Innenministerkonferenz:Länder lehnen mehr Macht für Verfassungsschützer ab

Protest gegen die "Megabehörde": Die Innenminister der Länder wehren sich gegen die Forderung des Bundes, das Bundesamt für Verfassungsschutz zu stärken. Die Beschlüsse und Streitpunkte der Innenministerkonferenz im Überblick.

Die Ermittlungspannen um die NSU-Morde wirken nach: Die Innenminister wollen Konsequenzen ziehen und bemühen sich auf der Innenmininisterkonferenz (IMK) um eine engere Zusammenarbeit zwischen Polizei- und Verfassungsschutzbehörden. Auch ein Vorschlag für die Finanzierung der Atommülltransport und eine neue Promillegrenze für Radfahrer sind Ergebnis der dreitägigen Konferenz in Hannover.

Die Länder lehnen eine vom Bund geforderte Stärkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz ab. "Es kann nicht sein, dass wir eine Megabehörde in Berlin haben, die anordnet, wie die Landessicherheitsbehörden zu arbeiten haben", sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD).

Auch die CDU-regierten Länder lehnten die Änderung ab, betonte sein Kollege Lorenz Caffier (CDU) aus Mecklenburg-Vorpommern. Dennoch verteidigte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich seine Pläne: In gravierenden Einzelfällen halte er dies für notwendig, so der CSU-Politiker.

Klarnamen von V-Leuten bleiben geheim

Einigung erzielten die Teilnehmer der IMK auch in Bezug auf die Einrichtung einer zentralen V-Leute-Datei. Klarnamen sollten aber nicht genannt werden, sagte der niedersächsiche Innenminster Boris Pistorius. Die Datei solle verhindern, dass mehrere V-Leute unterschiedlicher Dienste gleichzeitig tätig würden, so Pistorius, der zurzeit den Vorsitz der IMK innehat.

Außerdem verständigten sich die Innenminister auf gemeinsame Standards in der Führung von V-Leuten. "Nur so stellen wir sicher, dass diese V-Leute dem Verfassungsschutz dienen und nicht schaden." Pistorius verwies auf den Vertrauensverlust in der Bevölkerung durch die NSU-Mordserie, der zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen zum Opfer gefallen waren. "Um dieses Vertrauen zurückzugewinnen, geht von Hannover die Neuausrichtung des Verfassungsschutzes aus". In der Diskussion um die V-Leute-Datei war vor allem die Nennung der Klarnamen umstritten gewesen. Kritiker befürchteten, dass Informanten so gefährdet werden könnten.

Niedrigere Promillegrenze für Radfahrer

Weitere Ergebnisse der IMK im Überblick:

  • Bundesinnenminister Friedrich kündigte eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes an, um den besseren Informationsaustausch zu regeln. Die Änderung beinhaltet auch eine Verlängerung der Frist für die Aktenaufbewahrung. Diese beträgt gegenwärtig zehn Jahre.
  • Die Promillegrenze für Fahrradfahrer soll gesenkt werden. Wegen der besorgniserregenden Entwicklung der Unfallzahlen in diesem Bereich solle den zuständigen Verkehrs- und Justizministern eine "deutlich niedrigere Promillegrenze" empfohlen werden, sagte Pistorius. "Mit dem derzeit gültigen Grenzwert kann niemand sicher auf zwei Rädern unterwegs sein." Über einen konkreten neuen Grenzwert, ab dem auch Fahrradfahrern nach Alkoholgenuss der Führerschein entzogen werden könnte, wurde auf der Konferenz aber noch nicht beraten.
  • Die Länderinnenminister fordern, dass der Bund künftig die Sicherheitskosten für Atommülltransporte tragen soll. "Die Zwischenlagerung und die Endlagerung von Atommüll sind eine nationale Aufgabe", sagte Andreas Breitner (SPD), Innenminister von Schleswig-Holstein. Deutschland muss im französischen La Hague und im britischen Sellafield wiederaufbereiteten Atommüll aus deutschen Kernkraftwerken zurücknehmen: Dabei geht es um fünf Castoren aus Frankreich und 21 aus England. Schleswig-Holstein ist unter bestimmten Voraussetzungen bereit, einen Teil der Castoren am Atomkraftwerk Brunsbüttel zwischenzulagern, Baden-Württemberg hat dies für Philippsburg angeboten. Es braucht aber mindestens noch ein weiteres Land.
  • Streitpunkt ist nach wie vor das Thema Videoüberwachung. Während Bundesinnenminister Friedrich für die von Bayern geforderte Ausweitung der Kameratechnik ist, fürchten SPD-Politiker ein Übermaß an Überwachung.
  • Friedrich hatte außerdem eine Reform des Aufenthaltsgesetzes gefordert und legte während der IMK einen entsprechenden Entwurf vor. Friedrich will sogenannte Hassprediger und gewaltbereite Islamisten schneller aus Deutschland ausweisen.
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