Innere Sicherheit:Gesetze sind keine Discount-Schnitzel: Es geht um mehr als den Preis

North Rhine-Westphalia Holds State Elections

Schwieriger Gang: Nach der bitteren Wahlniederlage in NRW betritt Martin Schulz das Podium in der SPD-Parteizentrale in Berlin.

(Foto: Getty Images)

Es ist ein Graus, wenn das Bedürfnis nach Sicherheit nur mit Billigangeboten befriedigt wird. Der Versuch von Martin Schulz, innere und soziale Sicherheit zu verbinden, ist klug und richtig.

Kommentar von Heribert Prantl

Es gibt eine tiefe Sehnsucht der Menschen nach Halt und innerer Sicherheit. Diese Sehnsucht wächst in dem Maß, in dem die alte Weltzuversicht zerbricht und gewohnte Gewissheiten verschwinden. Der Terrorismus, der Islamismus, die Globalisierung und die Abenteuerlichkeiten der internationalen Politik - das alles addiert sich zu einem großen Unbehagen.

Das wachsende Bedürfnis der Wähler, ihr Land als schützende Heimat zu erleben, ist verständlich. Und die Befriedigung dieses Bedürfnisses ist Aufgabe des Staates und der Politik. Ein Wahlkampf, der das nicht zu seinem Gegenstand macht, ist kein Wahlkampf. Ein Wahlkampf freilich, der das Bedürfnis mit Billigangeboten zu befriedigen sucht, ist ein Graus.

Diesen Graus hat man oft genug erlebt. Sicherheit darf man nicht anpreisen und verkaufen wie ein Discounter die Schweineschnitzel und die Hähnchenbrust: 100 Gramm, saftig und zart - bei der CDU für 60, bei der SPD für 57 Cent. Die SPD hat viele solche Wahlkämpfe geführt, in denen sie versucht hat, die Union mit Billigangeboten noch zu überbieten - wohl aus dem Gefühl heraus, dass sie einige Zeit lang nichts im Sortiment hatte.

Das ist der SPD stets auf spektakuläre Weise missglückt: mehr Strafen, härtere Strafen, mehr abschieben, schneller abschieben, weg mit dem liberalen Firlefanz, ruck, zuck, raus - immer dann, wenn die SPD schnell mal so etwas versucht hat, erlebte sie spektakuläre Niederlagen; sie beflügelte auf diese Weise nur das allgemeine Unsicherheitsgefühl und die Parteien rechts und ganz rechts.

Schulz will innere und soziale Sicherheit verbinden: Das ist klug

Desaströs zeigte sich das 1993 beim Law-and-Order-Wahlkampf des damaligen Hamburger Bürgermeisters Henning Voscherau. Katastrophal war das im Europa-Wahlkampf des SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping im Jahr 1994. Immer dann, wenn die SPD Handschellen-Plakate klebt, wie Scharping das 1994 getan hat, geht sie schwer geschlagen vom Feld. Trotzdem hat die SPD das immer wieder versucht. Der Einzige, bei dem es funktionierte, war Otto Schily, weil er es raffinierter angestellt hat; und da war die SPD schon an der Regierung, mit ihm als Innenminister.

Es ist klug und richtig, wenn der SPD-Vorsitzende Martin Schulz versucht, den Sicherheitswahlkampf auf ein höheres Niveau zu heben, wenn er innere und soziale Sicherheit miteinander verbindet. Sicherheitspolitik kann nicht darin bestehen, auf den gigantischen Haufen an Straf- und Polizeigesetzen noch ein paar Schaufeln draufzuwerfen. Es gilt, die Themen soziale Gerechtigkeit und innere Sicherheit nicht gegeneinander auszuspielen, sondern miteinander zu verknüpfen; sie hängen im Innersten zusammen. Wer Sicherheit nur mit Lauschangriffen und der Durchsuchung von Computern herstellen will, leidet an einem verengten Sicherheitsbegriff.

Strafrecht ist nichts Schlechtes, kommt aber stets zu spät. Das Land braucht mehr Polizisten, aber auch mehr Lehrer, bessere Schulen, mehr Integration. Das ist nicht nur Sozialpolitik, das ist auch Sicherheitspolitik. Wer nur an scharfe Paragrafen denkt, macht es sich gefährlich einfach.

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