Innenstaatssekretär Hanning:Reibereien mit dem Alphatier

Innenminister de Maizière schickt Staatssekretär und Ex-BND-Chef Hanning in Rente. Ist "Mister Sicherheit" einflussreichen Unionspolitikern zu dominant geworden?

Hans Leyendecker

Das Bedürfnis nach Sicherheit durchzieht den Berliner Politikbetrieb. Es gibt Eigensicherung, Absicherung in allen Formen und auf allen Ebenen. Manchmal könnte man sogar glauben, Politik werde im Wesentlichen mit Zement gemacht. Daneben gibt es natürlich auch die ganz normale nationale Sicherheit.

Innenstaatssekretär Hanning: War er zu eigensinnig geworden? Tatsache ist, dass es mit August Hanning Reibereien in Berlin gab. Hier ein Foto von 2007: Hanning sagt im BND-Untersuchungsausschuss aus.

War er zu eigensinnig geworden? Tatsache ist, dass es mit August Hanning Reibereien in Berlin gab. Hier ein Foto von 2007: Hanning sagt im BND-Untersuchungsausschuss aus.

(Foto: Archivfoto: ddp)

So tagt jeden Dienstag in einem abhörsicheren, zwölf mal acht Meter großen, Raum im vierten Stock der Regierungszentrale die sogenannte Sicherheitslage. Die Präsidenten der Nachrichtendienste, der Abteilungsleiter 6 (AL 6) des Kanzleramtes, der auch Koordinator der Dienste ist und Vertreter einiger Ministerien erörtern dann Probleme der Sicherheit.

Viele Jahre nahm der Spitzenbeamte August Hanning an den Sitzungen teil. Der 63-Jährige ist, neben Wolfgang Schäuble, das Gesicht der deutschen Sicherheit. Er war in den achtziger Jahren Geheimschutzbeauftragter der Ständigen Vertretung in Ost-Berlin, später war er AL 6, wurde Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), und seit 2005 ist er Staatssekretär im Bundesinnenministerium.

Wann auch immer die Republik vor Bedrohungen aller Art gewarnt wird, ist Hanning nicht weit. Der frühere Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ließ ihm freie Hand. Er vertraute dem Westfalen.

Jedenfalls im Nachhinein will mancher nach der Amtsübergabe Schäubles an den früheren Kanzleramtschef Thomas de Maizière vor einigen Tagen gespürt haben, dass zwischen dem neuen Minister und dem alten Staatssekretär die Chemie nicht so richtig stimme. Der Befund ist jetzt amtlich. "Mister Sicherheit", wie Hanning auch genannt wurde, wird in den Ruhestand geschickt. Ende des Jahres ist Feierabend.

Dass sich ein neuer Minister mit Blick auf eine Legislaturperiode seine Hausmannschaft aussucht, ist legitim, und Schäuble konnte nichts mehr für Hanning tun. Auch mit perfekter Eigensicherung hätte der gelernte Jurist diesem Schicksal nicht entgehen können. Lediglich der Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach, dem die Kanzlerin sehr vertraut, könnte von einem neuen Minister nicht so einfach weggeschickt werden.

Da weder de Maizière noch Hanning über die Gründe der Trennung sprechen, sind derzeit nur Spekulationen möglich. Mag sein, dass Hanning für einen Staatssekretär zu sehr Alphatier geworden war. Den Umbau der deutschen Sicherheitsbehörden hat er durchgesetzt wie ein Minister, mit sehr harten Bandagen hat er für die Ausweitung der Befugnisse der Dienste gekämpft. Auch hat es Reibereien in Berlin gegeben.

Welche Linie bevorzugt de Maizière?

Der konservative, aber parteilose Hanning hatte in jüngerer Zeit beispielsweise bei etlichen Gelegenheiten gegen die Verabschiedung des Gesetzes über die "Parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes" (PKGrG) gewettert. Zu viel Transparenz lähme die Dienste, erklärte er immer wieder. Davon ist er überzeugt. In diesem Zusammenhang hatte er auch den einflussreichen jetzigen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) kritisiert, der Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Union und Mitglied des Kontrollgremiums der Nachrichtendienste war.

Haben einflussreiche Kreise der Union Hanning in die vorzeitige Rente geschickt, oder ist der Grund für die Beförderung in den Ruhestand banal? Auf dem Papier zumindest wäre für Hanning 2011 Feierabend gewesen. Dann wird er 65 Jahre alt, und nur in Ausnahmefällen kann dann einer auf dem Posten bleiben.

Ob de Maizière die ständigen Warnungen Hannings im Zusammenhang mit der islamistischen Bedrohung überzogen schienen und ob er eine etwas weichere Linie als Schäuble/Hanning bevorzugt, ist nicht klar. Jedenfalls hat de Maizière die Aufsicht über den BND mehrmals verschärft. Und jeder Innenminister möchte beispielsweise auch am Erfolg der Sportförderung gemessen werden und mancher auch an dem Erfolg von Integrationskursen, aber unterm Strich zählt dann doch der Fall des Falles.

Wer Hannings Platz einnehmen wird, scheint noch nicht klar zu sein. Einiges spricht dafür, dass Klaus-Dieter Fritsche, der früher Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz war und seit 2005 die Nachrichtendienste koordiniert, ihm folgen wird. Bei Fritsche, 56, steht ein abhörsicheres Telefon auf dem Schreibtisch.

Der Profi versteht sich bestens mit de Maizière, der auch Beauftragter der Regierung für die Nachrichtendienste war. Er hält sich auch an Geschäftsgänge. Aber Fritsche wird auch für eine eventuelle Nachfolge des BND-Präsidenten Ernst Uhrlau gehandelt, dessen Zukunft nicht nur ungewiss ist, weil Uhrlau das SPD-Parteibuch besitzt. Jeder BND-Präsident sitzt auf einem Schleudersitz, die Gegner gibt es im eigenen Apparat und draußen. Und es gibt immer Affären, echte und falsche.

In den vergangenen Monaten erörterte die Union, den Posten eines Staatsministers für die Nachrichtendienste zu schaffen. Auch dann wäre für Uhrlau Feierabend. Den Weihnachtsbaum im Amt wird er noch anzünden. Dann gehen die Lichter aus. Und was wird aus Hanning? Für den Ruhestand, das scheint immerhin sicher, ist er nicht geschaffen.

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