Indonesien:85 Peitschenhiebe für Sex

Two Indonesian men, who were later sentenced to 85 lashes of the cane for having sex together, are escorted by police into an Islamic court in Banda Aceh, Aceh province

Ein Polizist begleitet die beiden jungen Indonesier in Banda Aceh in den Gerichtssaal. Am Mittwoch wurden sie verurteilt.

(Foto: Junaidi Hanafiah/Reuters)

Richter verurteilen zwei Homosexuelle erstmals zu einer Prügelstrafe - und betonen, dass es sich sich noch um ein mildes Urteil gehandelt habe.

Von Arne Perras

Der Ankläger forderte 80 Stockschläge, doch die Richter setzten in ihrem Urteil noch fünf weitere drauf. 85 Hiebe mit dem dünnen Rattanstock als Strafe für gleichgeschlechtlichen Sex. So lautete in dieser Woche ein drakonisches Urteil in der indonesischen Provinz Aceh gegen zwei Männer, das scharfe Kritik von Menschenrechtsgruppen provozierte.

Das "Institute for Criminal Justice Reform" (ICJR) nannte das Urteil "unmenschlich und erniedrigend". Es werde die Homophobie im Land weiter steigern, warnte die nicht staatliche Organisation in Jakarta. "Jeder Mensch hat ein Recht auf Privatsphäre und auf einvernehmliche Beziehungen", protestierte Josef Benedict, Vize-Direktor von Amnesty International in Asien. Die Kritik dürfte allerdings kaum verhindern, dass das Urteil rasch vollstreckt wird. Am Dienstag sollen in Banda Aceh alle Bewohner zusehen können, wie die beiden Männer verprügelt werden.

Eine sogenannte Bürgerwache hatte den zwei Indonesiern im März aufgelauert und war in ihr Zimmer eingedrungen. Die selbsternannten Tugendwächter zerrten die beiden aus dem Bett, nahmen sie gefangen und übergaben sie den Behörden. Um den mutmaßlichen Gesetzesverstoß zu belegen, drehten sie Videos von den Überfallenen, die 20 und 23 Jahre alt sind. Eines zeigte einen verzweifelten nackten Mann, der panisch in sein Handy sprach, um Hilfe zu rufen. In anderen Szenen war zu sehen, wie Mitglieder der Gang auf die hilflosen Männer einschlugen. Die Angreifer müssen die Justiz kaum fürchten.

Die Zentralregierung in Jakarta hat der Provinz Aceh die Scharia-Gesetze 2006 erlaubt

Einer der drei Richter erklärte, sie hätten im Falle der beiden Angeklagten noch Milde walten lassen, weil sie sich im Prozess höflich gezeigt hätten und kooperierten. Ein Gesetz von 2014 sieht eine Höchststrafe von 100 Stockschlägen für gleichgeschlechtlichen Sex oder sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe vor.

Im Jahr 2016 wurde die Prügelstrafe in Aceh in 339 Fällen vollstreckt, unter anderem für illegales Glückspiel. Gleichgeschlechtlicher Sex wird nun zum ersten Mal in der Provinz durch Stockhiebe geahndet. Die Härte, mit der die Justiz in Aceh richtet, wird von vielen auch als politisches Zeichen gedeutet. Die Führung in Aceh will beweisen, dass die Provinz als Bollwerk der Scharia taugt und keine Vergehen gegen die drakonischen Gesetze duldet. Aceh ist die einzige indonesische Provinz, die solche Strafen einführen durfte, die Zentralregierung in Jakarta erlaubte das schon 2006. Ihr politisches Kalkül war offenbar, künftige Unabhängigkeitsbestrebungen im Norden Sumatras zu schwächen, weil Separatisten nicht mehr den Ruf nach strikten religiösen Gesetzen vorbringen können, um eine Abspaltung vom Vielvölkerstaat zu forcieren.

Andererseits befürchten gemäßigte Kräfte in Jakarta und anderen indonesischen Provinzen, dass Aceh die Rolle eines ideologischen Brückenkopfes übernimmt und so einer weiteren Verbreitung von Scharia-Gesetzen den Weg ebnen könnte. Die Hetze gegen Minderheiten nutzen radikale Islamisten als Mittel, um sich als Wächter über einen angeblich reinen Islam aufzuschwingen und die Deutungshoheit über die Religion für sich zu reklamieren. In Indonesien sind Pluralismus und Toleranz traditionell zwar stark verankert, doch machen Hardliner Stimmung gegen religiöse und sexuelle Minderheiten. Mit diesen Methoden war es ihnen kürzlich gelungen, dem christlichen Gouverneur von Jakarta, Ahok, ein Blasphemie-Verfahren anzuhängen. Das Gericht sprach ihn schuldig, er muss für zwei Jahre ins Gefängnis.

Sowohl im Verfahren gegen Ahok als auch im Scharia-Prozess in Aceh gingen die Richter über die Forderungen der Anklage hinaus. Andreas Harsono, Indonesien-Experte von Human Rights Watch, glaubt darin schon einen Trend zu erkennen. Die Justiz zeige sich zunehmend konservativ in ihren Urteilen, sagt Harsono.

Nicht nur in Indonesien, auch in Malaysia werden Rufe nach harten Scharia-Strafen lauter. Die Debatten werden dort nun auch den Wahlkampf mitbestimmen, in dem der von Korruptionsskandalen belastete Premier Najib Razak seine Macht absichern will. Der Streit um die Scharia spaltet die Opposition und spielt so dem Amtsinhaber in die Hände.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: