Internationale Atomenergiebehörde:Atomtechnologie im Irak spurlos verschwunden

Besondere Sorge bereitet IAEA-Chef Mohammed el-Baradei, dass Geräte verschwunden sind, die sich auch zum Bau von Atomwaffen eignen. Das schreibt er in einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat. Diplomaten befürchten, das Material könnte in die Hände von Terroristen gelangt sein.

El-Baradei beschreibt in dem Bericht die "systematische" Demontage ganzer Gebäude im irakischen Atomzentrum Tuwaitha im Südosten der Hauptstadt Bagdad. Dort seien so genannte "Dual Use"-Güter gelagert worden, die sowohl zu zivilen wie zu militärischen Zwecken benutzt werden könnten, hieß es in dem am Montag bekannt gewordenen Bericht.

Satellitenaufnahmen zeigten, wie spezielles technisches Gerät aus Gebäuden und von Lagerplätzen verschwunden sei. Dabei handelt es sich um spezielle Schweißgeräte und Präzisionsfräsmaschinen, wie sie auch beim Bau von Atomwaffen eingesetzt werden. Auf den Aufnahmen seien ganze Gebäude nicht mehr zu sehen, so der Bericht weiter.

Die Angst vor der schmutzigen Bombe

Die Geräte können nach Angaben der Atomenergiebehörde aber auch zum Bau so genannter schmutziger Bomben eingesetzt werden, bei denen radioaktives Material mit herkömmlichem Sprengstoff vermischt wird. Sie haben zwar nicht die Sprengkraft einer Atombombe, können aber dennoch weite Gebiete radioaktiv verseuchen und eine tödliche Wirkung haben. Eine solche Waffe in den Händen von Terroristen betrachten die USA als derzeit größte Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit.

Der IAEO-Bericht geht davon aus, dass die USA das Verschwinden der Geräte nicht bemerkt haben. Auch sei von dem verschwundenen Material bislang nichts wieder aufgetaucht. Diese Erkenntnisse könnten Diplomaten zufolge darauf hindeuten, dass die Nukleartechnologie gestohlen wurde und sich nun in den Händen einer Terrorgruppe oder Regierung befindet, die nach Atombomben strebt.

El-Baradei forderte deswegen alle Länder auf, die IAEA zu informieren, wenn sie Kenntnis über den Verbleib der Gegenstände erhielten. "Wir wissen es einfach nicht, obwohl wir fieberhaft daran arbeiten, es herauszufinden", hieß es bei den UN.

USA schafften radioaktives Material außer Landes

Die IAEA-Inspektoren hatten den Irak kurz vor dem amerikanischen Einmarsch im März 2003 verlassen. Seitdem hat Washington die Waffenkontrolle in die eigenen Hände genommen. Unter dem geltenden Atomwaffensperrvertrag müssten die USA oder die irakische Übergangsregierung die Atomenergiebehörde informieren, wenn Atomtechnik innerhalb des Irak an einen anderen Ort gebracht oder aus dem Land ausgeführt wird.

Seit dem Einmarsch der USA und ihrer Verbündeten in den Golfstaat im März 2003 habe die Behörde weder von den amerikanischen Besatzungsbehörden noch von der irakischen Übergangsregierung derartige Meldungen erhalten. US-Regierungsvertreter gaben zunächst keine Stellungnahme ab.

Die US-Regierung hatte im Juli mitgeteilt, dass sie knapp zwei Tonnen aus Tuwaitha gestohlenes und wiedergefundenes radioaktives Material außer Landes geschafft habe. Damit sollte verhindern werden, dass es zum Bau schmutziger Bomben oder zum Aufbau eines militärischen Atomprogramms missbraucht wird.

Produktionsstätten für Waffen geplündert

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte die IAEA Anfang August gebeten, nach dem Verbleib von geplündertem radioaktivem Material zu fahnden, um sicherzustellen, dass es nicht in die Hände von Terroristen fällt. Greenpeace schlug der UN-Behörde vor, eine detaillierte Liste mit dem gesamten von den USA außer Landes geschafften Material aufzustellen und diese mit den irakischen Bestandsverzeichnissen aus der Zeit vor dem Angriff im März 2003 zu vergleichen. Die IAEA-Kontrolleure hatten im Juli bei einer "Routinemission" im Irak eine Bestandsliste des atomaren Materials erstellt.

In der Vergangenheit hatte es mehrfach Berichte gegeben, wonach die US-Armee ehemalige Waffenproduktionsstätten im Irak nicht ausreichend überwachen. UN-Inspektoren hatten in früheren Berichten bemängelt, dass an verschiedenen Orten Ausrüstung zur Herstellung von Waffen abhanden gekommen sei. Dis US-Regierung hatte zu den Berichten keine Stellung bezogen. Seit dem Ende des Irak-Kriegs verhindert sie die Rückkehr der UN-Waffeninspektoren in das Land.

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