Initiative mit Frankreich und Großbritannien:Schröder will EU-Superminister für Industrie

Die Regierung fordert einen Umbau der Kommission, um die EU-Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Der Kanzler möchte dazu das Amt eines "Superkommissars" schaffen, das Kompetenzen der Ressorts Binnenmarkt, Handel, Industrie und Soziales erhalten soll. Als möglicher Anwärter gilt SPD-Mann Günter Verheugen.

Von Ulrich Schäfer und Alexander Hagelüken

Diesen Plan möchte Gerhard Schröder (SPD) auf dem Dreier-Gipfel mit Briten und Franzosen am Mittwoch in Berlin vorstellen, erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus Regierungskreisen. Schröder, Großbritanniens Premier Tony Blair und Frankreichs Präsident Jacques Chirac kritisieren seit langem, dass die EU-Kommission bei ihren Gesetzesinitiativen zu selten auf die Interessen der Industrie achte.

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Wünscht sich eine Reform der EU-Kommission - und einen einflussreichen deutschen Kommissar: Bundeskanzler Gerhard Schröder

(Foto: Foto: dpa)

Bereits vor einem Jahr hatten sie einen Brandbrief nach Brüssel geschickt und "radikale Maßnahmen" für "eine international wettbewerbsfähige Industrie" verlangt. Die drei fordern, dass die Kommission ihre Vorschläge daraufhin überprüfe, wie sie sich auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitsplätze in einzelnen Branchen auswirkten.

Blockadehaltung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hatte deshalb immer wieder Initiativen der EU-Kommission blockiert, etwa die Pläne zum Übernahmerecht, zur Altauto-Richtlinie oder zur Abschaffung der staatlichen Mitsprache bei Volkswagen.

Ein Vorschlag zur Kontrolle zehntausender Chemikalien wurde erst nach massivem Druck der Regierung und der Wirtschaft so verändert, dass die Kosten für die Industrie von zwölf auf zwei Milliarden Euro sanken. Oftmals, so lautet die Berliner Kritik, wisse in Brüssel "die linke Hand nicht, was die rechte tut".

Der neue "Superkommissar" für Industrie und Wettbewerbsfähigkeit dagegen soll für eine "kohärente Politik" sorgen, wie es in Berlin heißt, und dazu beitragen, dass Europa bis zum Jahr 2010 tatsächlich zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt wird. Schröder, Chirac und Blair wollen die Neubesetzung der Kommission im Herbst zu einem umfassenden Umbau der Brüsseler Verwaltung nutzen.

Berliner Denkanstoß für Brüssel

In Berlin wird von einem "Denkanstoß" gesprochen, den die Drei bei ihrem Gipfel am Mittwoch geben wollen. Es gehe darum, die zersplitterten Interessen und Aufgabenbereiche "in einer Person zu bündeln". Welche exakten Kompetenzen der Industrieminister erhalten soll, ist noch offen. Er soll aber vor allem Aufgaben der bisherigen Kommissare Frits Bolkestein (Binnenmarkt), Margot Wallström (Umwelt), Pascal Lamy (Handel) und Erkii Likkanen (Industrie) erhalten.

In eine ähnliche Richtung gehen auch die Vorschläge, die fünf europäische Autobosse, darunter VW-Chef Bernd Pischetsrieder, am Mittwoch EU-Kommissionspräsident Romano Prodi unterbreiten wollen. Die Vertreter des europäischen Autohersteller-Dachverbandes ACEA kritisieren die aus ihrer Sicht zu starke EU-Regulierung und fordern deshalb eine Neuordnung der Kommission. Sie wollen gegenüber Prodi auf die anhaltende Krise in der Autobranche verweisen. "Dieser Vorstoß liegt voll und ganz auf unserer Linie, Anstrengungen für eine Revitalisierung der Industriepolitik in Europa voranzutreiben", sagte dazu eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.

Schröder: Deutscher Kommissar soll sich um Wirtschaft kümmern

Schröder hat intern wiederholt klargemacht, dass der künftig einzige deutsche EU-Kommissar ein wichtiges Wirtschaftsamt innehaben soll. Deshalb wird er versuchen, das Amt des neuen Superkommissars mit einem Deutschen zu besetzen und diesen Kandidaten auch zum Vize-Präsidenten der Kommission zu machen.

Erster Anwärter auf das Amt ist der bisherige Erweiterungskommissar Günter Verheugen (SPD). Verheugen hat zwar mehr Neigung zu einer außenpolitischen Position in der neuen EU-Kommission. Nach Ansicht Schröders würde die Bundesrepublik aber weit mehr davon profitieren, wenn er ein Wirtschaftsamt besetzen würde.

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