Internationaler Terrorismus:Der Dschihadist, den sie John nennen

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In diesem Haus in London soll Muhammed Emwazi gelebt haben. (Foto: dpa)
  • Geheimdienste haben die Identität eines Terroristen enttarnt, der in mindestens sechs Enthauptungsvideos der Terrororganisation Islamischer Staat auftritt.
  • Der britische Staatsbürger namens Mohammed Emwazi ist studierter Informatiker und war schon länger im Visier der Geheimdienste.
  • Ehemalige IS-Geiseln halfen den Mann zu identifizieren. Sie hatten ihm wegen seines britischen Akzents, in Anspielung auf das ehemalige Beatles-Mitglied John Lennon, "Jihadi John" genannt.

Von Christian Zaschke, London, und Paul-Anton Krüger, Kairo, London/Kairo

Gegen zehn Uhr am Donnerstagmorgen klingelten Zivilpolizisten am Haus der Eltern von Mohammed Emwazi im Westen Londons. Dass die Beamten auftauchten, lag daran, dass die Washington Post gerade enthüllt hatte, dass Mohammed Emwazi der Mann ist, der als "Jihadi John" bekannt ist. In mehreren Videobotschaften der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte er sich mit seinen Morden an westlichen Geiseln gebrüstet und mit deren Leichen posiert.

Seit dem Mord an dem US-Journalisten James Foley im August 2014 versuchten Geheimdienste, den Killer zu identifizieren, der stets vermummt auftritt und mit britischem Akzent spricht.

Zunächst galt der Londoner Abdel-Majed Abdel Bary als Hauptverdächtiger, der als Rapper L Jinny bekannt ist. Bary hat sich dem IS angeschlossen und bei mindestens einer Gelegenheit mit einem abgetrennten Kopf posiert. Offenbar wissen die Geheimdienste aber schon länger, dass nicht er Jihadi John ist, sondern Emwazi. Aus Ermittlungsgründen machten sie dies nicht öffentlich. Die Post beruft sich nun auf Kontaktpersonen, die ihn identifiziert haben wollen.

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Die Gräueltaten der IS-Terrormilizen und ihre Inszenierung offenbaren ein Dilemma der Medien: Wie umgehen mit den Bildern, die aus Kalkül produziert werden? Wird zum Kollaborateur der Terroristen, wer sich mit ihren Bildern und Videos befasst? Die Terroristen mögen durch den Missbrauch sozialer Medien weltweit präsent sein - die Beachtung ihrer Propaganda jedoch muss man ihnen versagen.

Kommentar von Claudia Fromme

Der IS-Henker ist ein studierter Informatiker

Emwazi wurde 1988 in Kuwait geboren. Er kam in den Neunzigerjahren mit seinen Eltern nach London, wo er im wohlhabenden Stadtteil St. John's Wood die Quintin Kynaston Community Academy besuchte. Anschließend studierte er, 2009 machte er seinen Abschluss in Informatik an der University of Westminster.

Im Mai desselben Jahres reiste er mit zwei Freunden - einer von ihnen laut Washington Post ein deutscher Konvertit namens Omar - nach Tansania. Am Flughafen von Daressalam wurden die Männer festgehalten und befragt. Möglicherweise bestand Terrorverdacht. Die Einreise wurde ihnen verweigert.

Der britische Geheimdienst MI5 befragte ihn

Über Amsterdam flog Emwazi zurück nach London. In Schiphol befragte ihn offenbar der britische Geheimdienst MI5. Dieser hatte womöglich den Verdacht, dass Emwazi nach Somalia reisen wollte, um sich der Terrorgruppe al-Shabaab anzuschließen. Emwazi sagte später, MI5 habe ihn anwerben wollen. Wenig später zog er nach Kuwait, wo er laut eigenen Angaben bei einer Computerfirma arbeitete.

Zweimal kehrte er nach London zurück, beim zweiten Mal offenbar, um letzte Vorbereitungen für seine Hochzeit in Kuwait zu treffen. Im Juni 2010 wurde er jedoch von einer britischen Anti-Terror-Einheit festgenommen. Als Emwazi am nächsten Tag nach Kuwait fliegen wollte, wurde ihm die Ausreise verweigert. Ein Versuch Emwazis, sich eine Existenz als Englischlehrer in Saudi-Arabien aufzubauen, scheiterte; die Gründe dafür sind nicht bekannt, ebenso wenig wie und wann genau er nach Syrien gelangte.

Ehemalige IS-Geiseln erkannten Emwazi wieder

Vermutlich gelang ihm die Reise in den Dschihad im Jahr 2012. Auch wann er sich dem IS anschloss, ist nicht sicher. Ehemalige Geiseln des IS berichteten, er habe sie im Jahr 2013 zusammen mit drei anderen englischsprachigen Dschihadisten in der syrischen Stadt Idlib bewacht, 20 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Sie berichteten, dass er noch immer besessen gewesen sei von al-Shabaab und ihnen Videos der Somalier vorgeführt habe.

Interviews mit den Ex-Geiseln nutzten die Geheimdienste neben Stimmenanalysen, um ihn zu identifizieren. Auch der Name, unter dem er berüchtigt wurde, geht auf sie zurück: Sie nannten ihre Bewacher "die Beatles" und die vier Männer entsprechend John, Paul, George und Ringo. Die britische Presse machte daraus dann Jihadi John.

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Auftritt in mindestens sechs Enthauptungsvideos

Die furchterregendste Karriere der vier Männer machte Emwazi: Er soll sich nicht nur maßgeblich an der Folterung von Gefangenen beteiligt haben, er trat später auch in mindestens sechs Enthauptungsvideos auf, die zum makaberen Markenzeichen des Terrorkalifats wurden.

Sein mutmaßlich erstes Opfer war Foley, der in einem orangenen Overall in der Wüste knien musste. Dann tauchte er in den Videos auf, mit denen der Islamische Staat die Enthauptung eines zweiten US-Journalisten, Steven Sotloff, dokumentierte sowie in den Aufnahmen der Ermordung des britischen Entwicklungshelfers David Haines und später seines Landsmanns Alan Henning.

In einem weiteren Video, in dem Emwazi offenbar einen syrischen Soldaten vor laufender Kamera umbringt, war auch die Leiche des US-Entwicklungshelfers Peter Kassig zu sehen. Zuletzt tauchte er im Januar 2015 in einem Drohvideo mit den beiden später ermordeten Japanern Haruna Yukawa und Kenji Goto auf - und in dem Video von der Enthauptung Gotos am 30. Januar.

© SZ vom 27.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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