Innenpolitik:Doppelte Staatsbürgerschaft: SPD nennt Röttgens Vorstoß "infam"

Innenpolitik: In der Debatte um Auftritte wie dieser des türkischen Ministerpräsidenten kehrt CDU-Mann Röttgen zu eiiner alten Forderung zurück.

In der Debatte um Auftritte wie dieser des türkischen Ministerpräsidenten kehrt CDU-Mann Röttgen zu eiiner alten Forderung zurück.

(Foto: AFP)
  • Vertreter von SPD, Grünen und FDP wollen die doppelte Staatsbürgerschaft beibehalten.
  • CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen hatte ihre Abschaffung gefordert.
  • Sein Vorstoß entspricht einem Parteitagsbeschluss der Union - ohne Unterstützung dürfte die Partei den Plan aber kaum umsetzen können.

Von Oliver Das Gupta

Vertreter von SPD, Grünen und FDP haben den Vorstoß von CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen heftig kritisiert, die doppelte Staatsbürgerschaft wieder abzuschaffen. Röttgen hatte sich für ein Optionsmodell ausgesprochen, wonach sich in Deutschland geborene Kinder von Migranten bis zum 21. Lebensjahr entscheiden müssen, welche Staatsbürgerschaft sie haben wollen. Eine solche Neuregelung würde vor allem türkische Doppelstaatler treffen. Röttgen begründete seinen Vorschlag unter anderem mit mangelnder Integration, die vor allem beim aktuellen Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland offenbar geworden sei.

Allerdings scheint der Vorstoß in etwa so gute Erfolgsaussichten zu haben wie die Wiedereinführung der D-Mark. Denn umsetzen ließen sich Röttgens Staatsbürgerschaftspläne mit keiner der Parteien, die für die Union als Koalitionspartner nach der Bundestagswahl im September in Frage kommen. Nur die AfD fordert derzeit Ähnliches.

Von den potenziellen Partnern der Union wird Röttgen dagegen scharf zurückgewiesen. Röttgen und die CDU "legen die Axt an die Integrationserfolge" der letzten Jahre, sagt Thorsten Schäfer-Gümbel, stellvertretender Bundesvorsitzender des derzeitigen Koalitionspartners SPD, der Süddeutschen Zeitung. "Kampagnen der türkischen Regierung mit der doppelten Staatsbürgerschaft in Verbindung zu bringen, wie Röttgen es macht, ist infam." Mit der SPD sei die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft nicht zu machen, sagt Schäfer-Gümbel.

Bayerns SPD-Chef Florian Pronold glaubt, dass Röttgens Aussagen mit dem Erstarken der Sozialdemokraten in Umfragen zusammenhängen: "Immer wenn der Union der Hintern auf Grundeis geht, spielt sie die ausländerfeindliche Karte", sagt Pronold.

Beim liberalen Wunschpartner der Union perlt Röttgens Vorstoß ebenso ab. Aus Sicht von FDP-Chef Christian Lindner sind die Sprüche gegen die doppelte Staatsbürgerschaft "klassische Ablenkungsmanöver" um Defizite in der Integrationspolitik und im Umgang mit dem immer autoritärer auftretenden türkischen Staatspräsidenten zu übertünchen. "Die Regierung ist einerseits zu lax zu Erdogan und bekommt kein Einwanderungsgesetz gestemmt", sagt Lindner zur SZ. Die geltende doppelte Staatsbürgerschaft enthält nach Lindners Ansicht "ohnehin eine hohe Hürde", aber baue "keine Mauern, sondern Brücken". Eine Abschaffung brächte "viele rechtliche Probleme" und würde "Menschen in unnötige Gewissenskonflikte" stürzen.

Bei den Grünen, während der Kanzlerschaft Gerhard Schröders gemeinsam mit der SPD die doppelte Staatsbürgerschaft eingeführt haben, ruft die Unionslinie Kopfschütteln hervor. Schwarz-Grün galt lange als eine wahrscheinliche Koalitionsvariante für die nächste Wahlperiode, anstelle der ungeliebten großen Koalition. Grünen-Abgeordneter Omid Nouripour, der wie Röttgen im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages sitzt, wirft dem Christdemokraten vor, wider besseres Wissen zu handeln. Die doppelte Staatsbürgerschaft sei in der Regel in Deutschland verboten, sagt Nouripour zur SZ. "Als Jurist weiß Röttgen das." Es sei "bedauerlich, dass sogar Röttgen sich von der grassierenden Loyalitätsparanoia in der Union anstecken lässt".

CDU-Parteitag forderte Abschaffung

In seiner eigenen Partei ist Röttgen allerdings nicht allein. Für Angela Merkel und den Rest der CDU-Spitze gab es beim Parteitag im Dezember eine unschöne Überraschung, als die Delegierten auf Drängen der Jungen Union, die Doppelte Staatsbürgerschaft ganz abzuschaffen. Damit kippten sie einen mühsam ausgehandelten Kompromiss mit der SPD, der eine zweite Staatsbürgerschaft nicht zur Regel machte, sondern zur Ausnahme.

Die neue Parteilinie war nicht nur ein Sieg der Jungen, sondern auch ein Sieg der merkelkritischen Parteirechten, die seit geraumer Zeit nach einem konservativ klingenden Markenkern hungern. Die CSU ist ohnehin gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, obwohl sie 2014 den Kompromiss mit der SPD selbst mit beschlossen hat.

Röttgen: Doppelte Staatsbürgerschaft hat sich "nicht bewährt"

Mit dieser Vorgeschichte im Rücken und dem Wahlkampf im Blick setzt der einst von der Kanzlerin als Umweltminister abservierte Röttgen nun eine politische Duftmarke. Der CDU-Außenpolitiker spannt einen Bogen von der doppelten Staatsbürgerschaft zum Streit um die Auftritte türkischer Regierungspolitiker in Deutschland. Mit Blick auf die zur Schau getragenen Emotionen von deutschen Türken und türkischstämmigen Deutschen erklärt Röttgen im Spiegel die Doppelte Staatsbürgerschaft für gescheitert: Sie habe sich "nicht bewährt", behauptet Röttgen. Der Stand der Integration sei offenbar deutlich schwächer, als viele angenommen hätten.

Auch wenn Röttgens Äußerungen vielen konservativen Unionsmitgliedern gefallen dürften - sein Vorstoß birgt auch Risiken für seine Partei. Wähler, die sich in der politischen Mitte verorten, hat Merkel in einem Jahrzehnt Kanzlerschaft mit einem Kurs gewonnen, der ziemlich liberal und sozial war. Im Bemühen, die Flanke nach AfD-Rechts zuzumachen, könnte die Union, die immer mehr nach Seehofer klingt, in der Mitte Stimmen verlieren.

Schließlich hat sie inzwischen einen ernstzunehmenden Gegner: Seitdem die SPD in Martin Schulz einen designierten Kanzlerkandidaten und künftigen Vorsitzenden hat, der die Partei in Umfragen auf Augenhöhe mit der CDU/CSU hebt, ist die Emotionalisierung links der Mitte da. Die doppelte Staatsbürgerschaft emotionalisiert ohne Zweifel. Doch ob die Union damit Anhängerschaft für sich mobilisieren kann, ist fragwürdig.

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