Interview mit Volker Kauder:"Es geht viel"

CDU-Fraktionschef Volker Kauder ist Merkels wichtigster Mann. Im SZ-Interview verspricht er Schuldenabbau und Steuersenkung - und verrät, was er für den Schlüssel zur Lösung der Krise hält.

S. Braun und N. Fried

Der Fraktionschef der Union, Volker Kauder, ist Angela Merkels wichtigster Mann. Er sichert der Kanzlerin die Zustimmung der Fraktion, auch in schwierigen Fällen. Jetzt verlangt er auch von den Ministerpräsidenten mehr Disziplin.

Interview mit Volker Kauder: Sieht viel Spielraum für die nächste Legislaturperiode: CDU-Fraktionschef Volker Kauder.

Sieht viel Spielraum für die nächste Legislaturperiode: CDU-Fraktionschef Volker Kauder.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Kauder, Sie versprechen zurzeit mal Steuersenkungen, dann wieder die flotte Tilgung der Schulden. Was gilt?

Volker Kauder: Beides.

SZ: Wie bitte?

Kauder: Sie haben mich richtig verstanden. Wir wollen in der nächsten Legislatur die Steuern senken und unsere Schulden zurückzahlen.

SZ: Wie soll das angesichts der Rekordverschuldung gehen?

Kauder: Beides ist möglich. Wir haben im Jahr 2005 einen Bundeshaushalt übernommen mit einem strukturellen Defizit von 60 Milliarden Euro und einer jährlichen Neuverschuldung von 30 Milliarden Euro. Wenn Finanz- und Wirtschaftskrise nicht gekommen wären, hätten wir 2011 keinen Cent neuer Schulden mehr aufgenommen. Das heißt, wir hätten in sechs Jahren Spielräume erkämpft. Es geht viel, wenn man sich anstrengt.

SZ: Die neuen Schulden schieben das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts um Jahre nach hinten. Können Sie glaubwürdig Steuersenkungen und Schuldenabbau versprechen? Günther Oettinger warnt vor unerfüllbaren Versprechen.

Kauder: Selbst Günther Oettinger sieht bis zum Ende der nächsten Legislatur Spielräume. Die Union wird das Versprechen abliefern, dass sie in den nächsten vier Jahren eine Entlastung und eine Strukturreform macht. Natürlich ist aufgrund der Krise eine neue Lage entstanden. Über konkrete Einzelheiten und über einen Zeitplan müssen wir uns deshalb noch verständigen. Beim Abbau der kalten Progression geht es noch um 19 Milliarden Euro. Das ist machbar, wenn die Wirtschaft sich erholt. Sollte sie das nicht, wird vieles schwieriger.

SZ: Tatsache ist, dass es auch in der Union umstritten ist, ob man mit dem Versprechen von Steuersenkungen in den Wahlkampf gehen soll.

Kauder: Die überwiegende Mehrheit der CDU-Führung ist der Meinung, dass es geht und richtig ist. Ich plädiere eindeutig für eine Zusage. Politik braucht eine Vorstellung von dem, was sie will. Ich gehe davon aus, dass wir mit dem Konjunkturpaket die Wirtschaft stabilisieren. Wenn ich diese Überzeugung nicht hätte, könnte ich es bleiben lassen. Außerdem hören wir erste positive Signale.

SZ: Es gibt so viele Signale. Beim Konsum gute, bei den Prognosen katastrophale. Wo befinden wir uns in der Krise?

Kauder: Ganz ehrlich: darauf kann niemand eine Antwort geben. Wir befinden uns in einem Prozess, den wir positiv zu steuern versuchen. Ich glaube, dass wir bei den Banken, trotz des Rettungspakets, noch große Probleme haben werden und deshalb mit ihnen besprechen müssen, was noch getan werden muss. Für mich ist das der zentrale Schlüssel zur Lösung.

"Es geht viel"

SZ: Das heißt dann: Noch mehr Steuergelder für die Rettung des Bankensystems?

Kauder: Mehr Geld schließe ich aus. Ich sehe auch kein drittes Maßnahmenpaket auf uns zukommen. Und ich schließe aus, dass der Staat in eine Rolle kommt, in der er plötzlich Unternehmen und ihre Geschäftspolitik bewertet, um zu entscheiden, ob es Kredite, Bürgschaften oder gar Beteiligungen gibt. Die Landesbanken zeigen, dass der Staat nicht der bessere Banker ist.

SZ: Sind Sie so eindeutig auch bei der Diskussion um Bürgschaften und Hilfen für Schaeffler-Continental?

Kauder: Je einzelfallbezogener die Diskussion wird, desto problematischer wird sie. Wir können darüber reden, wie wir einer Branche helfen und das ist schon problematisch. Aber in Einzelfällen wird es ausgesprochen schwierig.

SZ: Dann ist der Vorschlag von Jürgen Rüttgers, im Notfall auch Staatsbeteiligungen zu erwägen, gar nicht so falsch.

Kauder: Um es klar zu sagen: Von einer breiten Verstaatlichung oder Beteiligung an Unternehmen rate ich dringend ab. Und deshalb habe ich auch im Fall Schaeffler-Conti erhebliche Vorbehalte.

SZ: Haben Sie keine Angst vor der Neiddebatte, dass der Staat den Banken Hunderte Milliarden gibt, aber deutlich weniger für die Unternehmen und die Menschen selber?

Kauder: Es ist unsere Aufgabe, zu erklären, warum wir das alles tun: Wir wollen den Menschen eine Perspektive geben, möglichst unbeschadet durch diese Krise zu kommen. Das heißt: das Bankensystem sichern, damit die Sparguthaben bleiben. Und es heißt, die Wirtschaft zu mobilisieren, damit möglichst wenige Arbeitsplätze verloren gehen.

SZ: Es gibt eine Debatte über das Profil der Union im Krisenmanagement. Stimmt die Analyse des Saarländers Peter Müller, die Ministerpräsidenten müssten eine stärkere Rolle übernehmen?

Kauder: Für das Profil sind alle in der Parteiführung verantwortlich, von den Ministerpräsidenten über die Fraktionsspitze bis zur Parteichefin. Was aber ist das Profil der Union? Ein zentrales Element ist, dass dort, wo die Union regiert, mit dem Geld der Steuerzahler verantwortungsvoll umgegangen wird. Das haben wir beim Schuldenabbau in der großen Koalition glasklar bewiesen. Und wir beweisen es jetzt mit der zielgerichteten Verabschiedung des Pakets aus Investitionen und Entlastungen. Ich würde mir wünschen, dass die Länder das jetzt im Umgang mit ihren Landesbanken auch beweisen. Im Übrigen bringen uns Profildebatten keinen Schritt weiter. Die Menschen fangen damit herzlich wenig an. Sie wollen gut regiert werden.

SZ: Wie wichtig ist eine Schuldenbremse?

Kauder: Entscheidend. Für mich ist ein Ja zum Konjunkturpaket ohne eine klare Schuldenbremse und Tilgungsvereinbarung undenkbar. Ich wünsche mir eine gemeinsame Lösung zwischen Bund und Ländern. Die Chance dafür besteht, die Ministerpräsidenten sind am Zug.

SZ: Mehr Spaß scheint denen zu machen, über die Strategie zu streiten.

Kauder: Wir hatten in der Präsidiumssitzung vor zwei Wochen vereinbart, hinter verschlossenen Türen die Steuerstrategie zu erarbeiten. Das hat nicht mal drei Tage gehalten. Zum Profil der Union gehört Zuverlässigkeit. Und Disziplin.

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