Irakisches Atomwaffenprogramm:"Wir glauben an die Geheimdienstinformationen"

Lesezeit: 3 min

Großbritanniens Außenminister Straw hält am umstrittenen Uran-Dossier fest, da seinen Angaben zufolge nicht alle Informationen gefälscht waren. Die UN-Inspektoren warten noch immer auf eine Möglichkeit, die Quellen zu überprüfen.

In den USA wird der Wahrheitsgehalt des Geheimdienst-Dossiers über Versuche des Irak, in Niger Uran zu kaufen, angezweifelt. Doch der britische Außenminister Jack Straw steht weiter zu dem Bericht.

"Wir glauben an die Geheimdienstinformationen, die hinter den Aussagen des September-Dossiers standen", so erklärte Straw dem britischen Rundfunksender BBC.

Dabei handele es sich nicht um jene Dokumente, die die USA als Beleg für die Fälschung angeführt hatten, so Straw. Von diesen Papieren habe London bis zu Beginn dieses Jahres keine Kenntnis gehabt.

Die Aussagen des Dossiers Dossier vom 24. September würden vielmehr von Beweisen gestützt, die in der bisherigen Diskussion nicht genannt worden seien, so Straw. Die Informationen stammen demnach von einem dritten, also weder amerikanischen noch britischen Geheimdienst. Großbritannien könne den USA jedoch die Quellen nicht mitteilen.

Im Umgang mit ausländischen Geheimdiensten sei es die Regel, dass ihre Informationen nicht an Dritte weitergegeben werden dürften.

Die britische Tageszeitung " Financial Times nannte die Geheimdienste Frankreichs und Italiens als Quelle. Die italienische Regierung hat dies allerdings dementiert.

Bushs Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice bestätigte unterdessen Straws Angaben:

"Die Briten haben uns gesagt, dass trotz der Tatsache, dass wir offensichtlich einige Bedenken zu ihrem Bericht hatten, sie andere Quellen gehabt hätten und sie bei ihrer Aussage blieben."

In Bushs Rede zur Begründung eines Krieges gegen Irak hätten die Informationen gleichwohl nicht hineingehört: "Wir haben höhere Anforderungen für Präsidentenreden."

Wie der britische Verteidigungsminister Straw verwies auch Rice auf eine Art Quellenschutz für die Informanten, die den Briten die Uran-Geschichte geliefert haben.

Andererseits ist Großbritannien wie alle anderen UN-Mitglieder auch verpflichtet, seine Geheimdienstinformationen den UN-Inspektoren weiterzugeben. Diese mahnten mehrfach Beweise an für die Schlussfolgerung, Irak versuche, Uran für Atomwaffen zu kaufen.

Erst sechs Wochen nach Veröffentlichung des britischen Dossiers erhielt die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) von den Briten Dokumente.

Innerhalb weniger Wochen wurden diese als Fälschungen eingestuft. Die Inspektoren hätten wiederholt weiteres Material in Washington und London angefragt: "Es wurde uns nicht gegeben", sagte IAEA-Sprecher Mark Gwozdecky.

Geheimdienstmaterial unbestätigt oder verworfen

Die Ungereimtheiten mit dem Uran sind aber nicht die einzigen bei den von Washington und London angegebenen Gründen für einen "Präventivschlag" gegen Irak.

Dreieinhalb Monate nach Beginn des Krieges ist fast das gesamte ins Feld geführte Geheimdienstmaterial über irakische Massenvernichtungswaffen unbestätigt, von UN-Inspektoren und internationalen Experten zum Teil auch schlicht verworfen.

"Anzeichen verdächtiger Aktivitäten" in ehemaligen Produktionsanlagen für Massenvernichtungswaffen konnten UN-Rüstungsinspektoren zu Beginn des Jahres nicht bestätigen. Seit Ende des Krieges fanden auch amerikanische Experten nichts dergleichen.

Die US-Darstellung, Irak habe Aluminiumrohre für sein wieder aufgenommenes Atomwaffenprogramm zu kaufen versucht, wurde von der IAEA und einem Expertengremium verworfen, dem zwei amerikanische, zwei britische und ein deutscher Atomphysiker angehörten.

Zwei Sattelschlepper mit Containern, die von der US-Regierung als mobile Laboratorien für biologische und chemische Waffen bezeichnet wurden - daran zweifelten selbst einige Fachleute im State Department. Und auch für die Verbindung des irakischen Regimes zum Terrornetzwerk al Qaida fehlen Belege.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld räumte vergangene Woche in einer Senatsanhörung ein, dass "kein dramatisch neuer Beweis" für irakische Massenvernichtungswaffen vorliegt. "Wir haben gehandelt, weil wir das bestehende Beweismaterial durch das Prisma unserer Erfahrung mit dem 11. September in einem neuen Licht sahen", erklärte er.

Australiens Ministerpräsident in der Kritik

Der australische Ministerpräsident John Howard geriet wegen der Beteiligung am Irak-Krieg innerhalb seiner eigenen Partei in die Kritik. Der ehemalige Regierungschef Malcolm Fraser erklärte am Montag in der Zeitung Sydney Morning Herald, die derzeitige Regierung unterhalte zu enge Beziehungen zu den USA. Sie müsse sich dazu äußern, warum falsche Angaben über angebliche Uran-Käufe Iraks in Afrika zur Begründung des Krieges herangezogen worden seien.

"Man könnte glauben, wir sind ein ganz und gar unterwürfiger Verbündeter", schrieb Fraser in einem Kommentar der Zeitung. "Die Australier sollten jetzt fragen, welche anderen Interessen wir im Zuge der Unterstützung der derzeitigen amerikanischen Regierung aufgeben." Fraser war von 1976 bis 1983 Ministerpräsident des Landes. Er gehört wie Howard der Liberalen Partei an.

Das australische Außenministerium und zwei Geheimdienste hatten in der vergangenen Woche eingeräumt, sie hätten von den Zweifeln an den Angaben zu den Iran-Käufen gewusst, dies jedoch nicht an die Regierung weitergegeben.

(sueddeutsche.de/AFP/AP)

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: