Kampf gegen den IS:"Wir könnten einige Fähigkeiten anbieten"

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Man könne sowohl Aufklärungs-Tornados als auch "Fähigkeiten zur Bekämpfung von Bodenzielen" anbieten, sagt Luftwaffen-Inspekteur Karl Müllner. (Foto: Ingo Wagner/dpa)

Luftwaffen-Inspekteur Karl Müllner spricht darüber, was die Bundeswehr im Kampf gegen die Terrormiliz IS leisten könnte.

Von Christoph Hickmann

Generalleutnant Karl Müllner, 59, trat 1976 als Unteroffizieranwärter in die Bundeswehr ein, wo er zum Kampfjet-Piloten ausgebildet wurde. Seit 2012 ist er Inspekteur der Luftwaffe.

SZ: Herr Müllner, Frankreich hat seine europäischen Verbündeten um militärischen Beistand gegen den sogenannten Islamischen Staat gebeten. Was könnte die deutsche Luftwaffe beitragen?

Karl Müllner: Das ist für mich zunächst eine theoretische Frage, da eine entsprechende Anfrage nach einem Beitrag der Luftwaffe nicht vorliegt. Außerdem wären einer deutschen Beteiligung enge rechtliche Grenzen gesetzt - Grundlage müsste meines Erachtens eine Beschlusslage der Vereinten Nationen sein, die ich derzeit nicht sehe. Allerdings können sich diese Voraussetzungen auch verändern. Sollten wir gefragt werden, könnten wir einige Fähigkeiten anbieten.

Was wäre das?

Das fängt mit der Unterstützung anderer an, wie zum Beispiel Lufttransport. Es geht weiter mit Aufklärungskapazitäten in Form von Aufklärungs- Tornados bis hin zu Fähigkeiten zur Bekämpfung von Bodenzielen. Aber noch einmal: Das sind rein militärische Aussagen. Es gibt keinen Auftrag in diese Richtung, und mir sind auch keine Anfragen bekannt.

Hielten Sie eine solche Beteiligung denn für sinnvoll?

Für die Frage bin ich der falsche Adressat.

Für Luftangriffe müssten Sie ebenfalls auf die alten "Tornado"-Kampfflugzeuge zurückgreifen. Der "Eurofighter" ist nach wie vor nur für den Luftkampf einsetzbar, aber nicht für die Bekämpfung von Zielen am Boden.

Der in nahezu allen Belangen modernisierte Tornado ist derzeit das Flugzeug der Luftwaffe, das für Luftangriffe eingesetzt werden kann. Hier steht uns ausreichend Präzisionsbewaffnung zur Verfügung, und die Besatzungen sind entsprechend ausgebildet. Der Eurofighter wird wahrscheinlich Mitte des nächsten Jahres in der Lage sein, Ziele am Boden zu bekämpfen. Der entscheidende Schritt, der hier noch fehlt, ist die Zertifizierung einer Software-Modifikation. Das ist gerade im Entstehen. Und dann muss noch die Bewaffnung kommen, die das Parlament bereits gebilligt hat.

Bei m "Eurofighter" stünde Ihnen auch für den Luftkampf nicht genug Bewaffnung zur Verfügung. Gerade erst wurde bekannt, dass die Luftwaffe über lediglich 82 Raketen vom Typ "AMRAAM" verfügt - also weniger, als es Jets gibt.

Die AMRAAM-Raketen wurden nur für die erste Tranche der Eurofighter-Gesamtlieferung beschafft, also für etwa 30 Flugzeuge. Für die zweite und dritte Tranche ist die Rakete Meteor vorgesehen, von der wir zukünftig 150 im Bestand haben werden.

Was trägt die Luftwaffe in der Nato bei?

Zunächst mal beteiligen wir uns gerade wieder mit fünf Eurofightern an der Überwachung des Luftraums über dem Baltikum. Auch im Inland stellen wir zwei Alarmrotten mit je zwei Eurofightern und tragen damit durchgehend zur Sicherheit des Nato-Luftraums bei. Außerdem engagieren wir uns verstärkt bei Nato-Übungen im östlichen Bündnisgebiet. In den nächsten Jahren werden wir substantielle Beiträge zur schnellen Eingreiftruppe leisten, in allen Kategorien: Luftverteidigung, Luftangriff, Aufklärung, Lufttransport, aber auch mit unseren Objektschutzkräften.

Welche Bedeutung hat die Luftwaffe für die schnelle Eingreiftruppe?

Ohne Luftstreitkräfte bleibt die Speerspitze der Nato stumpf. Luftstreitkräfte müssen inhärenter Bestandteil dieser Speerspitze sein. Ihr Einsatz beginnt schon lange, bevor sich die ersten Landeinheiten in Marsch setzen. Die Fähigkeit, politischen Willen und militärische Stärke in kürzester Zeit über große Entfernung hinweg vor Ort demonstrieren zu können, reicht möglicherweise schon aus, um einen schwelenden Konflikt unterhalb einer kritischen Eskalationsstufe beenden zu können.

Im vergangenen Jahr haben Sie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit der Meldung überrascht, dass die Luftwaffe angesichts maroder Flugzeuge kaum in der Lage sei, ihre Nato-Verpflichtungen zu erfüllen.

Ich habe damals gesagt, dass wir uns sehr anstrengen müssen, um unsere eingegangenen Verpflichtungen gegenüber der Nato, die sehr ambitioniert sind, zu erfüllen, und dass das in manchen Bereichen zumindest kritisch ist. Wir haben aber mittlerweile einiges auf den Weg gebracht und verbessert.

Was?

Das werde ich demnächst dem Verteidigungsausschuss berichten und möchte das jetzt nicht vorwegnehmen.

Wie hat sich die Lage über dem Baltikum entwickelt - provozieren russische Flugzeuge noch häufig?

Ich bekomme etwa jeden zweiten Tag eine Meldung, dass unsere Flugzeuge aufsteigen mussten, um zu schauen, wer dort fliegt. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr aber befinden sich die russischen Flugzeuge, auf die sie treffen, überwiegend im Transit nach Kaliningrad und von dort zurück. Auch das Verhalten der russischen Piloten scheint etwas kooperativer zu sein als noch im vergangenen Jahr.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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