Interview mit CDU-Politiker Schlarmann:"Regulierte Managergehälter halte ich für falsch"

Ungedeckelte Managergehälter, weniger Kündigungsschutz und am besten keine Erbschaftssteuer: Josef Schlarmann, Chef des CDU-Wirtschaftsflügels, will neue Reformen.

Thorsten Denkler

Josef Schlarmann, Jahrgang 1939, ist seit 1982 CDU-Mitglied. Der Jurist ist Bundesvorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung - und ein Verfechter weiterer Reformen. Durch sein Amt ist er auch Mitglied im Bundesvorstand der CDU

Josef Schlarmann cdu ap

Josef Schlarmann

(Foto: Foto: AP)

sueddeutsche.de: Herr Schlarmann, vor wenigen Wochen noch haben Sie die Regierungspolitik von Kanzlerin Angela Merkel in Grund und Boden kritisiert - jetzt aber loben Sie sie in höchsten Tönen. Hat die Bundesregierung angefangen, in Ihrem Sinne zu arbeiten?

Josef Schlarmann: An der ursprünglichen Kritik habe ich nichts zurückzunehmen. Mein Lob richtet sich auf das Krisenmanagement der Kanzlerin in der Finanzkrise. Die Bundesregierung hat mit ihrem Bürgschafts- und Soforthilfeprogramm, international abgestimmt, den richtigen Ansatz gewählt.

sueddeutsche.de: Es lauert die Gefahr einer Rezession. Ist die Bundesregierung dafür gut aufgestellt?

Schlarmann: Noch nicht: Wenn die Finanzkrise überwunden ist, hat die Regierung hoffentlich den Kopf frei, um zu überlegen, was sie gegen die drohende Rezession machen will.

sueddeutsche.de: Was kann die Regierung dagegen tun?

Schlarmann: Falsch wäre ein traditionelles Konjunkturprogramm, das mit höheren Staatsausgaben versucht, Wachstum zu fördern. Solche Programme sind reine Strohfeuer, die in der Vergangenheit noch nie geholfen, sondern nur zu einer höheren Staatsverschuldung geführt haben.

sueddeutsche.de: Also Steuern und Abgaben senken? Dafür ist doch auch kein Geld da.

Schlarmann: Es muss an mehreren Stellschrauben gearbeitet werden. Die Konsumenten und Investoren benötigen mehr Anreize. Aber wir brauchen auch eine weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, um es den Unternehmern auch in Krisenzeiten zu ermöglichen, Personal einzustellen.

sueddeutsche.de: Wollen Sie wieder an den Kündigungsschutz ran?

Schlarmann: Wir haben mit der Zeitarbeit, mit den Mini- und Midi-Jobs eine erhebliche Flexibilisierung am Arbeitsmarkt erreicht. Mehr als eine Million Menschen haben dadurch einen Arbeitsplatz erhalten. Diesen Erfolg dürfen wir jetzt nicht durch mehr Regulierung und Mindestlöhne gefährden.

sueddeutsche.de: Was haben Sie gegen gleiches Geld für gleiche Arbeit?

Schlarmann: Gerade die Spreizung in der Lohnstruktur hat für mehr Beschäftigung gesorgt.

sueddeutsche.de: Sie hat auch dazu geführt, dass in einigen Branchen mehr Zeitarbeiter in der Fabrikhalle stehen als Festangestellte.

Schlarmann: Einige Auswirkungen dieser Entwicklung waren von der Politik sicher so nicht gewollt. Ursache für den Boom der Zeitarbeit ist aber der viel zu rigide Kündigungsschutz. Unser Kündigungsschutz schützt in erster Linie nicht den Arbeitnehmer, sondern den Arbeitsplatz. Es ist eine dringende politische Aufgabe, hier mehr Ordnung hineinzubringen.

sueddeutsche.de: Wie?

Schlarmann: Es geht darum, zwei Zielstellungen miteinander zu verbinden. Flexibilität für den Unternehmer einerseits und Sicherheit für die Beschäftigten andererseits. Die Gewerkschaften und auch die SPD wollen aber einseitig nur das unbefristete und unkündbare, sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsverhältnis - wenn wir dieses Ziel realisieren, werden wir wieder mehr Arbeitslosigkeit bekommen.

sueddeutsche.de: Also doch den Kündigungsschutz eindampfen?

Schlarmann: Nicht eindampfen. Ein Element, über das man nachdenken sollte, kann ein Wahlrecht des Arbeitnehmers sein. Er kann zwischen Kündigungsschutz und der Zahlung von Abfindungen entscheiden. Hat er sich für eine Alternative entschieden, kann er die andere nicht bekommen. Aber ich glaube nicht, dass das schon die endgültige Lösung ist.

sueddeutsche.de: Was dann?

Schlarmann: Ich denke an das dänische Modell der Flexsecurity. In diesem Modell erhält der Arbeitnehmer für den Verzicht auf Kündigungsschutz Einkommenssicherheit für die Zeit der Arbeitslosigkeit und die Garantie auf einen neuen Arbeitsplatz.

sueddeutsche.de: Und der Staat zahlt ordentlich dazu - mit praktisch lohngleichem Ersatzgeld.

Schlarmann: Die Höhe ist nicht das Thema, wenn der Arbeitnehmer schnell wieder in Arbeit kommt. Entscheidend ist die Sicherheit für den Arbeitnehmer. Er weiß, er kann schnell gekündigt werden. Aber er fällt danach nicht in ein existentielles Loch und hat die realistische Chance, schnell neue Arbeit zu finden.

sueddeutsche.de: Das Thema Kündigungsschutz hat die Bundesregierung doch ad acta gelegt.

Schlarmann: In der Tat, hier hat die große Koalition nichts aber auch gar nichts geleistet. Dabei brauchen wir schnell eine Lösung, um im konjunkturellen Abschwung eine Zunahme der Arbeitslosigkeit zu bremsen. Das oberste Ziel muss heißen: Sozial ist, was Arbeit schafft. Mehr Arbeitslose bedeuten höhere Sozialabgaben, höhere Sozialabgaben bedeuten mehr Arbeitslose. In diesen Teufelskreis dürfen wir auf keinen Fall wieder geraten.

"Regulierte Managergehälter halte ich für falsch"

sueddeutsche.de: Sie vertreten einen Wirtschaftsbereich, in dem die Menschen noch mit ihrer Hände Arbeit Geld verdienen. Die müssten doch angesichts der Finanzkrise auf die Barrikaden gehen und die Abschaffung dieses übergeschnappten Finanzmarktes fordern.

Schlarmann: Man kann den Finanzleuten nicht verbieten, die verrücktesten Wetten miteinander abzuschließen oder ihr Geld in die Elbe zu werfen. Problematisch ist das nur, wenn die Folgen auf die Menschen in der Realwirtschaft übergreifen.

sueddeutsche.de: Wie kann das in Zukunft verhindert werden?

Schlarmann: Wir brauchen eine Art Sicherheitszaun. So könnten Spekulationspapiere börsenpflichtig gemacht werden. Dies würde die Transparenz erhöhen

sueddeutsche.de: Für den Mittelstand ist gute Beratung in den Banken wichtig. Welche Rolle spielt es da, wie Bankberater ihr Geld verdienen?

Schlarmann: Eine große. Der Mittelständler weiß am Ende eines Jahres, was er verdient hat. An Finanzbanker werden aber auf der Grundlage von Quartalsergebnissen Boni bezahlt. Das setzt völlig falsche Anreize. Wir brauchen langfristige Anreizsysteme, die verhindern, dass sie an Spekulationsblasen verdienen.

sueddeutsche.de: Linke fühlen sich durch die Krise bestätigt. Haben die nicht recht, wenn sie wie Oskar Lafontaine vor etwas über einem Jahr sagen, wir stellen die Systemfrage?

Schlarmann: Das ist falsch. Unser System, die soziale Marktwirtschaft, ist die beste Wirtschaftsordnung, die es gibt. Sie verbindet das Prinzip der freien Märkte mit dem Prinzip des sozialen Ausgleichs und dem Prinzip der ethischen Ordnung. Wenn wir das alles beachtet hätten, dann wäre es erst gar nicht zu diesem Crash gekommen.

sueddeutsche.de: Wo die Gier regiert, haben sozialer Ausgleich und ethische Verantwortung eben keinen Platz mehr.

Schlarmann: Richtig. Wenn Banken eine Rendite von 25 Prozent und mehr anstreben, dann ist das nicht verantwortbar, weil es unmäßig ist. Unternehmen waren nie dafür da, ausschließlich die Kapitalrendite zu maximieren. Zweck der Unternehmen ist es, ihren Kunden Güter und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Hierfür benötigen sie Mitarbeiter und Lieferanten, denen sie ebenso verantwortlich sind, wie den Kapitalgebern.

sueddeutsche.de: Die deutsche Managerelite scheint das wenig zu stören. Ist es da nicht naheliegend, Managergehälter per Gesetz zu begrenzen?

Schlarmann: Eine staatliche Regulierung halte ich für falsch. Das geht auch anders. So könnte man den Anteil der Aktienoptionen am Gehalt begrenzen. Zweckmäßig wäre auch eine Regelung, wonach Aktienoptionen frühestens nach fünf bis zehn Jahren ausgeübt werden dürfen. Dann kann ein Manager zumindest nicht kurzfristig davon profitieren, dass er Tausende Mitarbeiter auf die Straße gesetzt hat.

sueddeutsche.de: Wie konnte es eigentlich soweit kommen?

Schlarmann: Wir haben die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft vergessen. Auch viele Politiker wissen heute nicht mehr, was diese Grundprinzipien sind. Das Bewusstsein dafür muss in die Köpfe zurück.

sueddeutsche.de: Herr Schlarmann, Sie predigen Reformen wie die Lockerung des Kündigungsschutzes. Solange sich die Unternehmen aber im drohenden Abschwung mit Investitionen zurückhalten, wird auch das nicht die Rettung sein.

Schlarmann: Darum verstehen wir nicht, weshalb die Bundesregierung zu Beginn des Jahres die degressive Abschreibung abgeschafft hat.

sueddeutsche.de: Warum? Unterm Strich stehen die Unternehmen doch nicht schlechter da.

Schlarmann: Bis Jahresbeginn galt: Ein Investitionsgut kann zunächst mit hohen Beträgen steuerlich abgesetzt werden und in den Folgejahren mit immer geringeren Beträgen. Das war ein erfolgreiches Mittel, um Investitionen schnell zu refinanzieren. Heute gilt die lineare Abschreibung, das heißt, das Investitionsgut wird in gleich hohen Beträgen abgeschrieben. Dadurch hat sich die Refinanzierung verschlechtert. Die Folge ist, dass die Investitionsquote in diesem Jahr zurückgehen wird. Die Bundesregierung muss deshalb den alten Zustand schnellstmöglich wieder herstellen.

sueddeutsche.de: Sie sprachen von Anreizen für die Konsumenten. Wie sollen die aussehen?

Schlarmann: Ziel muss es sein, die privaten Haushalte zu stärken, damit die Binnenkonjunktur in Schwung kommt.

sueddeutsche.de: Also höhere Löhne?

Schlarmann: Das bringt doch kaum etwas. Der größte Teil der Lohnerhöhungen geht für Steuern und Abgaben drauf. Und was dann noch übrig bleibt, wird für Produkte ausgegeben, die überwiegend im Ausland hergestellt werden. Darum ist die Konjunkturwirkung im Inland durch Lohnerhöhungen marginal.

sueddeutsche.de: Was geht dann?

Schlarmann: Um die privaten Haushalte zu stärken, müssen vor allem die mittleren Einkommensbezieher von Steuern und Abgaben entlastet werden. Dafür brauchen wir einen echten linear-progressiven Steuertarif. Der Mittelstandsbauch in der Steuerkurve, der besonders die Facharbeiter und höheren Angestellten betrifft, muss weg.

sueddeutsche.de: Das kostet viele Milliarden Euro, Herr Schlarmann!

Schlarmann: Eine ganze Menge. Ich weiß das. Es heißt immer, das sei nicht zu bezahlen. Aber was bedeutet es, den Mittelstandsbauch beizubehalten? Die Menschen verzichten auf Mehrarbeit und die Anschaffung langlebiger Gebrauchsgüter, wie beispielsweise Autos. Also Produkte, von denen ein hoher Anteil im Inland hergestellt wird.

"Regulierte Managergehälter halte ich für falsch"

sueddeutsche.de: Das wird doch die Konjunktur nicht retten.

Schlarmann: Nein, das kann die Konjunktur nur stützen. Es gibt nicht den einen Schlüssel. Darum brauchen wir viele solcher und ähnlicher Instrumente, damit aus einer Rezession keine Depression wird.

sueddeutsche.de: Mit Steuerentlastungen erreichen Sie aber die unteren Lohngruppen nicht, weil dort so gut wie keine Steuern mehr gezahlt werden.

Schlarmann: Das geht nur über gestaffelte Beiträge zu den Sozialversicherungen. Heute schlägt die Sozialversicherungskeule ab 800 Euro Einkommen mit voller Wucht zu. Wir sollten dazu kommen, die volle Sozialversicherungspflicht erst ab 1200 Euro greifen zu lassen.

sueddeutsche.de: Auch das kostet Geld.

Schlarmann: Sicher. Aber eine Entlastung an dieser Stelle hätte auch eine enorme Beschäftigungswirkung. Der Selbstfinanzierungseffekt darf hier nicht unterschätzt werden.

sueddeutsche.de: Wundert es Sie nicht, dass es in der Unions-Bundestagsfraktion zu Themen wie Kündigungsschutz und Steuerabbau keine Debatte gibt?

Schlarmann: Dort ist man gerade noch mit der Finanzkrise beschäftigt. Vielen wird möglicherweise auch jetzt erst klar, dass es akuten Handlungsbedarf gibt. Die führenden Wirtschaftsinstitute gehen von einem Wachstum von nur noch 0,2 Prozent aus; ihr Worst-Case-Szenario sieht ein Minus von 0,8 Prozent voraus. Die Eintrittswahrscheinlichkeit liegt bei immerhin 30 Prozent. Das sollte der Politik zu denken geben.

sueddeutsche.de: Das wäre Aufgabe von Wirtschaftminister Michael Glos und der Kanzlerin. Beide haben sich bisher eher bedeckt gehalten.

Schlarmann: Keine Sorge, sie werden sich mit dem Thema Konjunkturstützung sicher noch beschäftigen.

sueddeutsche.de: Die Koalition treibt gerade mehr um, ob Eigenheime bis zu einem Wert von zwei Millionen Euro von der Erbschaftssteuer befreit werden sollen. Sind das auch Ihre Probleme mit der Erbschaftssteuerreform?

Schlarmann: So wie die Reform ausgestaltet ist, wird sie vor allem Familienunternehmen belasten. Das sind die Unternehmen, denen wir in der Vergangenheit einen wesentlichen Teil der Mehrbeschäftigung zu verdanken hatten und die wir morgen brauchen, damit die Konjunktur nicht abstürzt.

sueddeutsche.de: Moment: Erben von Familienunternehmen sind doch weit besser gestellt als heute, wenn sie es schaffen, mehr als zehn bis 15 Jahre ihre Unternehmen aufrechtzuerhalten.

Schlarmann: Sie zahlen ja auf jeden Fall Steuern auf 15 Prozent des Unternehmenswertes. 85 Prozent werden verschont, aber nur wenn sich die Erben in ein unternehmerisches Zwangskorsett schnüren lassen. Die Lohnsumme darf nicht deutlich sinken, das Unternehmen darf nicht verkauft werden und es dürfen auch keine größeren Entnahmen getätigt werden. Das hat mehr mit Verwaltung eines Unternehmens zu tun, denn mit unternehmerischem Handeln. In einer vom Wettbewerb geprägten Wirtschaft kommt dies einem Todesurteil gleich.

sueddeutsche.de: Was wäre Ihre Lösung?

Schlarmann: Das beste Konjunkturprogramm wäre, die Erbschaftssteuer abzuschaffen. Schon die Diskussion darüber ist ein großes Investitionshindernis.

sueddeutsche.de: Sie machen Witze. Das werden die Länder nicht mitmachen. Sie brauchen die vier Milliarden Euro aus der Erbschaftssteuer.

Schlarmann: Zur jetzigen Reform gibt es deutlich bessere Alternativen. So könnte ein einheitlicher Erbschaftssteuersatz von drei Prozent auf das Vermögen festgesetzt werden, und zwar ohne Ausnahmen und Freibeträge. Vielleicht mit einer Bagatellgrenze, um Kleinvermögen zu schonen. Damit würde das fiskalische Ziel erreicht, die derzeitigen Einnahmen von vier Milliarden Euro nicht zu unterschreiten. Und die zu zahlenden Summen wären für alle überschaubar.

sueddeutsche.de: Das klingt alles sehr nach den neoliberalen Leipziger Beschlüssen der CDU, von denen heute niemand mehr reden will. Leipzig ist tot.

Schlarmann: Nein. Leipzig lebt. Mein Vorschlag zur Erbschaftssteuer ist das eigentliche Unionsmodell. So haben wir es beschlossen: Steuern sollen niedrig, einfach und gerecht sein. Stattdessen machen wir ein linkes Modell: Hohe Steuersätze mit vielen Ausnahmen.

sueddeutsche.de: Die Bayern poltern ja mächtig gegen die Erbschaftssteuerreform.

Schlarmann: Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Wenn die Bayern es schaffen sollten, die Erbschaftssteuerreform zu kippen, dann hätte sich der Verlust der Bayern-Wahl nachträglich gelohnt.

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