Interview über Staaten und ihr Image:"Polen könnte das neue Spanien sein"

Das Klischee besagt: Die Polen sind gläubig und konservativ - und ihr Land ist grau. Marketingexperte Wally Olins über seinen Versuch, Polen ein neues Image zu verpassen.

Matthias Kolb

sueddeutsche.de: Wally Olins, Sie beraten seit dem Jahr 2003 das Land Polen, wie es sein Image verbessern könnte. Wie geht so etwas?

Interview über Staaten und ihr Image: Er will Polen ein besseres Image verpassen: Wally Olins

Er will Polen ein besseres Image verpassen: Wally Olins

(Foto: Foto: Saffron Brand Consultants)

Wally Olins: Am Anfang führten wir Interviews mit vielen Menschen in Polen und im Ausland. Wir wollten wissen, was die Polen über ihr eigenes Land denken, und wie es jenseits der Landesgrenzen wahrgenommen wird. Das ist nötig, um herauszufinden, was das Einzigartige an Polen ist und was wir in der Kampagne hervorheben wollen.

sueddeutsche.de: Gibt es große Unterschiede zwischen der Innen- und der Außenwahrnehmung?

Olins: Oh ja. Ich muss Ihnen nichts über die Vorurteile der Deutschen erzählen: Die Polen sind katholisch, konservativ und haben es auf deutsche Autos abgesehen. Das Misstrauen in Deutschland war groß, doch es wird schwächer. In Großbritannien hat sich das Image der Polen stark verbessert: Seit dem EU-Beitritt sind Hunderttausende Polen gekommen, um hier zu arbeiten. Es sind fleißige, gut ausgebildete Menschen, die sich gut integriert haben.

sueddeutsche.de: Was denken die Polen über sich selbst?

Olins: Das hängt von ihrem Alter ab: Die älteren Polen sind mit ihrem Land unzufrieden, sie haben einen gewissen Minderwertigkeitskomplex. Es spielt dabei keine Rolle, ob sie arm sind oder wohlhabend. Sie sagen: In der Geschichte ist Polen so oft erobert und unsere Kultur unterdrückt worden - das muss auch an uns liegen. Sie sprechen von einem "Land der Märtyrer".

Die junge Generation ist da ganz anders: Sie ist sehr patriotisch und stolz, aber zugleich kennen die Jungen die Schwächen des Landes, etwa die politische Elite und die mangelnde Stabilität. Die jungen Polen sind Parteien gegenüber sehr skeptisch - und sind große Anhänger der europäischen Integration.

sueddeutsche.de: Gar nicht so leicht, daraus einen guten Slogan zu entwickeln.

Olins: Wir haben daraus die Leitidee der creative tension, der kreativen Spannung gemacht. Wir wollten den gespaltenen Charakter des Landes mit seiner bewegten Geschichte nicht verleugnen, sondern positiv besetzen. Die Polen sind sehr fleißige, kreative Menschen voller Ideen und Unternehmergeist. Aber zugleich sind sie anarchisch und nicht teamfähig.

sueddeutsche.de: Dem stimmen die Polen selbst zu?

Olins: Ja. Als wir den Slogan präsentiert haben, bekamen wir von vielen die Antwort: "Stimmt, so sind wir!" Das beste Beispiel ist die Solidarność-Bewegung: Sie wurde gegründet, um die Regierung Jaruzelski zu stürzen. Kaum war das Ziel erreicht, zerbrach Solidarność, weil sich die Anführer zerstritten.

sueddeutsche.de: Wann gibt es die ersten Plakate mit dem Slogan von der kreativen Spannung zu bewundern?

Olins: Das kann ich nicht sagen. Wir machen momentan mit unserer Arbeit eine Pause und warten das Ergebnis der Parlamentswahl ab. Wir haben 2005 unsere Vorschläge präsentiert, doch die Regierung Kaczynski war daran nicht interessiert - und hat so nicht gerade dazu beigetragen, das polnische Image zu verbessern.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welchen Einfluss Staatsoberhäupter und Regierungschefs auf das Image ihrer Länder haben.

"Polen könnte das neue Spanien sein"

sueddeutsche.de: Welche Rolle spielt die politische Führung für das Ansehen eines Staates?

Interview über Staaten und ihr Image: Der polnische Klempner: Eines der vielen Klischeebilder über die Nachbarn im Osten.

Der polnische Klempner: Eines der vielen Klischeebilder über die Nachbarn im Osten.

(Foto: Foto: AP)

Olins: Eine sehr große. Denken Sie an das Image der USA unter den Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush. Nelson Mandela hat viel dazu beigetragen, dass Südafrika heute ein gutes Image hat und auch die Deutschen hatten Glück mit ihren Bundeskanzlern. Die Gebrüder Kaczynski vermitteln der Welt nicht das Gefühl, dass Polen ein normales, modernes Land und Mitglied der Europäischen Union ist, in dem es Pizza und Internet-Cafés gibt. Aber auch andere Faktoren sind wichtig: Erfolgreiche Sportler, ein reiches Kulturleben, eine moderne Luftlinie oder eine blühende Filmindustrie - das beeinflusst das Image.

sueddeutsche.de: Sie sagen also, im 21. Jahrhundert muss sich jedes Land um ein gutes Image kümmern.

Olins: Ich bin mir sicher, dass dies in der globalisierten Welt nötig ist. Im Jahr 2007 gibt es viel mehr Staaten als vor zehn oder zwanzig Jahren und alle konkurrieren miteinander: Es geht um Tourismus, ausländische Direktinvestitionen und die Staaten wollen ihre Güter exportieren. Dafür ist es wichtig, ein unverwechselbares Image zu haben, um sich hervorzuheben.

Zurück zu Polen: Das Land leidet an seiner Vergangenheit als ehemals kommunistisches Land - für den Rest der Welt gelten solche Staaten als grau und austauschbar. Bisher ist es aber noch keinem osteuropäischen Land gelungen, sich gut zu positionieren - wenn wir ehrlich sind, kann doch kaum jemand Slowenien und die Slowakei unterscheiden.

sueddeutsche.de: Wo bleibt das Positive? Welches Land hat es denn geschafft, sich ein besseres Image anzuheften?

Olins: Es geht gar nicht um eine bessere Wahrnehmung, sondern um eine realistischere. Neuseeland hat sehr erfolgreich die Lage am Rand der Welt in etwas Positives verwandelt: Das Land präsentiert sich als rein, sauber und ökologisch. In Europa wäre Spanien zu nennen: Vor wenigen Jahrzehnten, am Ende der Franco-Diktatur, war es ein rückständiges Land. Die anderen Europäer fuhren wegen der Strände dorthin, aber niemand wollte dort leben. Seit dem EU-Beitritt 1986 hat sich viel geändert: Spanien hat heute ein modernes Image und die Menschen sind stolz, Spanier zu sein.

Lesen Sie auf der letzten Seite, wieso Polen wie Spanien sein könnte.

"Polen könnte das neue Spanien sein"

Interview über Staaten und ihr Image: Sie bestimmen das Bild Polens im Ausland mit: Staatspräsident Lech Kaczynski (r.) und sein Zwillingsbruder Jaroslaw, der noch Ministerpräsident ist.

Sie bestimmen das Bild Polens im Ausland mit: Staatspräsident Lech Kaczynski (r.) und sein Zwillingsbruder Jaroslaw, der noch Ministerpräsident ist.

(Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Wie haben die Spanier das angestellt? Gab es einen geheimen Masterplan?

Olins: Nein, aber es gab eine Gruppe von etwa 200 bis 300 Leuten aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, die in regelmäßigem Kontakt standen. Dazu kam eine Vielzahl von Faktoren: Der bekannte Künstler Joan Miró hatte ein neues, attraktives Logo entworfen, Anfang der neunziger Jahre fand in Sevilla die Weltausstellung statt, Barcelona veranstaltete die Olympischen Spiele und in Bilbao eröffnete das neue Guggenheim-Museum mit seiner phantastischen Architektur. Spanien bekam ein modernes Gesicht. Unternehmen wie Telefonica wurden europaweit aktiv. Nicht zu vergessen sind die Künste: Der Regisseur Pedro Almodóvar und der Architekt Santiago Calatrava sind heute Weltstars.

sueddeutsche.de: Polen wird 2012 gemeinsam mit der Ukraine die Fußball-Europameisterschaft ausrichten. Sind solche Großereignisse hilfreich?

Olins: Sie sind nützlich, weil sie Aufmerksamkeit anziehen. Aber die Verantwortlichen müssen wissen, dass man mit einer Anzeigenkampagne das Image nicht wirklich verändert. Was das Beispiel Spanien auch zeigt: Es sind viele Faktoren und es braucht Zeit - etwa zehn bis zwanzig Jahre. Aber ich glaube schon, dass Polen einen ähnlichen Imagewandel erleben kann wie Spanien, denn es gibt zahlreiche Gemeinsamkeiten.

sueddeutsche.de: Welche?

Olins: In beiden Ländern leben etwa 40 Millionen Menschen, die mehrheitlich katholisch sind. Beide liegen am Rand Europas - Spanien im Süden, Polen im Osten. Beide Staaten haben eine bewegte Geschichte, es gibt phantastische Städte, herausragende Kultur sowie viele kreative Menschen. Eine weitere, fast vergessene Ähnlichkeit: Spanien war seit dem 16. Jahrhundert in einer Phase des Niedergangs. Auch Polen war Spielball äußerer Mächte.

sueddeutsche.de: Eine Frage zum Schluss: Was ließe sich am Image Deutschlands verbessern?

Olins: Das deutsche Image ändert sich langsam, aber noch immer dominieren Bier, Verlässlichkeit, Disziplin und Autos. Alle denken bei Exportgütern aus Deutschland an Audi, BMW und Mercedes und verbinden das mit der deutschen Wirtschaft. Dabei gibt es doch Unternehmen wie Hugo Boss, SAP, Puma oder Adidas, die Deutschland zu einem viel besseren Image verhelfen könnten.

Wally Olins gilt als britischer Marketing-Guru. Er schrieb das Standardwerk "Corporate Identity". Zu seinen Kunden gehören British Telecom, die Mobilfunkfirma Orange sowie Renault und Volkswagen. Bis 1997 war er Vorsitzender der Agentur Wolff Olins, die er selbst mitgegründet hatte. Seit dem Verkauf lehrt Olins an verschiedenen Universitäten und hat mit seiner neuen Firma Saffron Brand Consultants Staaten wie Portugal, Großbritannien und die Niederlande beraten - und im Auftrag der polnischen Handelskammer Polen. Olins lebt und arbeitet in London.

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