Irak, Syrien, Libanon:Drei-Fronten-Krieg gegen den Terror

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Islamistische Kämpfer in Falludscha (Foto: AP)

Der Kampf gegen al-Qaida schafft eine unerwartete Einheit zwischen Irak, Libanon und Syrien. Trotzdem verlaufen die Konfliktlinien in der Region nicht eindeutig.

Ein Kommentar von Rudolph Chimelli

Wer einen Atlas aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg aufschlägt, wird den Irak nicht finden. Syrien und der Libanon sind dort nur als historisch-geografische Begriffe verzeichnet, Staatsgrenzen gab es innerhalb der Region nicht.

Die synthetischen Nationalstaaten, welche die Sieger aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches nach ihren Interessen herausschnitten, wurden nach europäischem Vorbild mit Fahnen und Hymnen, Königen und Präsidenten, Parlamenten und Parteien ausgestattet, Leitbildern einer Moderne, für die es in der herkömmlichen islamischen Gesellschaft kaum historische Grundlagen und wenig Verständnis gab. Das von den Amerikanern gepredigte Nation Building war damals wie heute ein Fremdwort.

Derzeit kämpfen die Präsidenten der Nachfolgestaaten Irak und Syrien, Nuri al-Maliki und Baschar al-Assad, mit ihnen der kraftlose Staatschef des Libanon, Michel Sleiman, sowie an der Peripherie des Krisenherdes der selbsternannte Pharao der Ägypter, General Sisi, gegen Terroristen, die sie gleichermaßen al-Qaida zuordnen: Eine unerwartete Form arabischer Einheit, die Teil des gemeinsamen historischen Erbes sein mag, aber keine osmanische Renaissance bedeutet, von der vielleicht der türkische Premierminister Erdoğan zu Beginn des arabischen Frühlings geträumt hatte.

Terroristen hissen ihre schwarze Fahne

Die Kämpfer des "Islamischen Staates im Irak und an der Levante (Isil)", die seit Tagen Falludscha und Ramadi unter Kontrolle halten, verfolgen schon gar keine hohen Ideale. Sie nutzen die Leere der Wüste in der westlichen Provinz Anbar, die Durchlässigkeit der Grenze zu Syrien, die Bestechlichkeit der örtlichen Funktionäre und die schwankenden Loyalitäten der Stämme, um ihre territoriale Basis zu erweitern.

Falludscha, nicht weit von Bagdad entfernt, und Ramadi gehören zu den wichtigsten Städten des Irak. Nach der Besetzung des Landes musste das aufsässige Falludscha drei Mal von US-Truppen erobert werden und ging dabei weitgehend in Trümmer. Nirgends seit dem Ende des Vietnam-Krieges war amerikanisches Militär in so schwere Kämpfe verwickelt.

Jetzt fahren die Terroristen Streife in den leeren Straßen und hissen ihre schwarze Fahne auf öffentlichen Gebäuden wie in den syrischen Städten, die sie beherrschen. Auf die Dauer werden sie in den beiden Städten den Kräften Malikis nicht standhalten können. Er hat eine Luftwaffe; seine Armee, Polizei und Geheimdienste zählen 900.000 Mann und sind dank der Öleinnahmen des Landes gut bezahlt.

Mehr als ein Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten

Die iranischen Glaubensbrüder versprechen Waffenhilfe, denn sie wollen die Herrschaft der Schiiten über den Irak nicht zerfallen sehen. Auch Amerika liefert Rüstungsgüter und Informationen, wie Außenminister John Kerry gerade sagte, wird aber keine Truppen entsenden.

Zu den sunnitischen Stämmen und ihren Sahwa-Milizen, die ihnen vor Jahren schon einmal aus der Patsche halfen, haben die Amerikaner erneut Kontakt aufgenommen. Damals schlugen die "Söhne des Irak" mit amerikanischem Sold al-Qaida für Jahre aus dem Feld. Für viele der drangsalierten sunnitischen Einwohner von Falludscha und Ramadi ist die Regierung in Bagdad das kleinere Übel, gemessen an den radikalen Islamisten.

Auf reine Konfrontation zwischen Schiiten und Sunniten lässt sich der Drei-Fronten-Krieg im Irak, in Syrien und im Libanon freilich nicht reduzieren. Die schiitische Regionalmacht Iran ist überall präsent. Die Saudis, der sunnitische Gegenpol, rüsten in Syrien radikal-islamische Gruppen auf, obwohl sie im eigenen Land vor Jahren mit al-Qaida einen Kampf auf Leben und Tod ausfechten mussten. In Ägypten und neuerdings im Libanon finanziert Saudi-Arabien die reguläre Armee, findet aber im Irak wenig Hebel für die Entfaltung seines Einflusses.

Hausgemachte Probleme

Ein erheblicher Teil der Probleme in den Bürgerkriegsländern, das sollte nicht vergessen werden, ist hausgemacht. Hätte Assad nicht auf die ersten friedfertigen Demonstranten schießen lassen, hätte Maliki der sunnitischen Volksgruppe nicht systematisch die Überzeugung eingebläut, dass sie in seinem Staat nichts zu erwarten hat - viel Unheil hätte sich vermeiden lassen.

Unter dem Eindruck des Terrors hat sich in den irakischen Städten die traditionelle Symbiose der Konfessionen von einst aufgelöst. Sunniten und Schiiten leben heute weitgehend getrennt voneinander. Während im sunnitischen Falludscha gekämpft wurde, explodierten in schiitischen Vierteln der Hauptstadt Bomben.

Gleichwohl flohen viele der geplagten Einwohner der Städte in der sunnitisch geprägten Provinz Anbar nach Kerbela - zu den Schiiten. Das Macht-Vakuum, das die Großmächte hinterließen, führt zu immer mehr Verwirrung unter den örtlichen Kräften.

© SZ vom 07.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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