Irak-Krieg:Tony Blair in neuen Nöten

Eine Untersuchung belegt angeblich, dass der britische Geheimdienst die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak bezweifelte.

Von Christoph Schwennicke

Durch den Bericht des US-Senats über falsche Analysen der Geheimdienste vor dem Irak-Krieg gerät auch der britische Premier Tony Blair weiter unter Druck. Der Vorwurf, die Dienste hätten auf "globaler Ebene" versagt, trifft auch den britischen Auslandsgeheimdienst MI6.

Blair, AFP

Steht in der Kritik: Tony Blair.

(Foto: Foto: AFP)

Zudem wird Blair durch einen Bericht des früheren Kabinettsminister Lord Butler, der am Mittwoch veröffentlicht werden soll, offenbar scharf kritisiert. Deshalb soll Blair vor einigen Tagen bereits "ernsthaft" über einen Rücktritt nachgedacht haben. Die BBC berichtet, vier loyale Minister hätten Blair aber gedrängt, im Amt zu bleiben.

Butler-Bericht: Beweise fehlerhaft

Die Butler-Kommission wurde eingerichtet, nachdem im Irak nach dem Krieg keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden und in den USA Präsident George W. Bush eine ähnliche Kommission installiert hatte, deren kritisches Ergebnis vergangenen Freitag vorgelegt wurde.

Presseberichten zufolge wird der Butler-Bericht neue Anhaltspunkte dafür vorlegen, dass die von Blair vorgelegten "Beweise" für die angebliche Existenz von Massenvernichtungswaffen des Irak fehlerhaft waren. Besonders die Informationen, wonach die Gefahr bestand, dass der Irak Massenvernichtungswaffen innerhalb von 45 Minuten startklar machen könne, werden in dem Bericht angeblich als schwach belegt dargestellt.

Warnungen an Blair

Nach den Presseberichten kommt der Bericht zu dem Schluss, dass zur Frage der Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen nicht in erster Linie der Irak, sondern vielmehr Libyen, Iran und das nukleare Netzwerk des pakistanischen Wissenschaftlers Abdul-Qader Khan im Zentrum gestanden hätten. Der MI6 habe die Informationen über Massenvernichtungswaffen am Ende sogar als "unzuverlässig" bezeichnet und seine eigene Einschätzung zurückgezogen.

Auch hätten ranghohe Regierungsbeamte Blair davor gewarnt, das Geheimdienst-Material sei "nicht ausreichend". Insgesamt mache der Butler-Bericht deutlich, dass Blair seine "politische Entscheidung" zur Unterstützung von Bushs Kriegskurs ungeachtet der vorliegenden Fakten traf.

Der Umstand, dass der Irak nicht im Brennpunkt der Besorgnis des MI6 lag, stellt für die Regierung Blair ein politisches Problem dar. Es darf damit gerechnet werden, dass dies zu weiteren Spekulationen führt, ob die Regierung das Material des Geheimdienstes benutzt hat, um einen Kriegsgrund gegen den Irak zu bekommen und die amerikanische Regierung in diesen Vorhaben zu unterstützen.

Den Meldungen zufolge wird mit dem Bericht am Mittwoch insbesondere der vormalige Vorsitzende des Geheimdienstausschusses John Scarlett unter Druck geraten. Scarlett wurde bereits in der Hutton-Untersuchung zum Tod des Waffenexperten David Kelly vorgeworfen, "unterbewusst beeinflusst" gewesen zu sein von dem Wunsch der Regierung, belastbares Material gegen den Irak an die Öffentlichkeit geben zu können. Der frühere Pressesprecher und enge Vertraute Blairs, Alistair Campbell, hatte Scarlett einmal als "Kumpel" bezeichnet.

Scarlett ist Anfang Mai überraschend zum neuen Chef des MI6 erklärt worden. In der öffentlichen Debatte ist dies teilweise als Belohnung für sein Verhalten beim Entstehen der Geheimdienstdossiers ausgelegt worden.

Bush: Bericht nicht gelesen

Der US-Geheimdienst CIA gab nach der Kritik des US-Senats Irak "Schwachstellen" zu. Man habe verschiedene Schritte unternommen, um dem zu begegnen, sagte der stellvertretende CIA-Chef John McLaughlin. Bush sagte, er habe den Senatsbericht noch nicht gelesen, freue sich aber darauf, mit den Abgeordneten an "Reformen" zu arbeiten. Soweit er verstehe, sei der Bericht "recht kritisch". Der demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry warf Bush Täuschung und Machtmissbrauch vor. Der New York Times sagte Kerry, für die Irreführung der amerikanischen Öffentlichkeit sei Bush verantwortlich und weniger die Geheimdienste oder das US-Verteidigungsministerium.

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