Indonesien:Partner mit Reibungsfläche

Doris Leuthard, Joko Widodo

Wild entschlossen, Indonesien zu reformieren: Präsident Joko Widodo.

(Foto: Tatan Syuflana/AP)

Der indonesische Präsident Joko Widodo kommt nach Berlin. Er will sein Land in Richtung Westen öffnen.

Von Arne Perras, Singapur

In der asiatischen Politik gibt es in der Regel zwei Pfade, die zum Gipfel der Macht führen. Entweder schaffen es Kandidaten nach oben, die im Schoß einer politischen Dynastie groß geworden sind. Oder sie entstammen einer etablierten Parteienelite, mit engen Verbindungen in die ökonomische Oberschicht. Joko Widodo, den die Indonesier nur "Jokowi" nennen, hat keinen dieser Wege beschritten. Der 54-Jährige hat es als Außenseiter ins Präsidentenamt des drittgrößten Landes Asiens geschafft.

Nun kommt er nach Berlin, um die Kanzlerin, den Bundespräsidenten und Unternehmer zu treffen. Danach reist er weiter nach Großbritannien, Belgien und die Niederlande. Die Europäer werden einen Mann erleben, der wild entschlossen ist, sein Land zu reformieren. Doch noch ist offen, wie viel er wirklich stemmen kann.

Den früheren Möbelfabrikanten Jokowi hat eine große Sehnsucht der Massen nach oben befördert. Angewidert von ihrer abgehobenen Elite, wählten die Indonesier 2014 einen Mann, dem sie zutrauten, das verkrustete System aufzubrechen. Als Bürgermeister von Solo hatte er im Kleinen vorgemacht, wie das geht. Er packte an und blieb bescheiden. Später wiederholte er das Experiment in Jakarta. Er lehrte faule und korrupte Beamte das Fürchten, erwies sich als unbestechlich.

Der frühere Möbelfabrikant hat große Erwartungen geweckt, die er noch nicht erfüllt hat

Doch nach seinem Sieg bei den nationalen Wahlen war seine Bühne eine andere: Einen unübersichtlichen Vielvölkerstaat mit 250 Millionen Menschen musste er lenken. Gewaltige Erwartungen lasteten auf seinen Schultern, die er über Nacht nicht erfüllen konnte. Nach 16 Monaten im Amt ist die Begeisterung abgekühlt. Jokowis Gegner tönen, die Präsidentschaft sei eine Nummer zu groß für den schlaksigen Familienvater, der in seiner Freizeit am liebsten Heavy Metal hört. Seine Anhänger behaupten, Jokowis Eifer sei ungebrochen. Er brauche einfach mehr Zeit, um den Filz zu beseitigen.

Die Zerstörung indonesischer Wälder ist nur eines der drängenden Probleme, die Jokowi beheben muss. Kurz vor Abflug nach Europa erregte er mit der Ankündigung Aufsehen, er wolle ein Moratorium für neue Palmöl-Konzessionen durchsetzen, um den Urwald zu retten. Das klang mutig. Aber auch das muss er erst durchsetzen.

Jokowi führt ein Land, das sich lange mit sich selbst beschäftigt hat. Nun sieht es so aus, als entdecke er die Außenpolitik neu. Das kann den Europäern nutzen, weil Indonesien als Demokratie ein natürlicher Partner ist und auch als Markt lockt. Das Potenzial sei riesig, ist zu hören. Das klingt ermutigend, auch wenn Zyniker darin eher eine Umschreibung für verpasste Gelegenheiten erkennen. Nun also ein neuer Anlauf: Joko Widodo kommt, um Investoren zu gewinnen. Er hat Sympathien für Deutschland, früher fuhr er oft nach Köln, um dort die Möbelmesse zu besuchen.

Im Feld der Sicherheitspolitik ist Jokowi ein wichtiger Verbündeter. Jakarta hat beachtliche Erfolge im Kampf gegen den Terror vorzuweisen. Die indonesischen Muslime besinnen sich, trotz arabischer Einflüsse, stark auf ihre asiatischen Wurzeln. Das nährt Hoffnungen, dass es gut gewappnet ist gegen Intoleranz und Extremismus.

Reibungspunkte bleiben. Als Jokowi 2015 die Vollstreckung zahlreicher Todesurteile verteidigte, entsetzte das viele. Vielleicht half es aber auch, Missverständnisse auszuräumen. Wer dachte, dass sich dieser Mann ein westlich-europäisches Modell zum Vorbild nehme, hat sich getäuscht. Jokowi geht eigene Wege. Und selbst wenn er Kredit im Ausland verspielt, erscheint er zu Hause immer noch als unbeugsamer Präsident.

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