Interview mit Ruandas Präsident:"Die Blauhelme sind ein völlig nutzloser Haufen"

Paul Kagame warnt vor einem neuen Krieg im Kongo und fordert mehr Einsatz, um einen Völkermord im Sudan zu verhindern. Ruandas Präsident gilt als Schlüsselfigur im Ringen um Frieden in Zentralafrika.

Interview: Arne Perras

Der Kongo-Konflikt war das beherrschende Thema seines Besuchs in Berlin, wo er mit Kanzler Gerhard Schröder zusammentraf. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung sprach der Präsident über die Gefahr eines neuen Krieges, die Rolle der UN und die Perspektiven für den Armutskontinent.

Interview mit Ruandas Präsident: Ruandas Präsident Paul Kagame.

Ruandas Präsident Paul Kagame.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Im Kongo ist die Gewalt wieder aufgeflammt. Der UN-Sicherheitsrat hat die Nachbarländer aufgefordert, jede Einmischung zu unterlassen. Wird sich Ruanda zurückhalten oder intervenieren? Kagame: Ich habe auf dem Weg nach Deutschland den kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila getroffen, um unsere Streitpunkte auszuräumen. Ruanda empfindet es als Bedrohung, wenn die Führung im Kongo jetzt tausende Truppen in den Osten des Landes schickt, besonders wenn sie sagen, dass sie uns angreifen wollen.

SZ: Präsident Kabila sieht das offenbar umgekehrt; er behauptet, Ruanda zettele Krieg gegen den Kongo an. Kagame: Es gab im Gespräch manche Missverständnisse auszuräumen. Jedenfalls haben wir uns erneut zum Friedensabkommen von Pretoria bekannt.

SZ: Welche Interessen stehen für Ruanda im Kongo auf dem Spiel? Kagame: Uns besorgt vor allem eines: die Präsenz der Interahamwe-Milizen, die 1994 in Ruanda den Genozid begangen haben. Die Leute symbolisieren den Völkermord, sie müssen verschwinden.

SZ: Wie soll das geschehen? Kagame: Ganz einfach, diese Verbrecher müssen gefangen und gerichtet werden. Wir fürchten, dass sie sich sonst mit anderen Gruppen verbünden.

SZ: Nach Einschätzung der UN-Truppe im Kongo stellen die Interahamwe aber keine ernst zu nehmende Bedrohung mehr da. Kagame: Das ist interessant. Wenn das stimmt, frage ich mich, warum die UN-Truppe Monuc dann so viel Angst vor denen hat. Die Blauhelme verkriechen sich. Wir sagen den UN, wo die Interahamwe sind, aber sie trauen sich nicht. Ich habe noch niemals einen so nutzlosen Haufen gesehen wie die Monuc. Ich habe keinerlei Respekt vor diesen Leuten.

SZ: Heißt das, Ruanda muss es selbst richten? Kagame: Welches Land würde nicht intervenieren, wenn seine Sicherheit in Gefahr ist? Wenn sie uns angreifen, werden wir sie zurückschlagen und sie verfolgen - so weit, wie wir es für nötig halten.

SZ: Im Westen ist Ihnen vorgeworfen worden, Sie würden die Sorge um die eigene Sicherheit als Tarnung nutzen, um den Kongo ökonomisch auszuplündern. Was sagen Sie dazu? Kagame: Ausplündern? Diese Europäer, die uns jetzt beschuldigen, sie waren es doch, die unseren Kontinent Jahrhunderte lang ausgeplündert haben.

SZ: Mag sein, aber das beantwortet die Frage nicht. Eine Expertenkommission der UN hat jedenfalls herausgefunden, dass Ruanda die Bodenschätze des Kongo illegal ausbeutet. Etwa den Stoff Coltan, der für Handies benötigt wird. Kagame: Diese Leute sind von den Franzosen manipuliert worden, weil Paris mit uns Probleme hat. Die Franzosen haben jene Leute bei uns unterstützt, die den Völkermord begingen. Aber sie sprachen vom Coltan. Wir fördern das alles selbst. Sie können unsere Bücher sehen.

SZ: Ist es nicht ein seltsamer Zufall, dass ihre Coltanproduktion ausgerechnet in jenen Jahren hochgeschnellt ist, als ihre Truppen den Kongo besetzten? Kagame: Nochmal. Das ist unsere eigene Produktion.

"Die Blauhelme sind ein völlig nutzloser Haufen"

SZ: Kritiker sagen, Deutschland sollte Ruanda nicht so viel Entwicklungshilfe geben, weil das Land eine zweifelhafte Rolle im Kongo spiele. Kagame: Ich dachte, hier in Europa gebe es intelligente Leute. Wir sind Opfer eines Genozids geworden, und das ist die Wurzel dieses ganzen Konflikts. Warum sind wir jetzt die Schuldigen? Deutschland tut viel in unserem Land, diese Kooperation sollte man noch ausbauen.

SZ: Der Völkermord in Ruanda liegt nun zehn Jahre zurück. Hat das Land zu einem normalen Leben zurückgefunden? Kagame: Sie lösen solche Probleme nicht über Nacht. Aber niemand hat geglaubt, dass wir in zehn Jahren so weit kommen würden. Heute ist Ruanda so sicher und stabil, wie Sie es nirgendwo in der Region sehen.

SZ: Das internationale Tribunal in Arusha sollte die Hauptverantwortlichen des Völkermords zur Rechenschaft ziehen. Hat es gut gearbeitet? Kagame: Das Tribunal ist nicht völlig gescheitert, aber es hätte viel besser arbeiten können. Denken Sie an das Geld, das da hineingepumpt wurde. Mit welchem Ergebnis? Dieses Gericht hat keine großen Erfolge erzielt, es ist auf der Strecke geblieben.

SZ: Die Welt hat Ruanda während des Völkermordes im Stich gelassen. Nun wird gewarnt, dass auch im Westsudan ein Genozid im Gange ist. Wiederholt die Weltgemeinschaft ihre Fehler? Kagame: Wahrscheinlich ja.

SZ: Man hat den Eindruck, die afrikanischen Staaten interessieren sich auch nicht für die Katastrophe im Sudan. Kagame: Im Falle Ruandas haben wir allen Vorwürfe gemacht, auch den Afrikanern. Sie sind einfach zu langsam, um angemessen auf solche Probleme zu reagieren und sie anzugehen.

SZ: Auch die Krise in Simbabwe und die korrupte Herrschaft von Robert Mugabe löst nur wenig Kritik in anderen afrikanischen Staaten aus. Warum ist es der Regionalmacht Südafrika nicht gelungen, die Krise zu entschärfen? Kagame: Vielleicht hat Präsident Thabo Mbeki nicht die richtige Strategie, vielleicht gibt es andere Wege, den Konflikt zu lösen, als seine stille Diplomatie.

SZ: Das Pro-Kopf-Einkommen liegt heute in vielen Teilen Afrikas niedriger als am Ende der Kolonialzeit. Wo ist die afrikanische Renaissance geblieben, die viele beschworen? Kagame: Afrika selbst und die entwickelte Welt ist an den Problemen schuld. Afrikas Führer haben zu viel Zeit verschwendet. Wer Rohstoffe besaß, exportierte weiter Rohstoffe, anstatt in die Verarbeitung und die Ausbildung zu investieren. Und es wurde oft schlecht regiert.

SZ: Und der Westen? Kagame: Auch er hat Schuld. Sie haben uns oft ihre Programme aufgezwungen. Tut dies, tut das. Wenn das nicht funktionierte, waren auf einmal die Afrikaner schuld. Sie haben nicht einmal den Anstand, zuzuhören. Sie haben eine Schablone im Kopf, sind arrogant. Dann sagen sie, wir sollen unsere Märkte liberalisieren, und schützen ihre eigene Wirtschaft. Damit verspielt die entwickelte Welt ihre moralische Autorität.

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