In Türkei inhaftierter Journalist:Yücel lehnt "schmutzige Deals" für seine Freilassung ab

Deniz Yücel

Deniz Yücel im Sommer 2016 bei der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner".

(Foto: dpa)
  • Deniz Yücel hat sich in einem schriftlichen Interview mit der dpa ausführlich zu seiner Haft geäußert.
  • Der deutsch-türkische Journalist lehnt es darin ab, mit Hilfe "schmutziger Deals" zwischen deutscher und türkischer Regierung freizukommen.

Der seit elf Monaten in der Türkei inhaftierte Welt-Korrespondent Deniz Yücel lehnt einen möglichen Tauschhandel zwischen der deutschen und der türkischen Regierung für seine Freilassung ab. "Für schmutzige Deals stehe ich nicht zur Verfügung", teilte Yücel in einem schriftlich über seine Anwälte geführten Interview mit der Nachrichtenagentur dpa mit. Er wolle seine Freiheit nicht "mit Panzergeschäften von Rheinmetall oder dem Treiben irgendwelcher anderen Waffenbrüder befleckt wissen". Auch wolle er keinen etwaigen Austausch mit Anhängern der Gülen-Bewegung, nach denen die Türkei fahndet.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte dem Spiegel kürzlich gesagt, die Türkei sei zwar Nato-Partner. "Trotzdem hat die Bundesregierung eine sehr große Anzahl von Rüstungsexporten nicht genehmigt. Dabei wird es auch bleiben, solange der Fall Yücel nicht gelöst ist." Danach sagte Gabriel, er habe damit nicht gemeint, dass die Bundesregierung Rüstungslieferungen als Reaktion auf eine Freilassung Yücels genehmigen würde. "Ich habe keinesfalls die beiden Dinge miteinander verbunden", sagte er. Der Fall Yücel ist der größte Streitpunkt im angespannten Verhältnis mit der Regierung in Ankara.

Yücel sagte, es gehe ihm gut. Seine Isolationshaft - "eine Foltermethode" - sei zwar nicht aufgehoben, aber gelockert worden. "Dafür gibt es an anderer Seite eine Verschlechterung: Meine Frau Dilek kann ich, im besten Fall, für eine Stunde im Monat ohne Trennscheibe sprechen. Zuvor wurden wir dabei nur von außen beobachtet. Doch neuerdings sitzt ein Vollzugsbeamter im Raum." Zur Frage, warum es immer noch keine Anklageschrift gegen ihn gebe, sagte der deutsch-türkische Journalist: "Entweder die Staatsanwaltschaft hat mich vergessen. Oder sie hat noch keine Anweisung dazu erhalten."

Zur Argumentation der türkischen Regierung, die Justiz des Landes sei unabhängig, schrieb Yücel: "Es ist eine Lüge, dass die türkische Regierung in meinem Fall und im Fall vieler türkischer Kollegen bloß interessierter Beobachter sei." Das Justizministerium habe sich in Stellungnahmen an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie ans türkische Verfassungsgericht den Vorwürfen aus dem Hafturteil angeschlossen. "Die Regierung ist kein Zuschauer, sie ist Partei, auch ganz offiziell."

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hatte vergangene Woche gesagt: "Deniz Yücel ist kein politisch motivierter Fall." Der Streit um den Journalisten "vergiftet unsere Beziehungen", er könne sich aber deswegen nicht in die Angelegenheiten der unabhängigen Justiz einmischen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte Yücel vorgeworfen, ein "deutscher Agent" und ein "Terrorist" zu sein.

"Ganz besonders dankbar bin ich den vielen Menschen, die mir schreiben"

Yücel äußerte sich auch zu einem kürzlich erlassenen Notstandsdekret, wonach Untersuchungshäftlinge, die wegen Terror- oder Putschvorwürfen angeklagt sind, demnächst in Gefangenenuniform vor Gericht erscheinen sollen. "Was mit dieser Maßnahme bezweckt wird, ist glasklar: öffentliche Demütigung und Vorverurteilung. Mir ist persönlich egal, wie irgendwelche putschistischen Ex-Offiziere darauf reagieren", sagte er. "Aber ich werde diese Uniformen garantiert nicht anziehen."

Der 44-Jährige dankte für die Solidarität. Er sei "allen sehr dankbar", die ihm die Sorge genommen hätten, im Gefängnis in Vergessenheit zu geraten. Ausdrücklich nannte er die Welt, den Axel-Springer-Verlag, den Freundeskreis #FreeDeniz und Kollegen aus anderen Redaktionen. "Und ganz besonders dankbar bin ich den vielen Menschen, die mir schreiben, selbst wenn mir nur wenige Briefe zugestellt werden."

Der Journalist war am 14. Februar 2017 in Istanbul festgenommen worden. Am 27. Februar wurde er wegen des Verdachts der "Terrorpropaganda" und der "Aufwiegelung der Bevölkerung" in Untersuchungshaft genommen. Seitdem sitzt er ohne Anklage im Gefängnis in Silivri westlich von Istanbul.

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