Innenministerkonferenz:Staatsfeind Scientology

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Scientology ist gefährlich. Jetzt soll das Bundesinnenministerium einen neuen Verbotsantrag gegen die Psycho-Sekte prüfen. Doch die Sache hat einen Haken. Die Dämonisierung der schwächelnden Truppe als Staatsfeind würde nur einer Gruppe nützen: Scientology.

Matthias Drobinski

Still geworden war es um Scientology, das Wert darauf legt, als Religionsgemeinschaft zu gelten, stiller als in einem Freibad bei Schneefall. In diesem Frühjahr aber gelang es der Organisation, einiges öffentliches Aufsehen zu erregen. Unbemerkt vom Berliner Senat richtete sie ein 4000 Quadratmeter großes Zentrum in der Hauptstadt ein; Scientology ist nun nicht mehr zu übersehen in Berlin.

Scientology, sagen die meisten Weltanschauungsexperten, steckt in Deutschland in der Krise. Die Zahl der Anwerbungen bleibt hinter den Erwartungen zurück. (Foto: Foto: ddp)

Und dann kam Tom Cruise, der Schauspieler und bekennende Scientologe, und wünschte, als Claus Graf Schenk von Stauffenberg dort gefilmt zu werden, wo der echte Stauffenberg am Abend des 20. Juli 1944 von Hitlers Schergen erschossen wurde. Darf ausgerechnet Cruise den politischen Märtyrer spielen? Die Frage erschütterte die Feuilletons.

Die politische Quittung dafür kommt jetzt: Die Innenminister Udo Nagel (Hamburg, parteilos), Ehrhart Körting (Berlin, SPD) und Albrecht Buttolo (Sachsen, CDU) wollen Scientology das Handwerk legen. Seit 2001 erlaubt es das deutsche Recht, auch religiöse Vereine zu verbieten, wenn ihre Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft, sich gegen die Verfassung richtet oder gegen die Völkerverständigung.

Das Gesetz richtet sich vor allem gegen islamistische Gruppen, nun könnte es die Gläubigen des Science-Fiction-Autors L. Ron Hubbard treffen. Wobei die drei Minister ihr Anliegen mit gebremster Verve vortragen: Der Bund solle bitte prüfen, ob das geht.

Nun gibt es gute Gründe zu sagen: Scientology ist gefährlich. Hubbards Ideologie vom Erfolg als Maß aller Dinge beruht auf der Phantasie, mit Hilfe bestimmter Techniken zum vollkommenen Menschen zu werden und die Erde zu beherrschen. Die Sitzungen am E-Meter erinnern an Gehirnwäsche, Gegner gelten als vogelfrei; Aussteiger berichten von Abzockerei und von Druck, der Menschen bis in den Suizid treibe.

Und über allem leuchtet das grelle Pathos der Weltverbesserung durch Hubbards Methoden; wenn Tom Cruise, als ihm ein vergoldetes Rehkitz überreicht wird, "es lebe das heilige Deutschland" ruft - Stauffenbergs letzte Worte, dann hört man das obszöne Scientology-Wortgeklingel

Nur: Genügt dies für ein Verbot? Die Bundesländer haben ja keine Ideologiekritik zu betreiben, wenn sie Vereine verbieten - dass dies bei der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts anders ist, ist eine Ausnahme. Sonst soll der Staat nicht Gedanken verhindern, sondern verfassungsfeindliche Bestrebungen, und die sind bei Scientology nur mit einiger Interpretationskunst erkennbar. Natürlich würde die Organisation gerne die Politik infiltrieren, die Wirtschaft unterwandern, in der Kultur eine Rolle spielen; allein, es fehlt ihr die Kraft dafür.

Scientology, sagen die meisten Weltanschauungsexperten, steckt in Deutschland in der Krise. Die Zahl der Anwerbungen bleibt hinter den Erwartungen zurück, die Organisation hat keine 10.000 Mitglieder mehr und, anders als in den USA, ein Schmuddelimage.

Wer das neue Zentrum in Berlin besucht, merkt schnell, dass aus ganz Deutschland und Europa Scientologen in die Hauptstadt abkommandiert wurden; das neue Gebäude ist weniger eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung als vielmehr eine glitzernde Fassade, wie sie Generalfeldmarschall Fürst Grigori Potemkin nicht besser hätte hinstellen können.

Und wenn einer glaubt, es mache ihn glücklich, wenn er, zwei Metallröhren in der Hand, sein Innenleben nach außen stülpt; und wenn er dann noch im Laufe seines Scientologenlebens dafür 50.000 Euro bezahlt - dann kann es der Staat nicht verhindern. Er kann höchstens dem armen Menschen helfen, einen Teil des Geldes zurückzubekommen, wenn er merkt, dass sich das Glück auf diese Weise doch nicht einstellt. Betrug, Nötigung, Missbrauch einer Therapiesituation sind strafbar - dies muss aber nachgewiesen werden, was häufig nicht gelingt.

Das ist eine bittere Erkenntnis, denn am System Scientology sind schon viele Menschen zerbrochen. Allerdings sind auch schon Menschen bei den Zeugen Jehovas und in der neuapostolischen Kirche zerbrochen, in fundamentalistischen katholischen und evangelischen Zirkeln. Der Glaube kann gesund machen, ein Fundament vermitteln, auf dem man im Leben steht.

Er kann aber auch krank machen, zerstören, ängstigen, in Abhängigkeit halten, die Persönlichkeit rauben und das Geld nebenbei auch. Nur kann kein Landes-Innenminister und kein Gericht entscheiden, welche Form des Glaubens pathologisch ist und welche nicht. Und Scientology hat bislang so geschickt in der Grauzone operiert, dass auch hier über die fürchterlichen Einzelfälle hinaus der Nachweis schwierig sein dürfte, dass die Scientology-Mitgliedschaft die Gesundheit gefährdet.

Vor fünfzehn Jahren diskutierten die Innenminister schon einmal, ob Scientology zu verbieten sei; sie haben sich damals dagegen entschieden. Heute ist die Gesetzeslage günstiger, doch gleichzeitig hat die Bedrohung durch Hubbards Ideologen abgenommen - auch weil Staat, Parteien, Kirchen, Gewerkschaften konsequent und erfolgreich auf Aufklärung und Beobachtung der Szene gesetzt haben. Die Dämonisierung der schwächelnden Truppe als Staatsfeind würde nur einer Gruppe nützen: Scientology.

© SZ vom 07.12.2007/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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