Integration:Sieben Tipps, wie Sie Flüchtlingen jetzt helfen können

Integration: undefined

Die Zeit der Nothilfe ist vorbei - trotzdem gibt es für Flüchtlingshelfer noch viel zu tun.

Von Hannah Beitzer

Kleider sammeln, Essen verteilen, Kinder trösten, Familien vom Bahnhof abholen: Im vergangenen Sommer waren viele Deutsche auf den Beinen, um Flüchtlingen zu helfen. Inzwischen kommen weniger Menschen nach Deutschland. Und die Hilfe, die sie benötigen, hat sich verändert. "Die Zeit der akuten Nothilfe ist vorbei", sagt Christina Busch von der Berliner Caritas.

Trotzdem gibt es noch viele Stellen, an denen Ehrenamtliche helfen können. "Wichtig ist es, sich zu fragen: Was ist meine Motivation? Was kann ich leisten?", sagt Busch. Wir stellen Ihnen sieben Formen des Engagements vor, die gerade besonders nötig sind.

1. Spenden Sie Zeit

Das schlimmste für viele Flüchtlinge ist das Warten. Auf die Registrierung, die Unterkunft, den Asylbescheid, den Integrationskurs. In der Umgebung der meisten Flüchtlingsunterkünfte haben sich deswegen Willkommensinitiativen gebildet, die die Wartezeit etwas erleichtern wollen. Sei es mit gemeinsamen Ausflügen, Kaffeekränzchen, Kochabenden, Fußballturnieren oder Willkommensfesten. Besonders in kleineren Städten läuft vieles über Nachbarschaftsinitiativen und Kirchengemeinden.

Das ist eine gute Gelegenheit, einfach mal vorbeizukommen. Wenden Sie sich an Initiativen in Ihrem Ort und fragen Sie, wo sich Flüchtlinge und Einheimische treffen. Es geht dabei nicht unbedingt darum, sofort eine riesige Verantwortung zu übernehmen - sondern einfach darum, gemeinsam Spaß zu haben, sich kennenzulernen.

Eine interessante Beobachtung hat hier Christiane Kuhrt vom Zentralen Koordinierungsstab Flüchtlinge der Stadt Hamburg gemacht: "Viele Projekte, die im Sommer recht niedrigschwellig gestartet sind, haben einen hohen Professionalisierungsgrad erreicht. Damit ging häufig auch eine größere Spezialisierung einher." Also zum Beispiel Sprachcafés nur für Frauen oder Kinderbetreuung während des Sprachkurses.

2. Geben Sie Sprachkurse

Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration, da sind sich alle einig. Das Problem ist nur, dass Flüchtlinge vielerorts lange auf einen Sprach- oder Integrationskurs warten müssen. "Die Angebote, die es gibt, reichen noch nicht aus", sagt Christina Busch von der Caritas.

Auch ein ehrenamtlicher Sprachkurs ist daher eine gute Möglichkeit, sich zu engagieren. Dazu müssen Sie nicht unbedingt selbst ein (pensionierter) Lehrer sein - manchmal hilft es den Geflüchteten auch schon, einfach mal mit jemandem auf Deutsch quatschen zu können, um so die Sprache auszuprobieren. In vielen Städten suchen Flüchtlinge Sprach-Tandems, um sich unterhalten zu können.

3. Werden Sie Pate

In Deutschland anzukommen, ist für viele Flüchtlinge hart. Sie müssen nicht nur eine fremde Sprache lernen und sich im Alltag zurechtfinden, sondern zum Beispiel komplizierte Behördengänge erledigen. Dabei können sie Hilfe dringend brauchen.

In vielen Städten gibt es Patenschaftsprojekte, in denen Ehrenamtliche einzelne Flüchtlinge oder ganze Familien auf diesen schwierigen Wegen begleiten und ihnen so gut wie möglich beim Ankommen helfen. Auch Plattformen wie "Start with a friend" vermitteln zwischen Geflüchteten und Einheimischen. Die Verantwortung, die der einzelne Pate dabei übernimmt, ist schon etwas größer, als sich nur gelegentlich zum Kaffeeklatsch zu treffen. Und natürlich klappt das nur dann, wenn sich Flüchtlinge und Ehrenamtliche auf persönlicher Ebene verstehen.

Für die Ehrenamtlichen ist wichtig zu wissen: Die Probleme, die sich Flüchtlingen stellen, werden zurzeit eher komplexer als einfacher. Ging es im vergangenen Jahr häufig noch um das Dach über dem Kopf, einen Teller Suppe oder ein Paket Windeln, stehen Flüchtlinge nun häufig vor rechtlichen Fragen, die selbst für Einheimische kompliziert sind.

Daher müssen sich die Ehrenamtlichen häufig Kenntnisse aneignen. Denn Fragen wie "Woher bekommt dieser Flüchtling eine Wohnung?" hängen oft vom Einzelfall ab, so dass nicht einmal mehr Beratungsstellen sie auf die Schnelle beantworten können. "In vielen Bereichen läuft es daher inzwischen auf eine Eins-zu-Eins-Betreuung hinaus", sagt Christian Lüder von der Organisation "Berlin hilft".

Flüchtlinge brauchen Jobs und Wohnungen

4. Helfen Sie bei der Jobsuche

Arbeit für die Flüchtlinge ist das nächste große Thema, sagt Christina Busch von der Caritas. "Meine Erfahrung ist: Die Mehrheit will lernen und niemandem auf der Tasche liegen." Viele Geflüchtete sind auf der Suche nach Praktika, Ausbildungsplätzen oder Jobs. Einige Unternehmen setzen sich bereits dafür ein, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Doch auch Sie können helfen, selbst wenn Sie kein Unternehmer sind. Jobbörsen für Geflüchtete wie "Mygrade" oder "Welcome2work" suchen Paten, die Flüchtlingen insbesondere bei der Jobsuche, der Bewerbung, in der Ausbildung oder bei den nötigen Behördengängen helfen. "Gerade ältere Menschen geben gern ihre eigene Erfahrung weiter", sagt Christina Busch.

5. Helfen Sie bei der Wohnungssuche

Auch das Thema Wohnungssuche beschäftigt viele Geflüchtete. "Viele Menschen leben immer noch in Turnhallen und beengten Unterkünften", sagt Katharina Müller vom Berliner Flüchtlingsrat. "Da müssen sie eigentlich unbedingt raus." Sie kennt einige umtriebige Initiativen, die die Geflüchteten genau dabei unterstützen wollen - zum Beispiel "Place4Refugees" oder "Flüchtlinge Willkommen".

Auch hier können Einheimische eine Art Patenschaft übernehmen, also Geflüchteten bei der Wohnungssuche, den nötigen Behördengängen oder der Kommunikation mit dem Vermieter helfen. "Manchmal geht es auch darum, eine Wohnung zu renovieren oder für eine Familie vorzubereiten", sagt Müller. Einige der Initiativen bieten inzwischen Fortbildungen für ihre Ehrenamtlichen in rechtlichen Fragen an.

6. Werden Sie Vormund

In einer besonders komplizierten Lage sind minderjährige Flüchtlinge, die ohne ihre Eltern nach Deutschland gekommen sind. Denn sie brauchen hier einen Vormund. Das Problem: Die Amtsvormünder, die diese Aufgabe eigentlich übernehmen, sind stark überlastet und haben kaum mehr Zeit für ihre Mündel. Daher suchen viele der zuständigen Ämter nach ehrenamtlichen Vormündern.

Ein Vormund trägt viel Verantwortung - auch wenn die Kinder in der Regel nicht bei ihm wohnen, sondern in speziellen Jugendeinrichtungen oder Pflegefamilien. Er ist aber grundsätzlich der rechtliche Vertreter des Mündels und damit zum Beispiel für den Asylantrag zuständig.

Um die Aufgaben richtig einschätzen zu können, ist eine Ausbildung für potenzielle Vormünder sinnvoll. Die bieten verschiedene Träger wie die Caritas, der Kinderschutzbund oder die zuständigen Ämter selbst an. Eine Übersicht über die verschiedenen Ansprechpartner in Deutschland bietet der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Mehr über die Aufgaben eines Vormunds erfahren Sie in diesem Artikel.

Was Ihnen klar sein muss: Eine Vormundschaft ist mit allerhand Behördengängen verbunden. Das verlangt den Ehrenamtlichen viel Geduld ab - und das häufig schon, bevor man überhaupt offiziell Vormund ist. Viele Ehrenamtliche empfinden das als frustrierend.

Wenn Sie also schon ein gewöhnlicher Besuch beim Bürgeramt in eine tiefe Krise stürzt, dann ist vielleicht eine weniger bürokratische Form des Engagements besser für Sie. Zum Beispiel vermitteln viele Initiativen Ehrenamtliche für Hausaufgabenhilfe, Kinder-Sprachkurse oder einfach Paten für Ausflüge und andere gemeinsame Unternehmungen.

7. Auch Geld kann helfen

Sie haben gerade Stress bis über beide Ohren, Kinder zu erziehen, den Job zu wuppen oder die eigenen Eltern zu betreuen? Dann ist vielleicht eine Geldspende besser für Sie als zeitaufwendiges Engagement. Und auf die sind viele Projekte nach wie vor angewiesen - erst recht, wo die erste Euphorie der Deutschen nachgelassen hat. Auch hier können Sie sich einfach informieren, welche Initiative in Ihrer Nähe Spenden benötigt oder sich ein Thema aussuchen, das Sie besonders bewegt.

Katharina Müller vom Berliner Flüchtlingsrat empfiehlt zum Beispiel das Projekt "Flüchtlingspaten": Es unterstützt anerkannte Flüchtlinge beim Familiennachzug. "Die Familie muss den Flug nach Deutschland selbst bezahlen. Das kann schon einmal teuer werden, wenn mehrere Kinder da sind." Einheimische Paten können diese Kosten für die Flüchtlinge übernehmen.

"Seit der Schließung der EU-Außengrenzen ist natürlich auch das Thema Seenotrettung wieder wichtig", sagt Müller. Organisationen wie SOS Mediteranee oder Seawatch tun sich hier besonders hervor - und sind auf Spenden angewiesen.

Linktipps:

Eine bundesweite Übersicht von ehrenamtlichen Projekten finden Sie bei den Kollegen von Tagesschau.de.

Außerdem gibt es für viele große Städte Übersichten von ehrenamtlichen Projekten im Netz, wie zum Beispiel in Berlin, Hamburg, München oder Köln.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: