Irak:"In Mossul ernähren sich viele nur noch von Haferbrei"

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Irakische Flüchtlinge im Camp Al Khazer, östlich von Mossul. Das Welternährungsprogramm der UN ist auf eine Million hungernde Menschen vorbereitet. (Foto: REUTERS)

In der umkämpften IS-Hochburg sind Lebensmittel Mangelware. Helfer wie Inger Marie Vennize unterstützen die hungernde Bevölkerung - aber ihre Mittel sind begrenzt.

Interview von Alexander Triesch

Irakische Soldaten und kurdische Kämpfer haben am Mittwoch versucht, den Belagerungsring um Mossul enger zu ziehen. Seit Wochen umkämpfen die Truppen die Millionenstadt, die unter der Kontrolle des "Islamischen Staats" (IS) steht. Internationale Hilfsorganisationen stellen sich auf eine massive Fluchtbewegung ein. Wegen der Kämpfe ist die Versorgung mit Nahrungsmitteln problematisch, viele Menschen hungern. Das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen liefert seit 1991 Hilfsgüter an die irakische Bevölkerung. Inger Marie Vennize koordiniert von Bagdad aus.

SZ: Wie hilft das Welternährungsprogramm den Menschen im Irak?

Inger Marie Vennize: Unsere Aufgabe ist es, Nahrungsmittel an die Hunger leidende Bevölkerung zu liefern. Vor der Mossul-Offensive konnte das WFP ungefähr 1,4 Millionen Menschen im Irak versorgen, 50 000 davon waren Flüchtlinge aus Syrien. Wegen der Kämpfe haben wir unsere Vorräte aufgestockt und sind jetzt auf eine weitere Million Hilfsbedürftige vorbereitet. Bisher konnten wir Essensrationen an 80 000 Menschen liefern, die aus den IS-Gebieten fliehen konnten.

Wie sehen diese Lieferungen aus?

Das ist sehr unterschiedlich. In der Regel liefern wir Nahrungsmittel, die man sofort verzehren kann, zum Beispiel getrocknete Früchte, Dosenfleisch, Kichererbsen oder Backwaren. Gibt es vor Ort die Möglichkeit, selbst zu kochen, schicken wir jeden Monat Rationen mit Grundnahrungsmitteln - also Reis, Mehl, Salz, Zucker und Öl. Die Lieferungen koordinieren wir mit den irakischen Behörden.

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Die irakische Armee kann sie aufhalten. Ihr ist es inzwischen gelungen, bis in die Millionenstadt vorzudringen. Der irakische Regierungschef fordert die Kämpfer der Terrormiliz auf, sich zu ergeben.

Können die Menschen in Mossul auch irgendwie versorgt werden?

Leider nein, das ist zu gefährlich. In Gegenden, die der IS kontrolliert, können die Vereinten Nationen keine Missionen durchführen. Die Menschen, die aus den zurückeroberten Gebieten zu uns kommen oder in den vergangenen Monaten aus der Stadt geflohen sind, erzählen von extrem hohen Nahrungsmittelpreisen. Eine Frau hat berichtet, dass ein Kilo Tomaten in Mossul umgerechnet fast 4,50 Euro kostet. Vor der Machtübernahme durch den IS waren es gerade einmal 38 Cent.

Wie muss man sich das Leben in der Stadt vorstellen?

Bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln gibt es erhebliche Engpässe. Das ist neben der Angst vor den Kämpfen der Hauptgrund, warum die Menschen gerade fliehen. Die meisten, die in den Camps ankommen, haben seit 24 Stunden nichts gegessen. In Mossul ernähren sich viele nur noch von Haferbrei. Supermärkte und Schulen sind teilweise geschlossen. Für die Bevölkerung ist es derzeit fast unmöglich, Familienangehörige oder Freunde zu erreichen, weil die IS-Kämpfer alle Handys und Telefone konfisziert haben.

Wie gefährlich ist der Einsatz in einem Kriegsgebiet?

Die Arbeit in einer Krisenregion ist immer riskant. Das gilt für alle WFP-Mitarbeiter, die im Irak im Einsatz sind, und umso mehr für unsere Kollegen, die in den Camps Nahrungsmittel verteilen. In den letzten Jahren gab es aber keine größeren Zwischenfälle. Bevor wir in einem Gebiet operieren, nehmen wir eine gründliche Sicherheitsbewertung vor. Vor der Reise in den Irak bekommen unsere Mitarbeiter außerdem ein Sicherheitstraining.

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