Irak:Irakische Armee: IS-Kämpfer fliehen mit Zivilisten als Schutzschilden

  • Irakische Armee: IS-Kämpfer fliehen mit Zivilisten als Schutzschilden.
  • Irakische Einheiten starten einen Angriff im Westen von Mossul. Ziel ist, den Belagerungsring um die Stadt zu schließen.
  • Schiitische Milizen greifen unterdessen eine Stadt westlich von Mossul an.
  • Amnesty ruft dazu auf, auf den Einsatz von geächteten Phosphorbomben zu verzichten. Die Organisation hat nach eigenen Angaben Hinweise, dass sie im Kampf um Mossul verwendet wurden.

IS-Kämpfer haben nach irakischen Militärangaben Zivilisten gezwungen, ihren Abzug aus einem Ort im Süden Mossuls als menschliche Schutzschilde zu decken. Regierungstruppen seien am Samstag in den Ort Schura eingedrungen. Vorausgegangen sie eine Welle von Luftangriffen der US-geführten Koalition und Artilleriefeuer auf Stellungen verbliebener Extremisten der Terrormiliz.

Einige IS-Kämpfer hätten in den Tagen zuvor mit Zivilisten als Geiseln Schura verlassen, sagte Generalmajor Nadschim al-Dschaburi. "Nach all dem Beschuss denke ich nicht, dass wir noch auf viel Widerstand stoßen werden", sagte er. "Das hier ist leicht, weil keine Zivilisten mehr da sind. Die große Herausforderung sind für uns immer die Zivilisten."

Oberstleutnant Hussein Nasim von der paramilitärischen Bundespolizei, die den Angriff auf Mossul im südlichen Abschnitt anführt, widersprach dem General in einem Punkt: Es könnten immer noch einige Zivilisten, vor allem Alte und Gebrechliche, in der Stadt sein. Der Einsatz von Artillerie und Luftwaffe sei dennoch eine Standardtaktik. "Wir müssen so zuschlagen, bevor wir hineingehen, andernfalls sind wir leichte Beute für Daesh", sagte Nasim, die arabische Abkürzung der Terrormiliz benutzend.

In die Kämpfe gegen den IS rund um Mossul griffen am Samstag auch schiitische Milizen ein. Ein Sprecher der von der irakischen Regierung akzeptierten Hisbollah-Brigaden, Dschaafar al-Husseini, sagte, ihr Angriff richte sich auf die Terrormiliz in der Stadt Tal Afar, die vor der Besetzung durch den IS vor zwei Jahren eine schiitische Bevölkerungsmehrheit gehabt hatte. Die Kämpfer würden von iranischen Spezialisten beraten und die irakische Luftwaffe unterstütze die Offensive.

Al-Husseini betonte, dass die schiitischen Milizen weiterhin nicht die Absicht hätten, in Mossul einzurücken. Sie würden sich auf Tal Afar und die Sicherung der westlichen Grenze mit Syrien konzentrieren. Mossul hat eine sunnitische Bevölkerungsmehrheit. Die Türkei hat die schiitisch dominierte Regierung in Bagdad davor gewarnt, den Kampf um die IS-Hochburg dazu zu nutzen, das zu ändern.

Seit Beginn der Offensive auf Mossul habe die Koalition fast 2500 Bomben, Raketen, Granaten und Fernlenkgeschosse abgefeuert. Der Chef des Zentralkommandos der US-Streitkräfte (Centcom), General Joseph Votel, schätzte die Zahl der getöteten IS-Kämpfer auf bis zu 900. Während der Offensive auf Mossul im Norden, Osten und Süden flohen zunehmend Zivilisten aus vom IS gehaltenen Gebieten. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) gab die Zahl der Geflüchteten seit dem 17. Oktober mit fast 16 000 an.

Im mehr als eine Million Einwohner zählenden Mossul werden bis zu 5000 IS-Kämpfer vermutet. Sie kontrollieren einen Korridor westlich von Mossul, der die Stadt mit dem syrischen Teil des von ihnen 2014 ausgerufenen Kalifats verbindet. Nach UN-Angaben haben Dschihadisten in und um die nordirakische Stadt in den vergangenen Tagen mehr als 250 Menschen hingerichtet und fast 8000 Familien entführt.

Einsatz von international geächtetem weißem Phosphor

Am Dienstag hätten die IS-Kämpfer außerdem 24 und am Mittwoch 190 ehemalige Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet, teilte das UN-Menschenrechtsbüro mit. Das Massaker am Mittwoch wurde demnach auf dem Militärstützpunkt al-Ghaslani in Mossul verübt. Die Zahl der Hinrichtungen nimmt den UN-Angaben zufolge zu, je mehr sich die Großoffensive Mossul nähert.

Gestern rief Amnesty International die irakischen und die multinationalen Streitkräfte auf, bei ihrem Angriff nicht das chemische Kampfmittel weißer Phosphor in Gebieten mit Zivilisten einzusetzen. Amnesty verfügt nach eigenen Angaben über glaubwürdige fotografische Beweise und Zeugenaussagen zum Einsatz von weißem Phosphor nördlich eines Dorfs im Osten von Mossul.

Die Menschenrechtsorganisation erklärte, die gefährliche Chemikalie solle bei der Offensive auf Mossul keine Anwendung mehr finden. Weißer Phosphor wird vor allem eingesetzt, um Ziele für Luftangriffe zu markieren oder Rauchvorhänge zur Deckung für Bodentruppen zu schaffen. Die Verwendung der Chemikalie wurde durch internationale Abkommen geächtet.

Bei einem Anschlag auf schiitische Pilger in Bagdad wurden am Samstag sieben Menschen getötet und 20 verletzt, wie aus irakischen Polizeikreisen und von Krankenhausmitarbeitern berichtet wurde. Ein Selbstmordattentäter habe den Angriff ausgeführt. Es wurde vermutet, dass der IS hinter dem Anschlag steckt. Die Terrormiliz hat bereits viele Anschläge auf Schiiten in Bagdad und anderen Städten verübt.

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