Internet im Nahostkonflikt:Israels Soldaten am digitalen Pranger

200 Soldaten identifiziert und als "Kriegsverbrecher" gebrandmarkt: Das Internet wird für Israels Armee zunehmend zum Problem - vor allem Facebook.

Peter Münch,Tel Aviv

Das Internet ist ein Schlachtfeld, auf dem kein Blut fließt. Gekämpft aber wird mit aller Härte und mit immer neuen Waffen. Selbst eine so schlagkräftige Truppe wie die israelische Armee kann das bisweilen in die Defensive drängen. Die neueste Attacke kommt aus England, sie ist ein Epilog zum Gaza-Krieg vor knapp zwei Jahren: Mehr als 200 israelische Soldaten, die bei der Operation "Gegossenes Blei" im Einsatz waren, sind nun auf einer britischen Webseite als "Kriegsverbrecher" an den digitalen Pranger gestellt worden - mit Namen, Geburtsdatum, Dienstgrad sowie zum Teil auch Foto und Adresse.

AFP ISrael Facebook

Im August kamen Facebook-Fotos einer jungen israelischen Soldatin an die Öffentlichkeit, die mit palästinensischen Gefangenen posierte.

(Foto: AFP)

"Sie haben nicht nur einem mörderischen staatlichen Mechanismus gedient, sondern auch andere ermutigt, dasselbe zu tun", schreiben die anonymen Verfasser der Liste. Deshalb würden die Soldaten eine "persönliche Verantwortung" tragen für den Tod vieler Menschen im Gaza-Krieg, bei dem etwa 1400 Palästinenser und 13 Israelis ums Leben kamen. Aufgeführt sind nicht nur hochrangige Kommandeure bis hin zum Generalstabschef Gabi Aschkenasi, sondern auch einfache Soldaten. Dies sei erst der "Anfang des Projekts", drohen die Verfasser und fordern dazu auf, noch mehr solcher Informationen zu verbreiten.

Die Aufregung ist groß in Israels militärischen und politischen Zirkeln. Parlamentarier verlangen wütend eine Untersuchung des Vorfalls und eine Bestrafung der Urheber der Liste. Vermutet wird überdies, dass eine undichte Stelle in der israelischen Armee viele der Informationen weitergegeben hat. Die Fotos der Soldaten allerdings sind auch einfacher zu beschaffen - via Facebook.

Dieser Dienst hat sich in jüngster Zeit schon oft als offene Flanke der israelischen Streitkräfte erwiesen. Für Aufregung hatte vor einiger Zeit zum Beispiel eine junge Ex-Soldatin gesorgt, die auf ihrer Facebook-Seite Bilder ihrer Armeezeit zeigte, auf denen sie mit hilflosen palästinensischen Gefangenen posierte.

Im Frühjahr musste gar eine Militäraktion im Westjordanland abgeblasen werden, nachdem ein Soldat vorab Details auf Facebook ausgeplaudert hatte. "Am Mittwoch säubern wir das Dorf Katana und am Donnerstag sind wir, so Gott will, wieder zu Hause", kündigte er an. Der Fall hatte Konsequenzen: Der Soldat wurde zu zehn Tagen Arrest verurteilt und aus seiner Elite-Einheit geworfen. Und die gesamte Truppe wurde eindringlich davor gewarnt, dass der Feind gezielt im Internet nach Informationen suche.

Hisbollah auf Facebook

Wie zum Beleg wurde bald darauf eine mehr als peinliche Geschichte bekannt: Eine junge, offenherzige Frau namens Reut Zukerman soll über Facebook Kontakt zu ungefähr 200 israelischen Soldaten aufgenommen haben. Neben manch Privatem hat sie dabei offenbar auch Militärisches erfragt und erfahren. Hinter dem weiblich-verlockenden Facebook-Gesicht allerdings steckte niemand anderes als die bärtige Hisbollah aus dem Libanon. Aus all diesen Vorfällen hat die Armee Konsequenzen gezogen. Im Oktober wurde berichtet, dass in den Militärstützpunkten fortan der Zugang zu sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter gesperrt werde.

Anwürfe aus dem Internet wie nun mit der "Kriegsverbrecher-Liste" können dadurch natürlich nicht verhindert werden. Die betroffenen Soldaten reagieren indes sehr unterschiedlich darauf. Einige erklärten, sie fürchteten nun Nachstellungen oder auch Schwierigkeiten bei Auslandsreisen, wie dies bereits Politiker und hohe Offiziere zu spüren bekommen hatten, nachdem ein Untersuchungsbericht der Vereinten Nationen von Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg gesprochen hatte. Die Zeitung Jedioth Ahronot allerdings zitiert auch einen jungen Soldaten, der sagt: "Ich bin stolz, auf dieser Liste zu stehen. Jeder normale Israeli weiß, dass dies eine Liste von Leuten ist, die etwas für den Staat geleistet haben."

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