Integration:Damit es sich auszahlt

Fachkräfte weiter Mangelware in Brandenburg

Angekommen: In einer Firma in Fürstenwalde arbeitet der 26-jährige Asylbewerber Hamza Ahmed aus Somalia an einem Stahlsegment.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Der Chef des Flüchtlings-Bundesamtes will die Migranten schnell in Arbeit bringen.

Von Stefan Braun, Berlin

Euphorie ist Fehl am Platze, Pessimismus aber auch. Auf diese Formel lässt sich nach Ansicht von Bundesinnenminister Thomas de Maizière und des Präsidenten der Bundesagentur für Arbeit, Hans-Jürgen Weise, die Antwort auf die Frage bringen, ob Deutschland in den kommenden Jahren Hunderttausende Flüchtlinge integrieren kann. Auf einer Konferenz am Donnerstag in Berlin übernahm de Maizière den Part des Mahners; Weise präsentierte sich als Optimist, für den die Vorteile der Zuwanderung die Kosten für die Flüchtlinge deutlich übersteigen werden.

De Maizière sagte in Berlin, mit vielen Flüchtlingen werde viel Arbeit auf das Land zukommen. Von Herausforderungen sprach auch Hans-Jürgen Weise, der neben der Bundesagentur derzeit auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) leitet. Weise betonte aber zugleich, dass Deutschland diese Aufgabe bewältigen werde. Man könne auf einen gesunden Arbeitsmarkt zurückgreifen. Auf lange Sicht werde sich "die Zuwanderung für die Gesellschaft auszahlen". Erfahrungswerte zeigten zwar, dass man nicht zu schnell mit Erfolgen rechnen dürfe. Nach fünf Jahren hätten in der Regel zehn Prozent der Flüchtlinge einen Job, nach zehn Jahren seien es 50 Prozent und nach 15 Jahren 70 Prozent. Trotz der langen Zeitspanne aber sei klar, dass Deutschland am Ende "mehr zurückbekommen wird als es einzahlt".

Schnelligkeit sei derzeit wichtiger als die Einhaltung aller Standards, sagt der Innenminister

Größtes Problem für eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt sind nach Einschätzung des Bundesinnenministers die fehlenden Sprachkenntnisse und der Mangel an Informationen über die tatsächlichen Qualifikationen der Flüchtlinge. Deshalb sei es nötig, bei den Integrationsbemühungen nun mit "Improvisationsgabe und gesundem Menschenverstand" manche Standards für Unterricht und Ausbildung nicht überzubewerten. Gleiches gelte für die Anerkennung von Berufsabschlüssen oder auch für die Einstellungskriterien von Lehrern, die nicht alle Bedingungen erfüllen, die man üblicherweise benötigt, um Sprachkurse oder Fortbildungen zu leiten. Hier sei Schnelligkeit derzeit wichtiger als die Einhaltung aller Standards.

Der Minister rechnet aktuell damit, dass 40 Prozent der Flüchtlinge bleiben werden. Nimmt man jene dazu, die schon länger im Land leben, dann werden nach Einschätzung seines Ministeriums im kommenden Jahr rund 400 000 Flüchtlinge Sprach- und Integrationskurse besuchen. Das sind gut doppelt so viele wie bisher.

Weise betonte, dass die Zuwanderung dringend erforderlich sei, um "diese Volkswirtschaft und diese Sozialsysteme zu halten". Zugleich widersprach der Chef der Bundesagentur Befürchtungen, dass die Neuankömmlinge den knapp vier Millionen Landzeitarbeitslosen in Deutschland das Leben noch schwerer machen könnten. In der Arbeitslosenversicherung sei derzeit genügend Geld, um Sprach- und Ausbildungskurse zu finanzieren. Gleichzeitig gebe es für das Budget von Hartz IV zusätzliche Mittel des Bundes. Deshalb sei nach seiner Einschätzung die Gefahr gering, dass eine Gruppe zulasten einer anderen Gruppe bevorzugt werden könnte.

Recht viel Optimismus demonstrierte auch der Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer. Er hob den enormen Bedarf an qualifizierten Fachkräften und an Auszubildenden hervor. Allerdings mahnte er, sich nicht zu sehr auf die Angaben zu Qualifikationen zu verlassen. "Wir brauchen Berufsvorbereitungskurse und Einstiegsqualifikationen für die Arbeit", so Wollseifer. Nach Angaben des deutschen Handwerks fehlen der deutschen Wirtschaft derzeit mehr als 600 000 Fachkräfte.

Das Bundesinnenministerium teilte mit, dass Deutschland 2015 bereits etwa 758 000 Flüchtlinge registriert hat. Die wichtigsten Herkunftsländer waren Syrien, Albanien, Afghanistan und Irak. Die EU-Kommission rechnet damit, dass zwischen 2015 und 2017 mindestens drei Millionen Flüchtlinge Europa erreichen werden. Die EU habe es "mit einem nie da gewesenen Strom von Asylsuchenden" zu tun, heißt es in einem Wirtschaftsausblick, den der Währungskommissar Pierre Moscovici in Brüssel vorstellte. Für 2015 kalkuliert sie mit einer Million Flüchtlingen, räumt aber ein, dass diese Zahl überholt sein könnte.

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