Interview:Beate Klarsfeld - Nazi-Jägerin und stolze Deutsche

Beate Klarsfeld

Beate Klarsfeld mit ihrem Mann Serge.

(Foto: AFP)

Die Frau, die den Bundeskanzler ohrfeigte, spricht im Interview mit der SZ über ihre Liebe zum Nazi-Jäger Serge Klarsfeld und erklärt warum sie stolz ist, Deutsche zu sein.

Neben ihrem Computer hängen Zeitungsausschnitte des Springer-Verlags

Das Leben von Beate Klarsfeld war spannend genug, um bereits zwei Mal verfilmt zu werden. Und zwar 1986 als Spionagethriller und ein zweites Mal 22 Jahre später als Politdrama. Beim Interview mit der Süddeutschen Zeitung in ihrer Pariser Altbauwohnung reicht Beate Klarsfeld Kekse. Perserteppiche, Bücherregale bis zur Decke.

Neben dem Computer hat Beate Klarsfeld zwei Zeitungsausschnitte aufgehängt: Springers "B.Z." vom 8. November 1968 mit der Schlagzeile "Ohrfeige für Kanzler Kiesinger!" Und, 44 Jahre später: Springers "Welt", wie sie Klarsfelds Kandidatur für das Amt der Bundespräsidentin charmant begrüßt. 2012 nominierte sie die Linkspartei für die Wahl zum Amt der Bundespräsidentin. Sie unterlag Joachim Gauck bei der Wahl der Bundesversammlung mit 126 zu 991 Stimmen.

Gemeinsam mit ihrem Mann verfolgte sie weltweit Nazi-Verbrecher

Berühmt wurde sie aber nicht nur durch eine Ohrfeigte für einen Bundeskanzler, der NSDAP-Mitglied gewesen war und eine Wahl, die sie würdig verlor. Diese beiden Ereignisse demonstrieren, welchen langen Weg Beate Klarsfeld zurückgelegt hat und wieviel Anerkennung der heute 76-Jährigen am Ende entgegengebracht wird. Filmstoff lieferte sie vor allem durch ihre unerschrockenen Taten vor dem Hintergrund des schrecklichsten Abschnitts deutscher Geschichte. Gemeinsam mit ihrem Mann Serge Klarsfeld verfolgte sie weltweit Nazi-Verbrecher, die bis dahin unbescholten gelebt hatten. Die beiden brachten unter anderem Klaus Barbie, den Schlächter von Lyon, vor Gericht. Auf ihrer Jagd überlebten sie Attentatsversuche und landeten in Haft.

Beate Klarsfeld hat das an der Seite eines Mannes erlebt, der französisch-Jüdischer Abstammung ist und 1960 die Tochter eines deutsches Wehrmachtssoldaten auf einem Métro-Bahnsteig in Paris zufällig kennenlernte. Im Gespräch bestätigt Beate Klarsfeld, die damals noch Künzel heißt, dass dieser Moment wohl das war, was man gemeinhin Liebe auf den ersten Blick nennt. Der Jude und die Deutsche - fünfzehn Jahre nach Kriegsende in den Augen der Mutter von Serge Klarsfeld nicht gerade die optimale Konstellation für eine Liebesbeziehung. Sie hatte ihren Mann in einem Konzentrationslager verloren. Und doch erzählt Beate Klarsfeld: "Als Serge mich seiner Mutter vorstellte, sah sie in mir das Individuum, nicht die Herkunft. Sie sprach auch Deutsch."

Klarsfeld sagte einmal, sie sei stolz, Deutsche zu sein

Und doch beginnt so eine große Liebesgeschichte zwischen dem Politstudenten Serge, der mit acht Jahren in einem Wandschrank versteckt miterleben musste, wie sein Vater von der Gestapo mitgenommen und nach Auschwitz verschleppt wurde. Auch wenn die Mutter skeptisch war und die junge Deutsche zu ihrer Schwester schickte, die in Bukarest lebte. "Sie genoss großen Respekt in der Familie. Ich sollte von ihr gewissermaßen das Gütesiegel bekommen", erzählt Beate Klarsfeld. Wie dieses Urteil ausfiel? "Ich glaube, sie war sich nicht so sicher. Aber Serge schon. Das zählte."

Beate Klarsfeld hat einmal gesagt, sie sei stolz Deutsche zu sein. Ein Satz, der einen stutzen lässt. Von einer Frau ausgesprochen, die in 60er, 70er und 80er Jahren deutsche Naziverbrecher jagte. Aber Beate Klarsfeld erklärt sehr differenziert, in welchem Kontext man diesen Satz zu verstehen hat. Was es für sie bedeutet hat, als Deutsche Verantwortung zu übernehmen und Stolz zu empfinden für das, was sie getan hat: "Dazu hat mich Serge von Beginn an ermutigt. Er wollte mich nicht ändern, er wollte nie, dass ich mich Klischees unterordne, sondern ich sollte frei sein."

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