Irak:Regeln für den Sieger

Im Irak müssen die Vereinigten Staaten die Aufgaben einer Besatzungsmacht übernehmen

Petra Steinberger

(SZ vom 3.5.2003) - Präsident Bush hat es verkündet: Größere Kampfhandlungen im Irak sind beendet; die "Schlacht um den Irak" ist ein Sieg im Krieg gegen den Terror. Die Amerikaner wollen sich offenbar aussuchen, ob für Kriegsgefangene nun das Ende der Schlacht gilt oder die Fortsetzung des großes Krieges.

Das Besatzungsrecht aber greift ohnehin von dem Moment an, in dem ein Staat oder auch nur Teile vom Gegner besetzt werden - wenn also die ursprüngliche Regierung nicht mehr in der Lage ist, dort ihre staatliche Autorität auszuüben. Besatzungsrecht kann also in einigen Landesteilen schon bestehen, während anderswo noch gekämpft wird.

Auch muss die Besatzung nicht offiziell ausgerufen werden, die Tatsache genügt. Die Grundlagen des Besatzungsrechts ergeben sich aus den Zusätzen zur Haager Landkriegsordnung von 1907, aus der Vierten Genfer Konvention von 1949, die sich mit dem Schutz von Zivilisten zu Kriegszeiten und mit Besatzung befasst, und im internationalen Gewohnheitsrecht, wie es sich durch die Nürnberger Prozesse und die großen Besatzungen des 20. Jahrhunderts herausgebildet hat. Die Überarbeitung des Besatzungsrechtes im Ersten Genfer Zusatzprotokoll von 1977 gilt im Fall Irak allerdings nicht, da sie weder von den USA noch vom Irak ratifiziert wurde.

Eine Besatzungsmacht erwirbt keinerlei Souveränität über das besetzte Territorium, sie übernimmt nur zeitweise die Verwaltung der eingenommenen Gebiete. Das heißt konkret, dass eine Besatzungsmacht keine unumkehrbaren Veränderungen etwa der lokalen Besitzverhältnisse vornehmen darf.

Staatseigentum darf die Besatzungsmacht nur konfiszieren, wenn es sich um militärisches Material handelt oder für die Verwaltung notwendig ist. Auch darf die Bevölkerung nicht wegen ihrer politischen Meinung, ihrer Nationalität, Rasse, Sprache oder Religion diskriminiert werden.

Die Besatzungsmacht ist verpflichtet, in den ihr unterstellten Gebieten für Recht und Ordnung zu sorgen, so steht es auch im Feldbuch der US-Armee: Der Besatzer muss "im Rahmen seiner Möglichkeiten alle Maßnahmen ergreifen, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen und zu gewährleisten".

Die Erklärung, das US-Militär sei auf Polizeiaufgaben nicht genug vorbereitet, ist also keine Entschuldigung für Tatenlosigkeit. Besatzer tragen die Verantwortung für die Zivilbevölkerung und deren ausreichende hygienische und medizinische Versorgung - "im vollsten Ausmaß ihrer Möglichkeiten".

Das Internationale Rote Kreuz und nationale Suborganisationen wie der Irakische Rote Halbmond sowie andere humanitäre Einrichtungen müssen Zutritt haben. Existierende Gesetze bleiben in Kraft, soweit sie unpolitisch und im Hinblick auf internationale Menschenrechte angebracht sind und die Sicherheit der Besatzer nicht gefährden.

Formal endet die Besatzung, sobald eine neu legitimierte Regierung oder suprastaatliche Organisationen wie die UN die Verwaltung des Landes übernehmen. Kriegsgefangene müssen freigelassen werden, sobald die "Kampfhandlungen beendet" sind. Wer also im Krieg gegen den Irak gefangen wurde, der hat Glück gehabt - für einen Gefangenen im Terrorkrieg kann die Zeit noch lang werden.

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