Interview mit Ralf Stegner:"Die Linke kann nicht für immer tabu sein"

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Der Kieler Fraktionschef Ralf Stegner glaubt, dass seine SPD in Großen Koalitionen auf Dauer kaputtgeht.

Ralf Wiegand

Ralf Stegner, 48, ist seit 15. Januar Vorsitzender der SPD-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag. Zuvor war das Mitglied des Bundesvorstands Innenminister im Kabinett von Peter Harry Carstensen (CDU), mit dem er allerdings immer wieder heftig aneinandergeriet. Wäre Stegner nicht als Minister aus dieser Großen Koalition ausgeschieden, wäre die Kieler Regierung wohl geplatzt. Der Partei-Linke Stegner will spätestens 2010 selbst Ministerpräsident werden.

Ralf Stegner: "Im Osten finden die Leute rot-rote Koalitionen inzwischen normal." (Foto: Foto: AP)

SZ: Was ist so schlimm an Großen Koalitionen, dass Sie es nicht aushielten?

Stegner: SPD und CDU passen generell nicht besonders gut zusammen, in Schleswig-Holstein schon gar nicht. Ich glaube, in keinem anderen Bundesland waren die beiden Parteien über Jahrzehnte so verfeindet wie hier. Das eskalierte dann Ende der achtziger Jahre...

SZ:...mit der Barschel-Affäre.

Stegner: Nicht alle der Beteiligten von damals sind im Altersheim oder gestorben, insofern ist die Ausgangslage schon mal schwierig. Das Zweite ist die Art und Weise des Zustandekommens dieser Koalition. Die unglückselige Abstimmung, als Heide Simonis viermal durchfiel, die feixenden CDU-Abgeordneten, das hat man alles vor Augen. Außerdem stehe ich für einen Kurs, wonach sich SPD und CDU möglichst unterscheiden sollen. Das nützt beiden, hilft der Demokratie und gegen die Ränder links und rechts.

SZ: Wie sollte die SPD auftreten?

Stegner: Für eine profilierte linke Volkspartei SPD sind die Chancen besser, gut abzuschneiden. In Schleswig-Holstein haben wir es damit geschafft, sogar in der finstersten Zeit mit fünf Millionen Arbeitslosen 38,57 Prozent zu holen. Kurt Beck hat erkannt, dass in einem Kurs der SPD als linke Volkspartei - auch wenn man das nicht immer so nennen muss - die Chance liegt, die sogenannte Linke möglichst klein zu halten.

SZ: Und am Ende läuft es auf eine Große Koalition hinaus. Wie in Hessen. Oder auf Niederlagen wie in Niedersachsen.

Stegner: Wenn man die Wahlen vergleicht, sieht man: In Niedersachsen war die Wahlbeteiligung niedrig, und schon sind die Linken locker drin. Das war ein Schlafwagen- und Sonnenkönig-Wahlkampf der Union. In Hessen ist die Linke zwar auch reingekommen, aber die Botschaft lautet: Ein Tick mehr Wahlbeteiligung, 0,1 oder 0,2 Prozent - und sie wäre draußen geblieben. Die Analysen wären ganz anders ausgefallen. Ich glaube, dass ein Wahlkampf, wie Andrea Ypsilanti ihn geführt hat, am ehesten geeignet ist, die Linken rauszuhalten. Polarisierung nützt der SPD. Ich bezweifle daher, dass wir uns schon dauerhaft auf ein Fünf-Parteien-System im Westen einzurichten haben, wie ich ständig lese.

SZ: Wenn Hessen die Wende in der Profilierung der SPD in Ihrem Sinne ist, wäre eine Große Koalition dort dann nicht eine riesige Enttäuschung für die Basis?

Stegner: Das wäre so. Aber die Menschen werden auch schauen, was die SPD getan hat, um sie zu vermeiden. Wir stellen uns zur Not auch der Verantwortung wie hier in Schleswig-Holstein. Eines wird in Hessen nicht gehen: Dass die SPD mit der Linken zusammenarbeitet, das könnte sich Andrea Ypsilanti auch nicht leisten. Es wird meiner Meinung nach sehr stark von Hamburg abhängen, was in Hessen möglich ist. Ich sage mal, die FDP wird in eine Lage kommen - und die Diskussionen haben dort ja begonnen -, in der sie neu überlegen muss. Ich kann nicht einen Anti-Kommunisten-Wahlkampf unterstützen und mich dann der Verantwortung entziehen, indem ich mich alternativen Regierungsmodellen verweigere. Die FDP wird sich überlegen, ob sie das macht. Normalerweise wünscht man ihr ja nicht den Einzug in ein Parlament, aber in Hamburg würde ich das durchaus tun. Denn 5,1 Prozent für die FDP hätte den Effekt, dass es für Schwarz-Gelb nicht reicht. Und die Grünen geraten nicht auf Abwege, wenn eine Koalition mit der CDU für sie nicht das einzige Modell wäre, um mitzuregieren.

SZ: Der Flirt in Hamburg zwischen Grün-Alternativer Liste (GAL) und CDU ist recht konkret.

Stegner: Mit fatalen Folgen für die Grünen. Jedes Interview in diese Richtung führt dazu, dass die Prozente für die Grünen ab- und für SPD und Linke zunehmen. Die Basis der GAL würde Schwarz-Grün nur akzeptieren, wenn es keine Alternative gäbe und es für Rot-Grün nicht reichen würde. Wenn die Ampel die Alternative wäre, würde sie in Hamburg kommen. Und wenn sie in Hamburg geht, dann geht sie auch in Hessen.

SZ: Angenommen, es bliebe doch bei einem Fünf-Parteien-System und die Ampel funktioniert nicht. Was dann?

Stegner: Man kann ja auch nicht sagen, die Linkspartei ist für die nächsten zwanzig Jahre tabu. Das wird nicht die Antwort sein können. Angenommen, die etablieren sich doch und erneuern sich auch - dass die SPD dann auf Dauer in Deutschland eine linke Mehrheit nicht nutzt und stattdessen sich als Juniorpartner in Großen Koalitionen erschöpft mit dem Ergebnis, dass das schädlich ist und die eigene Basis erodiert, glaube ich nicht. Im Osten hat es ja auch eine Entwicklung gegeben: Da finden die Leute rot-rote Koalitionen inzwischen normal.

© SZ vom 06.02.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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