Incirlik:Besuchsrecht und andere Bedingungen

Die Koalition zweifelt, ob sie die Luftwaffenbasis Incirlik weiter nutzen soll und macht verfolgten Türken ein Angebot.

Von S. Braun und C. Hickmann, Berlin

In der schwarz-roten Koalition wachsen die Zweifel, ob es richtig ist, den deutschen Beitrag zum Einsatz der internationalen Anti-IS-Koalition weiter über die türkische Luftwaffenbasis Incirlik zu organisieren. Das geht aus einer geplanten Protokollnotiz hervor, die der für Ende der Woche geplanten Mandatsverlängerung angehängt werden soll. In dem Zusatzprotokoll sollen vor allem zwei Punkte festgehalten werden: Erstens soll die Verlängerung des Mandats nur gelten, wenn Besuche deutscher Abgeordneter in Incirlik künftig ohne Probleme oder Behinderungen durch die türkische Regierung möglich sind. Und zweitens soll die Regierung aufgefordert werden, in der Region nach alternativen Standorten für die deutschen Tornados zu suchen. Schließlich könnte in der Protokollnotiz auch der beschlossene, aber von Ankara derzeit auf Eis gelegte Ausbau des Stützpunkts für die Deutschen zu einer Bedingung für die Verlängerung gemacht werden. Bis Dienstagnachmittag hatten einige Abgeordnete auch eine Verlängerung unter diesen Bedingungen infrage gestellt: Insbesondere die Verteidigungsexperten der SPD drangen darauf, noch nicht über die Verlängerung zu entscheiden. Sie konnten sich jedoch in der Sitzung der SPD-Fraktion nicht durchsetzen.

Nach jetziger Planung soll das Zusatzprotokoll vom Außen- und vom Verteidigungsministerium abschließend formuliert werden. Das macht deutlich, wie sehr die Koalition mit Blick auf die Lage in der Türkei mit dem Einsatz hadert. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte am Dienstag, man solle alternative Standorte zur Basis Incirlik prüfen und gegebenenfalls alles vorbereiten, um dorthin auszuweichen. Schließlich könne es angesichts der Entwicklungen künftig schwierig werden, das Mandat zu verlängern.

Den Verteidigungsexperten der SPD ging das am Dienstag nicht weit genug; sie warben dafür, die Abstimmung über das Mandat selbst zu verschieben. Oppermann lehnte dies vor Beginn der Fraktionssitzung jedoch ab. "Ich glaube nicht, dass die Situation dadurch einfacher wird", sagte er. Der Verteidigungspolitiker Thomas Hitschler hingegen sagte: "Es gibt einfach noch zu viele offene Fragen, die eine so weitreichende Entscheidung in dieser Woche erschweren." In der Fraktionssitzung warb dann allerdings Außenminister Frank-Walter Steinmeier für eine Verlängerung des Mandats: Alles andere wäre ein schwerer außenpolitischer Fehler, sagte er sinngemäß laut Teilnehmern. Man schade damit nicht der Türkei, sondern sich selbst.

Es folgte eine kontroverse, ausführliche Debatte, an deren Ende jedoch eine große Mehrheit dafür stand, das Mandat zu verlängern - und zusätzlich die Protokollnotiz zu verabschieden. An der grundsätzlichen Kritik des Auswärtigen Amtes am Vorgehen der türkischen Regierung gegen Opposition und Journalisten änderte Steinmeiers Werben allerdings wenig. So erklärte Staatsminister Michael Roth, im Auswärtigen Amt für Europapolitik zuständig, was in der Türkei geschehe, habe "mit unseren Vorstellungen von europäischen Werten, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Medienfreiheit nichts mehr zu tun".

Eines wollte Roth in seinem Interview mit der Zeitung Die Welt besonders zum Ausdruck bringen: dass die Bundesrepublik offen sei für alle, die in der Türkei politisch verfolgt würden. "Sie können in Deutschland Asyl beantragen. Das gilt nicht nur für Journalisten. Dafür gibt es unser Recht auf Asyl." Damit wiederholte Roth zwar nur, was ohnehin geltendes Recht ist. Trotzdem wurden seine Worte für einen kurzen Moment als besonderes Angebot an alle Verfolgten gewertet. Also als Signal, dass Deutschland bereit sein könnte, verfolgten Türken auf besonderem Weg Zuflucht zu gewähren. Das, so heißt es aus dem Auswärtigen Amt, sei jedoch nie bezweckt gewesen. Bislang ist die Zahl der Anträge nicht dramatisch hoch, aber deutlich angestiegen. So haben in diesem Jahr bislang 3800 Türken einen Asylantrag gestellt. Im gesamten Jahr 2015 waren es rund 1800 Anträge.

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