Interview mit Stanislaw Tillich:"Wir können nicht alle Probleme sozialisieren"

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Sachsens Ministerpräsident Tillich übt harsche Kritik an den Banken - er sieht nur begrenzte Steuerungsmöglichkeiten des Staates.

S. Braun und C. Hulverscheidt

Die SachsenLB war die erste Landesbank, die im Strudel der Finanzkrise ertrank. Heute kritisiert Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), dass viele Bankmanager noch immer nicht alle Verluste ihrer Bankhäuser offen auf den Tisch legen.

Will seinen Posten als Regierungschef im Sommer Verteidigen: Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (Foto: Foto: AP)

SZ: Die Politik pumpt immer noch mehr Geld in die Banken. Erlaubt die Krise jede Hilfe oder hat das Grenzen?

Stanislaw Tillich: Ein konsequentes Durchgreifen der Politik ist das Einzige, was in der derzeitigen Situation noch helfen kann. Aber wir müssen klug vorgehen. Offensichtlich hat der Rettungsschirm für die Banken einen Konstruktionsfehler. Sie brauchen mehr Eigenkapital statt Bürgschaften.

Den Rettungsschirm sollte man nicht auch noch überschreiten. Ich halte es für sehr problematisch, dass wir immer noch in einer Situation sind, in der sowohl bei den Privatbanken als auch bei den Landesbanken die Wahrheit und das ganze Ausmaß der Nöte nur scheibchenweise auf den Tisch kommt.

SZ: Droht ein Fass ohne Boden?

Tillich: Ja, die Sorge habe ich, weil das Ganze zu einer unkalkulierbaren Größe geworden ist. Einerseits bringen wir so viel Vertrauen auf und spannen einen gigantischen Rettungsschirm über die Banken. Andererseits müssen wir erleben, dass die Banken jedes Quartal immer neue und noch schlimmere Zahlen präsentieren.

Da zweifelt bald jeder zu Recht daran, ob der Staat da überhaupt noch helfen kann. Ich fürchte, dass die Kritiker, die seinerzeit alle Banken zwangsweise unter den Schirm holen wollten, am Ende recht behalten werden. Wenn wir sie unter den Schirm gezwungen hätten, wäre bei den Banken auch der Zwang da, die Hosen runterzulassen und alle Gefahren offenzulegen.

SZ: Ist jetzt eine Grenze erreicht?

Tillich: Wir mussten in Sachsen klar Schiff machen, als es noch keinen Bankenrettungsschirm des Bundes gab. Das bedeutet: Sachsen bürgt für die Ausfälle seiner alten Landesbank. Wir mussten uns zu der Verantwortung bekennen, dass unsere Landesbank kollabiert ist. Das schmerzt, ist aber sauber.

SZ: Ärgern Sie sich, dass andere sich einen schlanken Fuß machen und unter den Rettungsschirm schlüpfen?

Tillich: Richtig. Ärgerlich ist das durchaus. Andererseits wissen wir, was es für Folgen haben kann, wenn man eine Bank kaputtgehen lässt. Was mich belastet, ist, dass wir Banken haben, die so tun, als sei gar nichts passiert. Die voll drinstecken und plötzlich beim Staat anklopfen mit der Botschaft: Gib mir mal neun Milliarden, oder 15 oder 23 - und der Staat schon fast in einer Situation ist, in der er sich nur noch schwer verweigern kann. Deshalb muss es da auch eine Grenze geben.

SZ: Das Erstaunliche ist, dass die Verstaatlichungsdebatte nicht nur von der Linkspartei oder der SPD kommt, sondern aus der CDU heraus. Erkennen Sie da Ihre eigene Partei noch wieder?

Tillich: Es ist ein bisschen so, als änderte sich einfach die Dimension. Plötzlich spricht in Berlin jeder über Milliarden, als seien es 100 000 Euro. Ähnlich spricht mancher bei uns jetzt über Verstaatlichung, als ob das das Normalste auf der Welt wäre. Wenn der Reichstag in Ostberlin gestanden hätte, hätte ich das noch verstanden. Aber er steht nicht da.

Doch Spaß beiseite: Ich kann nur davor warnen und hoffe, dass die Anhänger der sozialen Marktwirtschaft, also marktwirtschaftlicher Prinzipien, sich durchsetzen. Die meisten, die jetzt Verstaatlichungen für möglich halten, haben noch vor sechs Monaten gegen Bürokratisierung und zu viel Einmischung durch den Staat gewettert. Glaubwürdiger macht man sich so nicht. Wir können nicht alle Probleme der Wirtschaft sozialisieren.

SZ: Bund und Länder debattieren heftig über eine Schuldenbremse. Wäre es nicht ein Armutszeugnis, wenn es nicht gelingt, zu einer Schuldenbremse der öffentlichen Haushalte zu kommen?

Tillich: Richtig ist, dass die Länder in Verbindung mit dem Konjunkturpaket II eine Schuldenbremse gefordert haben. Richtig ist zum Zweiten, dass der jetzige Vorschlag eine Mogelpackung ist. Wenn der Bund eine Begrenzung auf 0,5 Prozent des BIP vorschlägt, dann ist das aus meiner Sicht falsch und lädt schlimmstenfalls dazu ein, eingehalten zu werden. Schuldenbremse heißt für mich: null Prozent.

Und davon darf man nur in Krisenzeiten abweichen. So wie wir das in Sachsen längst im Haushaltsgesetz stehen haben. Das, was der Bund vorschlägt, ist doch ein Anreiz, um weiter Schulden zu machen, nicht um zu sparen. Wenn ich diesen Spielraum weiter bekomme, nehme ich ihn doch in Anspruch. Zumal bei dem Standortwettbewerb, wie er zwischen den Bundesländern herrscht.

SZ: Lehnen Sie den Vorschlag also ab?

Tillich: In der Sache müsste ich das. Würden wir aber ablehnen, hieße es, Sachsen stimme einer Schuldenbremse nicht zu, also kämen wir in eine absurde Situation. So wird es nicht kommen. Eine wenn auch weiche Regelung zur Schuldenbegrenzung ist besser als gar keine.

SZ: Sind Sie bereit, den armen Bundesländern bei den Altschulden zu helfen?

Tillich: Ehrlich gestanden: Das kann ich mir nur sehr schwer vorstellen. Ich muss zugeben, dass es mich manchmal ärgert, wie sich einzelne Kollegen hinstellen und erklären, dass sie mehr gar nicht sparen und also auch ihre Altschulden nicht abtragen könnten. In dieser Frage sollten sich manche ein Vorbild an einigen neuen Bundesländern nehmen.

Von denen haben einige vieles gespart, was andere ausgegeben haben - und sind deshalb heute in einer besseren Haushaltssituation. Solidarität funktioniert nur mit eigener Anstrengung - für alle.

© SZ vom 4. 2. 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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