Innere Sicherheit:Der Terror und die neue deutsche Welle

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Es gibt neue Warnungen vor terroristischer Gefahr - und deutliche Entwarnungen. Was stimmt? Richtig ist die deutsche Reaktion: aufmerksame Gelassenheit.

Hans Leyendecker

Seit dem 11. September 2001 tobt ein Krieg im Dunkeln, und manchmal sind die Abläufe für das Publikum kaum noch nachvollziehbar. Zumindest in den vergangenen Tagen drohten die Zuschauer die Übersicht zu verlieren. Es gab und gibt neue Warnungen vor der terroristischen Gefahr und zugleich deutliche Entwarnungen. Was stimmt? Richtig ist jedenfalls die deutsche Reaktion: Sie besteht in aufmerksamer Gelassenheit.

Thomas de Maizière mag es leise und er lässt sich von niemandem aus dem Sicherheitsapparat treiben. Er ist kein Minister für Warnung, aber auch keiner für Verharmlosung. (Foto: AP)

Das US-Außenministerium warnte die US-Bürger vor der Möglichkeit von Terroranschlägen in Europa. Öffentliche Verkehrsmittel und Orte, die von Touristen häufig besucht würden, könnten Ziele sein. Prompt mahnte das britische Außenministerium seine Landsleute vor Reisen nach Europa und erwähnte als mögliche Terrorziele Deutschland und Frankreich. London berief sich auf die Expertise der Amerikaner. Der französische Verteidigungsminister reagierte alarmiert. Nur die sonst so aufgeregten Deutschen blieben diesmal ruhig. Sie sehen keine Änderung der Gefährdungslage. Es gebe keine konkreten Hinweise auf bevorstehende Anschläge in Deutschland.

Angesichts der umlaufenden Szenarien sind der Umgang des Bundeskanzleramts und des Bundesinnenministeriums mit dem für Spekulationen taugenden Stoff wohltuend. Terrorismus lebt auch davon, Angst zu verbreiten, und Besonnenheit kann eine Waffe im Kampf gegen Angstmacher sein. Die aufmerksame Gelassenheit der Deutschen ist keine fahrlässige Verharmlosung.

Sie ist nur neu für den Berliner Politikbetrieb und die dazu gehörende Warn-Industrie, zu der einst diverse Innensenatoren und Länderinnenminister gehörten. In der Amtszeit des früheren Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble gehörte die Warnung vor der Apokalypse zum politischen Handgepäck. Unvergessen ist sein Befund aus dem Jahre 2007, ein Anschlag mit einer schmutzigen, also nuklear verseuchten Bombe, sei nur noch eine Frage der Zeit, aber die Bürger sollten sich bis dahin die Laune nicht verderben lassen.

Sein Nachfolger Thomas de Maizière liebt es eher leise und er lässt sich von niemandem aus dem Sicherheitsapparat treiben. Er ist kein Minister für Warnung, aber auch keiner für Verharmlosung.

Der Berliner Befund ist schlicht: Das Material, mit dem die US-Behörden die erhöhte Terrorgefahr begründen, ist aus deutscher Sicht für Deutschland nicht ausreichend. Ohnehin würde sich objektiv wenig ändern, wenn auch die Deutschen das Gespenst des angeblich allgegenwärtigen islamistischen Terrorismus beschwören würden. Die Menschen würden dennoch Züge und Busse benutzen. Die Sicherheitsbehörden müssen ohnehin in jeder Lage hochprofessionell arbeiten. Das tun sie nicht selten. Sie wissen weit mehr über den islamistischen Terrorismus als sie jemals über andere Terrorgruppen wussten. Mit Glück und dem Sachverstand der Behörden wurden seit 2001 Anschläge in Deutschland verhindert. Manchmal auch, das sei zugestanden, mit Hilfe von US-Behörden.

© SZ vom 05.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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