Industrie 4.0:Die zweite Chance

Im Internet-Geschäft hinken die Europäer hinterher. Doch nun steht die Digitalisierung der Produktion an, und da haben besonders deutsche Firmen gute Aussichten - wenn sie für ihre Technologie kämpfen.

Von  Caspar Busse

Kuka - das ist eine der vielen erfolgreichen mittelständischen Firmen, einer dieser "hidden champions", um die Deutschland so oft beneidet wird. Von Kuka war selbst US-Präsident Barack Obama bei seinem jüngsten Deutschland-Besuch beeindruckt. Das Unternehmen, das am Stadtrand von Augsburg seinen Sitz hat, ist einer der weltweit größten Hersteller von Industrierobotern. Es hat mehr als 12 000 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von drei Milliarden Euro im Jahr. So unbekannt die Firma in der Öffentlichkeit sein mag, so groß sind die Erfolge der Schwaben. Auf der Hannover-Messe im April führte Firmenchef Till Reuter seine Maschinen auch Obama vor.

Deutsche Firmen sollten ihre Spitzen-Technologie verteidigen

Industrie 4.0 heißt das Schlagwort dazu, also die Digitalisierung und Vernetzung der gesamten Produktion. Intelligente Maschinen, auch von Kuka, sind für die Fabrik der Zukunft, in der alles mit allem verbunden sein wird, ein entscheidender Bestandteil. Hierauf ruht die Hoffnung Merkels und der gesamten Industrie. Nachdem US-Konzerne wie Google, Facebook und Amazon im Internet-Geschäft mit den Endverbrauchern unerreichbar enteilt sind, setzen die Europäer - insbesondere die Deutschen - nun auf ihre Chance bei der bevorstehenden zweiten Welle, nämlich der Digitalisierung der Produktion. Tatsächlich stehen ihre Aussichten nicht schlecht. Die industrielle Basis hierzulande ist groß, die Maschinenbauer, die Auto- und die Chemieindustrie sind weltweit (noch) führend.

Vor diesem Hintergrund ist die geplante Übernahme von Kuka durch den chinesischen Haushaltsgeräte-Konzern Midea durchaus eine Gefahr. Es ist gut, dass sie nun so große Unruhe auslöst. Die Unternehmen aus dem staatlich gelenkten China verfügen über viel Geld, expandieren aggressiv, suchen das, was ihnen fehlt, etwa wichtige Technologie. Sie haben in der Vergangenheit viele Unternehmen übernommen oder sich an ihnen beteiligt, zum Beispiel Autozulieferer, Baumaschinenhersteller oder Gabelstaplerproduzenten. Bei Kuka aber liegt der Fall anders.

Falls das Unternehmen aus Augsburg wirklich mehrheitlich an chinesische Investoren geht, könnte durchaus ein Ausverkauf wichtiger deutscher - und damit zugleich europäischer - Technologie drohen. Sollte dieser Einzelfall dann auch noch Schule machen, würde die Zukunftsfähigkeit der EU leiden. Es geht am Ende darum, ob Europa ein weiteres Mal in puncto Digitalisierung den Anschluss verliert und zuschauen muss, wie andere große Geschäfte machen.

Gerade im Internet gibt es eine fatale Tendenz zur Größe und zum Monopol. Der Anbieter, der als erster erfolgreich ist, wird schnell immer mächtiger, die Kleinen werden an die Seite gedrängt und rasch bedeutungslos. Daten sind dabei die neue Währung in der Online-Welt. Je mehr ein Unternehmen sammelt, desto erfolgreicher wird es. Das war bei Google oder Facebook so, die Konzerne häufen riesige Datenbestände an, die ihnen große Macht geben. Das könnte nun bei der Digitalisierung der Industrie wieder so geschehen. Außerdem wächst speziell in der Autoindustrie der Widerstand gegen eine Übernahme von Kuka durch Chinesen. Die Autofirmen sind einer der wichtigsten Abnehmer der Industrieroboter aus Augsburg. Sie wollen nicht, dass ihre Produktionsinterna in fremde Hände fallen.

Mit Recht ist die Politik wegen des Falls Kuka alarmiert. Der für Digitales zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger weist darauf hin, dass das Unternehmen eine besondere Bedeutung für die digitale Zukunft der europäischen Industrie habe. Er wünscht sich eine europäische Lösung. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel reagiert mit Sorge und hat deswegen bereits mit dem Kanzleramt darüber gesprochen. Industrielles Know-how müsse hier bleiben, sagt er.

Es ist richtig, dass Gabriel und Oettinger Alarm schlagen. Einen Verkauf aber können sie kaum verhindern. Kuka ist eine börsennotierte Firma, deren Aktien frei gehandelt werden. Das Außenwirtschaftsgesetz greift wohl nicht, da Sicherheitsbelange der Bundesrepublik kaum betroffen sind. Deutschland ist ein Land, das von der freien Weltwirtschaft lebt, die Politik hat deshalb immer gut daran getan, sich zurückzuhalten und nicht direkt zu intervenieren. Dass eine offensive Industriepolitik und Protektionismus in eine Sackgasse führen, ist in vielen Ländern zu beobachten.

Und doch: Wo sind eigentlich Unternehmen oder Investoren aus Deutschland oder Europa, die in Zukunftsfirmen wie Kuka investieren? Warum steigen Siemens oder die deutschen Autobauer nicht ein? Nicht aus Patriotismus, sondern weil es ein gutes Geschäft mit der Zukunft ist und weil es in ihrem Interesse wäre.

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