Indien:Aufruhr in Bollywood

Indien: Amitabh Bachchan ist der wohl größte Star der indischen Filmindustrie.

Amitabh Bachchan ist der wohl größte Star der indischen Filmindustrie.

(Foto: AFP)

In Indien taucht ein bekannter Schauspieler in den Dokumenten auf - aber nicht nur er.

Von Tobias Matern

Es ist eine ungewohnte Rolle für ihn, er fühlt sich als Opfer. Das ist eine gänzlich neue Erfahrung für Amitabh Bachchan, einen der größten, wenn nicht der größte Bollywood-Star. Schon seit dem Epos "Shabhoy", das vor mehr als 40 Jahren entstand, ist er in Indien ein Leinwandheld, der sich bereits in der Politik versucht hat, noch immer millionenschwere Werbedeals erzielt und jahrelang die indische Version der Quizsendung "Wer wird Millionär?" moderiert hat.

Da habe wohl jemand seinen Namen gestohlen, ohne dass er selbst etwas davon gewusst habe, beteuert Bachchan. Er habe nichts mit dubiosen Offshore-Geschäften zu tun, wie es in den Panama Papers steht, er sei nicht der Geschäftsführer von Briefkastenfirmen, versichert der 73-Jährige. Bachchan sagt, seine Identität sei missbraucht worden. Alle Fragen sollten die Medien direkt an die indische Regierung richten. Denn als "gesetzestreuer Bürger" habe er dorthin alle Antworten geschickt.

500 Namen aus der einwohnermäßig bald größten Nation der Welt tauchen in den Panama Papers auf: Geschäftsleute, ein umstrittener Politiker, Schauspieler. Auch Bachchans Schwiegertochter Aishwarya Rai findet sich in den Daten, ebenfalls eine prominente Schauspielerin; sie ist die Miss World von 1994. Und auch sie versichert, unschuldig zu sein und keine illegalen Geschäfte getätigt zu haben.

Laut den Panama Papers wurde Rai im Mai 2005 Geschäftsführerin einer Firma, die auf den Britischen Jungferninseln registriert war. Einen Monat später wurde sie Anteilseignerin - verbunden mit dem Wunsch, ihren Vornamen in den Dokumenten künftig aus Gründen der "Vertraulichkeit" abzukürzen.

Der Name ihres Schwiegervaters wiederum taucht bei vier Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln und den Bahamas als Geschäftsführer auf. Der Indian Express, der an der weltweiten Recherche zu den Panama Papers beteiligt ist, berichtete nach der ersten Stellungnahme des Superstars noch über weitere Dokumente, die belegen sollten, dass Bachchan sich aktiv eingebracht habe: Bei zwei der genannten Firmen soll er demnach telefonisch an Vorstandssitzungen teilgenommen haben.

Die Panama Papers werfen Schlaglichter auf zwei Bereiche, die den Alltag der Menschen auf dem Subkontinent stark prägen: auf das milliardenschwere Geschäft der indischen Filmindustrie - und auf Schwarzgeld. Dass sich hinter den Kulissen der Traumfabrik Bollywoods zwielichtige Geschäftsmodelle verbergen, ist auf dem Subkontinent ein offenes Geheimnis. In einer vor Jahren von Wikileaks veröffentlichten Depesche kamen US-Diplomaten zu der Einschätzung, dass die Filmindustrie "auch Kapital von Gangstern und Politikern verwendet, die nach Wegen suchen, um ihre unrechtmäßig erworbenen Gewinne zu waschen".

Auch der Kampf gegen Schwarzgeld ist seit Jahren eines der beherrschenden Themen in der indischen Wirtschaftspolitik. Denn in vielen Bereichen der Wirtschaft wird nach wie vor bar bezahlt. Nach den jüngsten Enthüllungen will die Regierung in Delhi das Thema nun mit neuem Schwung angehen. Finanzminister Arun Jaitley lässt eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern verschiedener Steuerbehörden und der indischen Notenbank RBI gründen. Das Ziel: Steuersünder identifizieren und bestrafen. "Ich denke, es ist eine gute Entwicklung, dass es diese Art von Enthüllungen gibt. Die Arbeitsgruppe wird jedem Fall nachgehen", sagt Jaitley über die Panama Papers. Am Dienstag wurde publik, dass die Steuerermittler alle 500 Inder, die in den Panama Papers auftauchen, vorladen wollen; sie sollen unter Eid aussagen.

Wie viel dem indischen Staat an Steuereinnahmen entgeht, zeigt eine Untersuchung der Organisation Global Financial Integrity: Im Zeitraum von 2004 bis 2013 wurden demnach jährlich etwa 51 Milliarden Dollar aus Indien verschoben. Die Organisation erforscht weltweit, wie verbreitet Schwarzgeld ist; sie listet Indien in ihrem aktuellsten Bericht direkt hinter China, Russland und Mexiko an vierter Stelle.

Für Premierminister Narendra Modi ist es ein zentrales Ziel, die Korruption und das Schwarzgeldsystem härter zu bekämpfen. Seine Regierung setzte Steuerflüchtlingen vor einiger Zeit eine 90-Tage-Frist: Im Gegenzug für eine Amnestie sollten die Säumigen 60 Prozent Strafe zahlen, wenn sie ihr Geld aus dem Ausland zurück nach Indien brachten. Doch das Programm brachte nicht den erhofften Erfolg, es flossen umgerechnet nur etwa 330 Millionen Euro zurück.

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