Innere Sicherheit:Der Quatsch von heute ist das Gesetz von morgen

Joachim Herrmann

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann fordert ein Gesetz, das der Polizei ermöglicht, auch sechsjährige Kinder erkennungsdienstlich zu behandeln.

(Foto: dpa)

Fingerabdrücke nehmen, auch schon von Sechsjährigen, fordert Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Wie absurd, lächerlich und wahnwitzig.

Kommentar von Heribert Prantl

Es mag sein, dass sich ein paar Ministerkollegen des bayerischen Innenministers an die Stirn getippt haben, als sie von dessen Forderungen hörten. Der CSU-Politiker will die Erfassung von Fingerabdrücken "auf die Personengruppe der "Sechs- bis 14-Jährigen" ausweiten.

Joachim Herrmann, der in einer Regierung Merkel IV Bundesinnenminister werden soll, plant, die Polizei künftig zu sechsjährigen Kindern zu schicken, um diese erkennungsdienstlich zu behandeln. Er hat das allen Ernstes auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz setzen lassen, zu Zwecken der Terroristenbekämpfung.

Das hat derzeit keine Chance; das ist so absurd, lächerlich und wahnwitzig, dass sich eigentlich ernsthafte Kommentierung verbietet. Aber wer die Politik der inneren Sicherheit in den vergangenen zwanzig Jahren verfolgt hat, der weiß: Der Quatsch von heute ist das Gesetz von morgen. Die neueren Polizei- und Strafgesetze sind voll von Paragrafen, deren Inhalt man vor zwanzig Jahren für einen Witz gehalten hat.

Es wird heute heimlich kontrolliert, abgehört und online-durchsucht, was das Zeug hält; und der Verfassungsschutz, der bei Verhinderung und Aufklärung der NSU-Morde eine erbärmliche Figur abgegeben hat, erhält zur Belohnung neue Kompetenzen und soll nun auch Kinder beobachten dürfen. "Vollständige Aufhebung der Altersgrenzen", heißt das im CSU-Gesetzesantrag. Es handelt sich um die Aufhebung der Grenzen des gesetzgeberischen Anstands.

Die CSU will sechsjährige Kinder erkennungsdienstlich behandeln

Es ist zwar traurige Realität, dass Kinder gezielt radikalisiert werden. Dem begegnet man jedoch nicht mit einer Radikalisierung des Rechts. Solche Kinder sind Opfer fanatisierter Eltern. Da braucht man nicht den Verfassungsschutz im Kinderzimmer, sondern das Jugendamt, das im Extremfall die Kinder aus den Familien herausholt.

Bei Prävention fällt immer mehr Innenpolitikern nur noch Repression ein. Das Kürzel "IS" funktioniert wie ein Universalschlüssel, der die Türen der Gesetzgebung öffnet; ohne dass lang gefackelt wird, werden damit auch die Sicherheitsschlösser zu den Grundrechten aufgesperrt. Die Minister de Maizière, Herrmann und Co. tun so, als gäbe es hier klare Regeln und strenge richterliche Kontrolle. Das ist eine Lüge.

Beim Verfassungsschutz gibt es gar keine richterliche Kontrolle; und bei den angeblich klaren Regeln ansonsten handelt es sich um Gummiformeln, die dafür sorgen sollen, dass immer zugegriffen werden kann - so wie bei der Schleierfahndung, die nun bundesweit Platz greifen soll. Es handelt sich um eine polizeiliche Gesichtskontrolle: Kontrolle überall und jederzeit, ohne konkreten Anlass, ohne konkreten Verdacht.

Das Bundesverfassungsgericht hat vor einem guten Jahr in einem grandiosen Urteil massiv gegen die Gummiformeln und Maßlosigkeiten in den Sicherheitsgesetzen protestiert. Das Gericht hat der Politik aufgegeben, den Gesetzen das rechtsstaatliche Maß zurückzugeben. Die Innenminister scheren sich nicht darum. Vielleicht sollten sich die Richter überlegen, ob man den Ministern Fingerabdrücke abnimmt.

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