Internationaler Frauentag:"Frauen handeln überlegt, Männer agieren lieber - oft ohne viel nachzudenken"

Diana GolzeDie LinkeArbeitsministerin BrandenburgInternationaler FrauentagMinisterin für Arbeit und Soziales in Brandenburg

Die Linke Diana Golze ist seit November 2014 Arbeitsministerin in der Rgierung von Brandenburg. Vorher war sie neun Jahre in der Opposition. Sie sagt: "Irgendwann beschleicht einen das Gefühl von Ohnmacht."

(Foto: Karoline Wolf)

Die Linken-Politikerin Diana Golze ist Ministerin in Brandenburg. Zum Frauentag ein Gespräch über weibliche Macht in der Politik.

Interview von Ulrike Schuster

Diana Golze, 41, aus Rathenow im Havelland, saß neun Jahre lang für die Linken im Bundestag, im Familienausschuss und der Kinderkommission. 2014 wechselte sie aus der Opposition in die Regierung von Brandenburg. Dort ist sie Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie.

Ein Gespräch mit der linken Politikerin über Frauen und Macht in der Politik.

Stellen Sie sich vor, Elisa, 10 Jahre alt, 4. Klasse, will wissen, wie sie dahin kommt, wo Sie heute sind, auf einen Ministerstuhl. Was sagen Sie ihr?

Ich würde ihr sagen, sie sollte als erstes ihr Thema finden. Das, wofür sie wirklich brennt, was ihr wichtig ist. Dazu sollte sie möglichst viel ausprobieren, sich in verschiedenen Einrichtungen umschauen. Das Thema muss Spaß machen. Dann sollte sie sich darin professionalisieren, das richtige Fach studieren oder lernen. Ziel sollte sein: Elisas Umfeld verbinden ihr Thema mit ihrem Namen.

Clara Zetkin, Sozialistin und Freundin von Rosa Luxemburg, rief am 8. März den Internationalen Frauentag aus. 1910 war das, sie forderte Gleichberechtigung. 2017 gehört den Frauen in keinem Parlament der Welt die Hälfte der Sitze.

Mehr Frauen garantieren nicht die bessere, aber in jedem Fall eine andere Welt. Angesichts ihres momentanen Zustands, könnten wir das Experiment wagen.

Nervt es Sie, dass wir über Frauen und Macht reden müssen?

Ja, mich nervt, dass das 2017 immer noch Thema ist. Setzt die Politik weiter auf Freiwilligkeit bei Frauen in Führungspositionen, werden wir uns 2057 wieder darüber unterhalten.

Wann haben Sie gedacht: mehr Frauen in die Politik!

Als mir die Bundestags-Verwaltung die Diäten kürzen wollte, weil mein Sohn krank war und ich zu Hause bei ihm blieb.

Muss, wer's menschlich will, das Männliche überwinden?

Frauen machen die Hälfte der Bevölkerung aus, also muss ihnen auch die Hälfte der Macht gehören. So einfach könnte Gleichberechtigung sein.

Sie sind mit Mama und Oma aufgewachsen. Ein gutes Politik-Studium?

Ein starkes Studium, denn ein Drei-Mädels-Haushalt streitet ständig um die beste Lösung. "Lass dir niemals die Butter vom Brot nehmen", hat meine Oma gesagt. Sie verließ ihren gewalttätigen Ehemann. Und meine Mutter sagte "Ja" zu mir, als mein Vater "Nein" sagte. Oma und Mama haben mir beigebracht, dass es normal ist, eine selbstbewusste Frau zu sein.

Sie wechselten 2014 aus der Opposition im Bundestag in die Regierung von Brandenburg. Hat Sie das immer nur Dagegen-sein gelangweilt?

Nach neun Jahren hinterließ die Opposition ein ohnmächtiges Gefühl bei mir. Ich wollte nie in den Bundestag, nur um zu sagen, ich sitze da.

Und jetzt haben Sie das Gefühl, einen echten Unterschied zu machen?

Ich sehe nun Ergebnisse, Entscheidungen haben Folgen und ich bekomme das direkte Feedback der Menschen.

Sie sind Sozialpädagogin. Keine Berufsgruppe, die für ihren Machthunger bekannt ist.

Ich will umsetzen, woran ich glaube. Und als Politikerin habe ich mehr Entscheidungsspielraum.

Den haben sie als Arbeitsministerin. Man könnte auch sagen: Sie haben Macht. Warum sprechen Sie dieses Wort in Verbindung mit sich selbst nicht aus?

Ich mag es nicht. Das Wort Macht ist negativ aufgeladen, zu männlich besetzt. Ich verbinde es mit Vormachtstellung und Abgrenzung gegenüber denen, die ohne Macht sind.

Was ist Ihre Methode, um Ihre Ziele zu erreichen?

Ich würde sie typisch sozialpädagogisch nennen: Zuhören, abwägen, ausgleichen.

Sie lächeln viel.

Ich gehe immer mit einem Lächeln in Gespräche, egal wie anstrengend sie sind oder wie weit weg der Kompromiss ist. Das gibt mir ein gutes Gefühl.

Der Lösung bringt Sie das aber nicht näher.

Gut im Stoff zu sein und die Akten gelesen zu haben, ist die eine Sache. Eine freundliche Wirklichkeit zu schaffen, hilft mir, durchzuhalten. Politische Prozesse dauern quälend lange.

Haben Sie Männer auf dem Weg nach oben kalt gestellt?

Das war nicht nötig. Es waren ja Männer, die mich gefragt haben, ob ich Ministerin werden will.

Also können Sie gar nicht eiskalt?

Nur, wenn mich andere zu vorschnellen Entscheidungen drängen wollen. Ich hasse Druck und brauche Zeit, bevor ich mich festlege. Den Abgeordneten, die das gelegentlich tun, sage ich: Ich kann euch nichts sagen - jetzt noch nicht.

Erinnert an die Strategie des von Hinten-her-Denkens. Tut die Kanzlerin auch. Haben Sie sich das bei ihr abgeschaut?

Angela Merkel ist für mich kein Vorbild. Sie funktioniert einwandfrei, davor habe ich ehrlich Respekt. Aber wann zeigt sie jemals menschliche, nahbare Züge?

Weinen Sie denn in der Öffentlichkeit?

Wenn mir danach ist, ja. Als Lothar Bisky 2013 auch im vierten Wahlgang zum Bundestagsvizepräsidenten durchgefallen ist, schossen mir die Tränen in die Augen. Das war eine Demütigung. Und im Seniorenheim streichle ich schon mal über ein paar Hände und nehme in den Arm. Weswegen auch nicht?

Sie wurden Ministerin, als sich Ihre Partei in der Krise befand. Damals lag die Linke bundesweit bei neun Prozent. Frauen werden gern in Krisenzeiten geholt.

Sie besitzen das Talent zu sortieren. Frauen handeln überlegt und priorisieren Probleme. Männer agieren lieber, oft ohne viel nachzudenken.

Für Sie existiert also typisch weibliches und männliches Handeln?

Frauen sind leiser, sie hören besser zu und sie denken an die Folgen des dritten Schrittes, bevor sie den ersten gehen. Männer sind impulsiver, sie reagieren schneller, lauter und haben Spaß daran, sich und ihre Leistung in Szene zu setzen. Beides ist nicht per se gut oder schlecht, aber es unterscheidet uns.

Welchen Preis zahlen Sie für die Macht?

Man verliert seine Unbeschwertheit. Ich mache mir ständig Gedanken, sorge mich, was alles schief gehen könnte. Ich kann nicht mehr in Tag hinein leben, bin immer erreichbar. Ist man ehrlich, wird man zur Getriebenen fremder Erwartungen und des Systems.

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