Interview am Morgen:"Die SPD muss leben, was sie von der Gesellschaft fordert"

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Die SPD will weiblicher werden. Doch davon ist sie noch weit entfernt, sagt Elke Ferner von der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen im Interview am Morgen.

Von Hannah Beitzer

Die Bundestagswahl 2017 war für die SPD eine Schmach. Gerade einmal 20,5 Prozent aller Stimmen hat sie erhalten, das schlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit. Spitzenkandidat Martin Schulz versprach Veränderung - inhaltlich, personell, und in der Opposition. Die Partei solle jünger, vielfältiger und weiblicher werden. Nun trifft die SPD sich zu ihrem Bundesparteitag in Berlin, wo Schulz hoffen darf, als Parteichef im Amt bestätigt zu werden. Dort muss die Partei außerdem entscheiden, ob sie doch mit der Union in Verhandlungen über eine neue große Koalition eintritt. Wie steht es vor diesem Hintergrund um den Erneuerungsprozess? Elke Ferner ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen.

SZ: Die SPD hat bei der Bundestagswahl bei Frauen schlecht abgeschnitten und will deswegen weiblicher werden. Wie weit ist die Partei damit gekommen?

Elke Ferner: Von "weiblicher" sind wir leider noch weit entfernt. Für die zehn Spitzenpositionen in der Partei sind nur drei Frauen vorgeschlagen. Das ist zu wenig. An der Spitze der Fraktion haben wir mit Andrea Nahles erstmals eine Frau und der geschäftsführende Fraktionsvorstand ist paritätisch besetzt. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen will Parität auf allen Ebenen und wir wollen dort, wo es gewünscht ist, paritätisch besetzte Doppelspitzen ermöglichen. Bisher lässt unsere Satzung Doppelspitzen nicht zu.

Nun sind ja nicht nur die Spitzenposten der Partei mit Männern besetzt, auch die Mehrheit der Mitglieder sind Männer. Ist es da nicht ungerecht, wenn es überall Doppelspitzen geben soll?

Wir wollen keinen Zwang zur Doppelspitze. Das funktioniert ohnehin nur, wo zwei als Team antreten. Und wir machen ja nicht nur Politik für die Mitglieder der SPD, sondern für die ganze Gesellschaft. Die besteht nun einmal zur Hälfte aus Frauen. Dieses Geschlechterverhältnis sollte die Parteiführung widerspiegeln, um Frauen anzusprechen. Das kann eine Doppelspitze im Parteivorsitz sein, aber auch ein gemischtes Doppel von Vorsitzendem und Generalsekretärin - oder umgekehrt. Es geht aber für uns nicht nur darum, Frauen sichtbar zu machen, sondern auch darum, die Parteiarbeit an sich für Frauen attraktiver zu machen und sie so zum Mitmachen zu bewegen.

Wie helfen da Doppelspitzen?

Wir dürfen nicht nur an den Parteivorsitz denken, sondern auch an die mittleren und unteren Ebenen. Eine Doppelspitze im Ortsverein zum Beispiel heißt: Zwei Menschen können sich die Arbeit teilen. Familie und Parteiamt lassen sich so besser vereinbaren. Das hilft Frauen, die in Deutschland immer noch größtenteils für die Familienarbeit verantwortlich sind. Männer haben offenbar weniger Probleme damit, sich ganz auf die Partei zu konzentrieren und die Familie hintenan zu stellen. Das ändert sich in der jüngeren Generation allmählich, weswegen die Doppelspitze auch für jüngere Männer attraktiv sein kann. Neben der Parteistruktur gibt es aber noch viele inhaltliche Fragen, die die SPD angehen muss, um für Frauen attraktiver zu werden.

Wie wollen Sie Frauen inhaltlich überzeugen?

Die Gleichstellung von Mann und Frau ist meiner Meinung nach das wichtigste Gerechtigkeitsthema des 21. Jahrhunderts. Da ist in Deutschland noch viel Luft nach oben. Wir fordern zum Beispiel ein Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit. Außerdem sollen soziale Berufe besser bezahlt werden. Es ist nicht einzusehen, dass die Erzieherin, die unsere Kinder betreut, weniger verdient als derjenige, der unsere Waschmaschine repariert. Wir wollen auch mehr Unternehmen zu einer Quote in Aufsichtsräten und Vorständen verpflichten.

Sie haben 2015 zum Bundesparteitag schon einmal einen Antrag auf Doppelspitzen eingebracht, der wurde abgelehnt. Warum soll das diesmal anders sein?

Wir können doch nicht nach der Bundestagswahl verkünden, dass wir jünger und weiblicher werden wollen - und dann Maßnahmen, die genau das bewirken sollen, ablehnen. Wir fordern ständig von der Wirtschaft, dass es Führungspositionen in Teilzeit geben muss. Und ausgerechnet in der SPD soll das nicht möglich sein? Das glaube ich nicht.

Das Thema "Frauen in der SPD" wird gerade überlagert von einem anderen: einer neuen großen Koalition. Schadet das Ihrem Anliegen?

Wir müssen als SPD in der Lage sein, eine Regierungsbeteiligung zu diskutieren und gleichzeitig Zeit und Raum für eine Erneuerung zu finden. Die SPD muss leben, was sie von der Gesellschaft fordert. Und dazu gehört es, die Gleichstellung von Mann und Frau voranzutreiben.

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