Irak, USA und Iran:Gemeinsamer Feind als schwacher Kitt

US-IRAN-NUCLEAR-POLITICS

US-Präsident Barack Obama im Gespräch mit dem iranischen Staatspräsidenten Hassan Rohani im September 2013

(Foto: Pete Souza/AFP/White House)

Sollte Obama die Irak-Krise nutzen können, um ein dauerhaftes Bündnis mit Iran zu schmieden, wäre das ein veritables diplomatisches Meisterstück. Doch man sollte nicht naiv sein: Der Kampf gegen Isis mag beide Länder kurzfristig einen. Dann jedoch gehen die Vorstellungen über die Zukunft der Region auseinander.

Ein Kommentar von Hubert Wetzel

Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Das ist ein praktisches Leitmotiv für Politik im Nahen Osten, denn man findet dort immer jemanden, der mit den eigenen Feinden auch verfeindet ist und der mithin vielleicht nicht zum Freund, aber zum Verbündeten taugt.

Amerika und der Irak sind da ein gutes Beispiel. Jahrelang war der irakische Blutherrscher Saddam Hussein für die USA ein Partner, weil er die Mullahs in Iran eindämmte. Nun, da islamistische Terrorbanden Bagdad bedrohen, wird in Washington gegrübelt, wie man den Ansturm stoppen kann - notfalls mit Iran. Man habe, so ein US-Senator, ja auch mit Stalin zusammengearbeitet, um Hitler zu besiegen.

Washington und Teheran haben im Irak derzeit gemeinsame Interessen. Die USA wollen, nein: müssen, verhindern, dass dort ein sunnitisches Terror-Emirat entsteht, das Attentäter in die ganze Welt schickt. Egal wie sehr US-Präsident Barack Obama den Irak auch satt hat, diese Entwicklung kann er nicht dulden.

Im Irak decken sich beider Interessen - kurzfristig

Iran wiederum will, nein: muss, verhindern, dass die schiitische Regierung im Irak stürzt. Das hat religiöse Gründe - Iran ist die Schutzmacht der Schiiten im Irak -, vor allem aber geopolitische: Der Irak ist die Brücke zwischen Iran, dessen Verbündetem Baschar al-Assad in Syrien und der Hisbollah in Libanon. Der Sturz Saddam Husseins durch die USA war ein strategisches Geschenk für Teheran. Und da Irans Außenpolitik nicht nur von frömmelnden Mullahs, sondern auch von kalt kalkulierenden Offizieren der Revolutionsgarde gemacht wird, darf man getrost annehmen, dass Teheran dieses Geschenk nicht wieder hergeben wird.

In den nächsten Wochen kann es also durchaus zu einer militärischen Zusammenarbeit zwischen Washington und Teheran kommen, ob offen oder geheim, abgestimmt oder zufällig. US-Luftschläge gegen Stellungen der Isis-Terroristen, gefolgt von Bodenangriffen der irakischen Armee, von Schiiten-Milizen oder gar iranischen Einheiten sind nicht undenkbar.

Aus Sicht Amerikas wäre das keine völlig abwegige Allianz. Obama versucht seit Jahren, das Verhältnis zu Iran zu verbessern. Das klappte lange Zeit nicht, doch seit in Iran der milde, vernünftige Hassan Rohani Präsident ist, sind die Beziehungen wärmer geworden; die ersten Fortschritte im Streit um Teherans Atomprogramm sind ein Ergebnis davon. Es gibt in Washington etliche Außenpolitiker, die meinen, Iran sei für Amerika ein besserer Partner als das fundamentalistische Saudi-Arabien. Sollte Obama die Irak-Krise nutzen können, um ein dauerhaftes Bündnis mit Iran zu schmieden, wäre das ein veritables diplomatisches Meisterstück.

Washington hat die Idee einer Musterdemokratie längst aufgegeben

Doch man sollte nicht naiv sein: Der Kampf gegen Isis mag die USA und Iran kurzfristig einen. Darüber hinaus haben beide Länder aber sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie der Irak und die Region künftig aussehen sollen.

Washington hat die Idee zwar längst aufgegeben, im Irak eine Musterdemokratie zu errichten. Doch die USA wollen einen einigermaßen stabilen und prowestlichen Irak, der halbwegs repräsentativ regiert wird. Iran hingegen will vor allem einen schiitisch beherrschten Irak.

Man sollte nicht vergessen, dass Teheran daran beteiligt war, dem Vormarsch der Isis-Terroristen den Boden zu bereiten. Iraks schiitischer Regierungschef Nuri al-Maliki ist ein Mann Irans. Sein hartes Vorgehen gegen die sunnitische Minderheit, deren Ausschluss von der politischen Macht - all das geschah mit Billigung Teherans. Die Kluft zwischen Schiiten und Sunniten im Irak wurden dadurch vertieft, davon profitieren heute die Isis-Zeloten. Washington dringt zu Recht darauf, dass Maliki sein autoritäres Gehabe ändert. Aber drängt Teheran?

Auch die Gespräche mit Washington darüber, ob US-Truppen länger als bis Ende 2011 im Land bleiben können, ließ Maliki wohl auf Druck Teherans platzen. In den Jahren zuvor hatten von Iran unterstützte Schiiten-Milizen im Irak Hunderte GIs getötet. Langfristig, so viel ist klar, will das Regime in Teheran, für das der Hass auf die USA zur Staatsräson gehört, keinen amerikanischen Einfluss im Irak.

Ähnliches gilt für die gesamte Region. Iran hat kein Interesse daran, dass die USA die Hegemonialmacht im Nahen Osten bleiben. Die Kämpfe zwischen Schiiten und Sunniten, ob im Irak, in Libanon oder in Syrien, sind Teil eines großen geostrategischen Ringens zwischen Iran und den US-Verbündeten Saudi-Arabien und Katar um die Vorherrschaft. Im Irak decken sich die Interessen Washingtons und Teherans teilweise, in Syrien und Libanon aber stehen beide auf verschiedenen Seiten der Front; dass einer die Seiten wechselt, ist nicht zu erwarten.

Manchmal ist es eben so: Der Feind meines Feindes ist trotzdem mein Feind.

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