Integration:Bürokratisches Gewirr

Lesezeit: 2 min

Die neuen Kombikurse für Flüchtlinge, bei denen Deutschkurse und die Berufsvorbereitung kombiniert wurden, laufen nur schleppend an. Dabei sollte es eigentlich ganz schnell gehen. Die Rechnung wurde ohne die deutsche Bürokratie gemacht.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Als im Sommer 2015 immer mehr Flüchtlinge in Deutschland Rettung suchten, sagte Kanzlerin Angela Merkel einen bemerkenswerten Satz: "Deutsche Gründlichkeit ist super. Aber es wird jetzt deutsche Flexibilität gebraucht." Alles müsse nun "schnell gehen".

Doch schnell und flexibel im Umgang mit Flüchtlingen zu sein, ist oft leichter gesagt als getan. Das zeigt sich auch bei den neuen Kombikursen für Flüchtlinge, bei denen Deutschkurse und die Berufsvorbereitung kombiniert wurden. Im August 2016 wurde das Programm mit dem Titel "KompAS" ( Kompetenzfeststellung, frühzeitige Aktivierung und Spracherwerb) gestartet. Es soll helfen, anerkannte Geflüchtete und Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive schneller in eine Ausbildung oder eine Arbeit zu bringen. Und das sollte wunschgemäß schnell gehen: So prognostizierte das Bundesarbeitsministerium im Juli in bestem Amtsdeutsch: "Bis Jahresende wird mit ca. 40 000 Maßnahmeeintritten gerechnet." Gut 40 000 Plätze sollten also bis Ende Dezember 2016 besetzt sein. Tatsächlich begannen bei den von der Bundesagentur für Arbeit (BA) und den Kommunen gemeinsam geführten Jobcentern von Oktober bis Dezember aber nur 9833 Geflüchtete mit den Kursen. Dies teilte das Arbeitsministerium der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, mit.

Tatsächlich dürfte die Zahl der Teilnehmer etwas höher sein als die genannten knapp 10 000, weil die Statistik nur vorläufig ist und Flüchtlinge in rein kommunal geführten Jobcentern nicht mitgezählt wurden. Bis zur Marke von 40 000 Teilnehmern scheint es aber noch ein weiter Weg zu sein.

Pothmer führt das auf "zersplitterte Zuständigkeiten und bürokratische Abstimmungsprozesse" zurück. Zuständig für die Kombikurse sind das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Nürnberger BA, das BAMF für die Integrationskurse, die Bundesagentur für Bewerbungstrainings oder Berufsvorbereitungskurse. Das löse laut Pothmer aber ein "Wirrwarr" aus: So müssten die Bildungsträger die jeweiligen Kursanteile getrennt abrechnen. Bei den Unterrichtsräumen und der Qualifikation des Lehrpersonals gebe es unterschiedliche Normen. "Auch die Kursteilnehmer leiden unter den unterschiedlichen Vorschriften, etwa bei der Erstattung der Fahrkosten", sagt die Grünen-Abgeordnete. Das sehen beteiligte Akteure genauso: Der zuständige Dezernent einer großen deutschen Stadt spricht in einer internen Mail von einem geringen Interesse der Bildungsträger wegen der "Regelungsdichte". Auch weist er darauf hin, dass sich erst im Nachhinein herausstelle, dass viele Teilnehmer Analphabeten seien, die dann an den Kombikursen nicht mehr teilnehmen dürften. Viele Träger seien nach Aussagen der Jobcenter nicht bereit, mit anderen Anbietern zu kooperieren und sich gemeinsam für die Umsetzung der Kurse zu bewerben. Es fehle Lehrpersonal. Außerdem seien die Kombikurse für die Bildungsträger wegen der kurzen Laufzeiten finanziell nicht attraktiv.

Pothmer bedauert dies. Sie sagt: "Die Bundesregierung hätte von Anfang an die Zuständigkeit für die Kombikurse in eine Hand legen müssen. Jetzt droht der gute Ansatz der frühzeitigen Kombination von Spracherwerb und Qualifizierung zwischen den Ressort-Egoismen zerrieben zu werden."

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: