußerliches Recht" bezeichnet. Es könne es im Verlauf von Verhandlungen "andere Wege geben, um Vertrauen aufzubauen", sagte der US-Diplomat. Er erwähnte "die Zeiten, als Iran das Zusatzprotokoll anwendete", das der IAEA viel umfangreichere Kontrollen und die Suche nach nicht deklarierten Atomanlagen erlaubt. Dies "wäre sicher ein Beispiel für die Art von Dingen, die helfen würden, Vertrauen wiederherzustellen", sagte er.

Auf höchster Ebene

Irans Außenminister Manutschehr Mottaki reiste Mittwochnacht überraschend vom UN-Sitz in New York nach Washington, um an der pakistanischen Botschaft die Interessenvertretung Irans zu besuchen. Die US-Behörden hatten ihm dazu ein Visum ausgestellt. Er sagte, Iran sei zu weiteren Gesprächen bereit - auch auf "höchster Ebene".

US-Präsident Barack Obama sprach von einem "konstruktiven Anfang", jetzt müssten konkrete Schritte folgen. Er forderte, Iran müsse der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) binnen zwei Wochen Zugang zur jüngst entdeckten zweiten Urananreicherungsanlage gewähren. Sonst seien die USA bereit, den Druck auf Iran zu erhöhen.

Die IAEA gab bekannt, Generaldirektor Mohamed ElBaradei werde bald nach Iran reisen.

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