Irak-Material "unzuverlässig":Tony Blair unter Druck

Die angeblichen Beweise für Massenvernichtungswaffen im Irak waren nicht zuverlässig - sagt der britische Geheimdienst. Ärger wegen übertriebener Irak-Berichte gibt es auch in den USA und Australien.

Nach einem Bericht der britischen Sonntagszeitung The Observer gibt es neue Anhaltspunkte dafür, dass die von Premierminister Tony Blair vorgelegten "Beweise" für die angebliche Existenz von Massenvernichtungswaffen des Irak fehlerhaft waren.

Der Zeitung zufolge hat der Auslandsgeheimdienst MI6 selbst die Informationen als "unzuverlässig" bezeichnet und seine eigene Einschätzung zurückgezogen, meldete die Zeitung unter Berufung auf eine ranghohe Geheimdienstquelle.

Unverständliche Äußerung

In der Sonntagszeitung Independent on Sunday sagte der frühere Geheimdienstbeamte Brian Jones, er und seine Kollegen könnten bis heute nicht verstehen, wie Blair auf der Grundlage der vorliegenden Informationen vor Kriegsbeginn im Parlament von einer "akuten und ernsthaften Bedrohung" durch Saddam Hussein sprechen konnte.

Die neue Kritik kommt nur wenige Tage vor der Veröffentlichung eines unabhängigen Expertenberichts über die Handhabung und Interpretation des vorgelegten Geheimdienstmaterials durch die Regierung. Der frühere konservative Politiker Lord Butler will seinen Bericht über die Qualität des Geheimdienstmaterials und den Umgang damit am Mittwoch vorlegen.

Tritt Blair zurück?

Der britische Premierminister Tony Blair soll nach Informationen der BBC wegen der anhaltenden Kritik an seiner Irak-Politik bereits vor Tagen "ernsthaft über einen Rücktritt nachgedacht" haben. Vier loyale Minister hätten Blair aber gedrängt, im Amt zu bleiben.

Falsche Irak-Analysen bringen Bush unter Druck

Nach der massiven Kritik des US-Senats an falschen Analysen der Geheimdienste vor dem Irakkrieg geraten Präsident George W. Bush und andere Befürworter des Militäreinsatzes zunehmend unter Druck.

"Wir hätten nicht für den Krieg gestimmt, wenn wir damals gewusst hätten, was wir heute wissen", sagte der demokratische US-Senator John Rockefeller nach der Veröffentlichung des kritischen Senatsberichts zur CIA-Arbeit vor dem Irakkrieg.

Tony Blair unter Druck

So ergab der Bericht, dass es für die amerikanische Behauptung, Bagdad habe chemische und biologische Waffen gehabt, keine Grundlage gegeben habe.

Behauptungen übertrieben und ungedeckt

Die meisten Angaben im Geheimdienstbericht von Oktober 2002 seien übertrieben oder ungedeckt gewesen, lautet der Hauptvorwurf.

US-Präsident Bush bezeichnete den Senatsbericht als hilfreich, da er Pannen in der Geheimdienstarbeit aufzeige und damit helfe, den Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu verbessern. Bush bekräftigte jedoch seine Auffassung, dass der Krieg gerechtfertigt gewesen sei. Der Irak unter Präsident Saddam Hussein hätte die technischen Möglichkeiten gehabt, Massenvernichtungswaffen herzustellen.

Aus dem Lager des Bush-Herausforderers John Kerry hieß es, das Weiße Haus trage die Verantwortung für die falsche Handhabung der Geheimdiensterkenntnisse.

Ärger in Australien

In Australien forderte die Opposition kurz nach Veröffentlichung des US-Berichts Premierminister John Howard auf, sich für seine Irakpolitik zu entschuldigen. Howard habe Australien auf Grund einer Lüge in den Krieg geführt, sagte ein Oppositionssprecher.

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