Irak:Umstrittene Übergangsverfassung vor der Unterzeichnung

Sie trage die Handschrift der US-Verwalter, sagen die Kritiker der neuen Verfassung, und die radikalen Schiiten sprechen ihr die Legitimität gleich ganz ab. Ihre gemäßigten Kollegen sprechen dagegen von einem Erfolg. Schließlich wird der Islam als Staatsreligion anerkannt.

Wenige Stunden vor der geplanten Unterzeichnung einer irakischen Übergangsverfassung haben Unbekannte mehrere Mörsergranaten auf den Flughafen von Bagdad gefeuert.

Zudem explodierten am Freitagmorgen in der Hauptstadt zwei an Straßen deponierte Bomben. Verletzt wurde nach US-Angaben bei den Vorfällen niemand.

Das sunnitische Verwaltungsratsmitglied Mahmud Othman verteidigte vor der Unterzeichnungszeremonie die neue Verfassung gegen Einwände, sie trage die Handschrift der US-Verwalter: "Mit dem neuen Grundgesetz kann unser Land regiert werden", sagte er dem Sender El Arabija.

"Es ist ein irakischer Entwurf"

"Die Amerikaner hatten Ideen und Vorschläge, aber es ist ein irakischer Entwurf. Wer immer die Gesetze sieht, wird erkennen, dass es sich um die Arbeit von Irakern handelt."

Mehrere radikal-schiitische Mullahs wandten sich in Freitagsgebeten gegen den Text. Der höchste Imam des Bagdader Kasimija-Schreines, Scheich Jawad el Chalisi, sagte, die Charta sei von einem nicht gewählten Gremium unter US-Dominanz erarbeitet worden. "Ihr fehlt die Legitimität."

Moderatere schiitische Geistliche wie Sheich Sadr-Aldin el Kubanji lobten den Text dagegen als Erfolg, weil er den Islam als Staatsreligion anerkenne.

Vor allem um die Rolle des Islams in einem souveränen Irak war bis zuletzt verhandelt worden. In dem Entwurf wird der Islam nun als eine Quelle für die Gesetze genannt. Zudem ist festgelegt, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze der islamischen Religion verstoßen darf.

Dem föderalen Staatssystem zufolge wäre es allen 18 irakischen Provinzen erlaubt, selbstständige Regionen zu werden. Damit öffnet sich für die Schiiten die Tür zu einer autonomen Region im Süden ähnlich der kurdischen Selbstverwaltung im Norden. Details derartiger Entwicklungen müsste jedoch eine Nationalversammlung festsetzen.

Zu geringer Schutz für Frauen

Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch kritisierte dagegen am Freitag den ihrer Ansicht nach zu geringen Schutz für Frauen. "Gleichberechtigung in der Familie, beim Erbe und hinsichtlich der Bürgerrechte der Kinder dürfen nicht aufs Spiel gesetzt werden", sagte LaShawn Jefferson. "Eine Übergangsverfassung müsste diese Rechte explizit garantieren."

Die für den Nachmittag vorgesehene Verabschiedung der neuen Verfassung musste bereits zwei Mal verschoben werden: Zunächst konnte sich der irakische Verwaltungsrat nicht auf den Text einigen. Und infolge der verheerenden Anschläge zum schiitischen Aschura-Fest am Dienstag wurde eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: