Irak:Foltervorwürfe gegen britische Soldaten

Erniedrigungen wie in Abu Ghraib: Britische Soldaten sollen im Irak Gefangene misshandelt haben. Auch weibliche Soldaten stehen unter Verdacht.

Großbritannien geht neuen Vorwürfen nach, wonach britische Soldaten im Irak Gefangene misshandelt haben sollen. Die Zeitung Independent berichtete am Samstag, der Anwalt Phil Shiner habe im Auftrag von Opfern 33 neue Fälle aufgelistet. Dabei gehe es unter anderem um Folter und Vergewaltigung.

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(Foto: Foto: Youtube)

Zum ersten Mal würden auch weibliche Soldaten der britischen Armee beschuldigt, an den Misshandlungen beteiligt gewesen zu sein. Das Verteidigungsministerium in London kündigte eine Untersuchung zu den Vorwürfen an.

Nach Angaben der Zeitung wurden in einem Fall irakische Gefangene aufeinandergeschichtet und mit Elektroschocks gequält. Ein 16-jähriger Junge habe ausgesagt, er sei von zwei britischen Soldaten vergewaltigt worden, als er 2003 inhaftiert worden sei. Andere hätten sich nach eigenen Angaben nackt ausziehen müssen und seien missbraucht und fotografiert worden. Die Vorwürfe beziehen sich auf den Zeitraum zwischen 2003 und 2007. Als ein möglicher Tatort wurde das von britischen und US-Soldaten geführte Camp Bucca nahe der südirakischen Stadt Basra genannt.

Die britische Zeitung Daily Mail berichtet von einem Fall aus dem Camp Shaaibah im Südirak, in dem eine britische Krankenschwester einen irakischen Gefangenen angeblich vergewaltigen wollte. Hussain Hashim Khinyab, 35, war dem Bericht zufolge 2006 von der britischen Armee ergriffen worden.

Als er im Camp Shaaibah auf einem Bett lag, um sich von einer Operation zu erholen, hätte eine Krankenschwester versucht, ihn zu vergewaltigen. Sie habe von ihm abgelassen, als eine andere Person das Zimmer betreten habe. Khinyab berichtete auch davon, dass weibliche und männliche Armeeangehörige Sex vor seinen Augen hatten - seiner Ansicht nach absichtlich, um ihn in seinem muslimischen Glauben zu beleidigen.

Dass einige der Fälle erst spät, nach dem Abzug der Briten aus Basra, bekanntwurden, erklärt Anwalt Shiner mit der Angst, die viele Iraker zuvor von einem solchen Schritt abgehalten habe. In einem vergangene Woche an das Verteidigungsministerium übermittelten Brief erklärte Shiner laut Independent, es sei zutiefst beunruhigend, dass die Häftlinge wie schon im Skandal um Abu Ghraib sexuell erniedrigt worden seien.

Auch die Zeitung verglich die Vorfälle mit den Vorgängen im berüchtigten US-Gefängnis Abu Ghraib nahe Bagdad. Im Mai 2004 gelangten Berichte und Fotos in die Medien, die belegten, dass amerikanische Militär- und Geheimdienstmitarbeiter Häftlinge in Abu Ghraib gefoltert hatten. Im Gedächtnis blieb vor allem das Bild der Soldatin Lynndie England, die einen Gefangenen wie einen Hund an einer Leine hielt.

Bill Rammell, Staatssekretär im britischen Verteidigungsministerium, sagte, die Vorwürfe würden sorgfältig geprüft. Die Untersuchungen müssten aber ohne Vorverurteilungen vonstatten gehen. Nicht alle der Fälle seien neu und etwa sieben davon seien im vergangenen Monat bekanntgeworden, sagte Rammell der BBC.

Bei den mutmaßlichen Misshandlungen handle es sich um Einzelfälle. Die überwiegende Mehrheit der 120.000 britischen Soldaten, die ihren Dienst im Irak verrichtet haben, hatte sich nach "höchsten Verhaltensstandards" ausgerichtet. Shiner sagte der BBC dagegen, es gebe noch Hunderte Fälle, in denen nicht ermittelt werde.

Eine öffentliche Untersuchung soll in Großbritannien bereits den Tod des irakischen Zivilisten Baha Musa in Gefangenschaft klären. Musa, dessen Familie ebenfalls von Shiner vertreten wird, starb 2003 an den Folgen von insgesamt 93 Verletzungen. Großbritannien hat mittlerweile fast alle seine Truppen aus dem Irak abgezogen.

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