Indien:Metropolis auf dem Acker

Zehn Mal so groß wie Hamburg, 30 Milliarden Dollar teuer: Indien will mit Amaravati innerhalb eines Jahrzehnts eine Hightech-Stadt aus dem Boden stampfen.

Von Arne Perras

Der Name klingt schillernd und geheimnisvoll. Amaravati, so hieß einst der Sitz eines längst versunkenen indischen Königreichs. Der Ort verkörpert Geschichte, bislang zumindest, denn nun verbinden viele Inder mit dem Namen auch einen ehrgeizigen Plan für die Zukunft. Amaravati wird gerade wiedergeboren als Sehnsuchtsort des Aufstiegs. Eine Hightech- Metropole soll dort in den Himmel wachsen, zehn Mal so groß wie Hamburg, errichtet auf bloßem Acker.

Indiens Premier Narendra Modi persönlich hat den Grundstein gelegt. Die neue Stadt wird gebraucht, weil der Bundesstaat Andhra Pradesh in zwei Einheiten aufgeteilt wurde - und nun jeder eine eigene Hauptstadt benötigt. Das Projekt passt zu Modis Plänen, Indien stärker zu urbanisieren. Nicht weniger als 100 Städte will er in sogenannte Smart Citys, clevere Städte also, verwandeln, teils sollen alte Zentren durch neue Satelliten erweitert werden. Modis Kritiker indes halten den Ruf nach den Smart Citys nur für einen Slogan. Doch in Amaravati wird man beobachten können, was das architektonische Zukunftslabor tatsächlich hervorbringt. Die Pläne haben Experten aus Singapur entworfen, der Staat wird dafür allein im ersten Jahrzehnt geschätzte 30 Milliarden Dollar benötigen, dann soll Amaravati im Kern stehen, mitsamt den wichtigsten Regierungsgebäuden. Der Stadtstaat Singapur dient dabei als Vorbild, manche sehen darin schon die Antithese zum wild wuchernden urbanen Dickicht, das in Indiens Metropolen sprießt. 2050 dürfte Indien mit mehr als 1,6 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Welt sein, die Hälfte von ihnen werden dann in Städten leben, rechnen die Vereinten Nationen vor.

Schon jetzt haben die Bewohner der Ballungszentren mit dem Chaos verstopfter Straßen zu kämpfen, mit verpesteter Luft, den Müllbergen und einem Mangel an sauberem Wasser. Die Abgaswerte in Delhi sind ähnlich bedrohlich wie die in Peking. Und die Aussichten gelten als schlecht, die Gesundheitsgefahren in den verbauten Zentren bald zu mindern.

Neue Städte, neue Chancen? Amaravati soll als urbane Oase aufblühen, mit "großen grünen Räumen" am Ufer des Flusses Krishna, wie es heißt. Lebenswert, einfallsreich und durchzogen von einem Verkehrsnetz, durch das Staus minimiert und Smog vermieden werden soll. "Die ganze Welt soll einmal neidisch auf Amaravati sein", so fasste ein Reporter die neue Sehnsucht nach der Traum-Kapitale zusammen. Dass die Planer mit dem Namen Amaravati an das buddhistische Erbe anknüpfen, soll helfen, Investoren in Fernost zu interessieren. Auch Modis Zentralregierung wird Geld zuschießen. Ob das alles reicht, ist nicht sicher.

Längst mischen sich auch skeptische Töne in die euphorische Zukunftsfanfare. Es gibt Streit um Waldgebiete, die offenbar weichen müssen. Bauern protestieren, dass der Ministerpräsident von Andhra Pradesh, Chandrababu Naidu, einseitig Unternehmer fördere. Der Regierungschef kontert, viele Bauern hätten ihr Land gerne gegeben, weil sie dafür an der Entwicklung der neuen Stadt beteiligt würden. Amaravati werde als "Volkshauptstadt" glänzen, verspricht Naidu. Ganz Indien dürfte nun verfolgen, ob das Experiment gelingt.

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