Integration:Geld gegen Flüchtlinge

Martin Schulz will das Thema Flüchtlinge in den Wahlkampf tragen. Der SPD-Kanzlerkandidat warnt vor einer neuen Krise und attackiert die Bundeskanzlerin.

Als "hochbrisant" hat SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz die Lage in Italien mit Tausenden über das Mittelmeer ankommenden Migranten bezeichnet. "Wer auf Zeit spielt und versucht, das Thema bis zur Bundestagswahl zu ignorieren, verhält sich zynisch", sagte er mit Blick auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der Bild am Sonntag. Schulz erinnerte an 2015, als mehr als eine Million Flüchtlinge "weitgehend unkontrolliert" nach Deutschland kamen. Er will die Flüchtlingskrise zum Wahlkampfthema machen. "Wenn wir jetzt nicht handeln, droht sich die Situation zu wiederholen", warnte er. Schulz warf Merkel vor, damals "aus gut gemeinten Gründen, aber leider ohne Absprache mit unseren Partnern in Europa" die Grenze für Flüchtlinge geöffnet zu haben.

Schulz wird nach Medienberichten am Donnerstag mit dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni über eine Entlastung Italiens von der Aufnahme von Flüchtlingen sprechen. Nötig sei innerhalb der Europäischen Union eine "Koalition der Willigen", sagte Schulz am Sonntag dem Deutschlandfunk. Die Italiener "werden auf Dauer nicht alle Flüchtlinge alleine aufnehmen". Die Länder, die sich bereit erklärten, mehr Flüchtlinge in ihr Land zu lassen, sollten "aus dem EU-Haushalt Geld bekommen", sagte der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments. Deutschland selbst nimmt Schulz von dieser Forderung aber aus: "Jetzt sind die anderen EU-Mitgliedstaaten dran."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Politik zu einem ehrlichen Umgang mit der Integration der Flüchtlinge in die deutsche Gesellschaft aufgerufen. "Wir müssen vor allen Dingen den Menschen sagen, dass das eine Riesenaufgabe ist, die uns möglicherweise Jahrzehnte beanspruchen wird", sagte er im ZDF-Sommerinterview. Dabei nahm er auch Bezug auf den Satz seines Vorgängers Joachim Gauck: "Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich." Steinmeier machte deutlich, dieser Satz sei nicht im Sinne einer Obergrenze für Flüchtlinge gemeint. Allerdings müsse es in der Flüchtlingsfrage ein "Gespräch in der Gesellschaft" geben, um eine Polarisierung zu vermeiden: "Die einen, die sagen, die Integration von Flüchtlingen ist kein Problem. Und die anderen, die nur über die Probleme reden."

"Wenn wir jetzt nicht handeln, droht sich die Situation zu wiederholen."

Weniger als zehn Wochen vor der Bundestagswahl hat CSU-Chef Horst Seehofer die Forderung seiner Partei nach einer Höchstzahl für neue Flüchtlinge verteidigt. CDU-Chefin Angela Merkel lehnt die Obergrenze weiter ab. Seehofer unterstrich, "dass wir in Deutschland nicht mehr als 200 000 Flüchtlinge jährlich verkraften können, damit Integration möglich ist". Die CSU werde mit der Forderung nach dieser Obergrenze "recht bekommen", sagte der bayerische Ministerpräsident der Welt am Sonntag. Die Obergrenze steht im separaten "Bayernplan" der CSU für die Bundestagswahl, aber nicht im gemeinsamen Unions-Wahlprogramm. Auch die mögliche Zusammensetzung eines Regierungsbündnisses wird nun immer mehr zum Thema. Horst Seehofer schloss eine schwarz-grüne Koalition nicht aus. "Natürlich wären die Grünen kein angenehmer Partner. Aber Wahlergebnisse suchen sich ihre Koalitionen."

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