In Erklärungsnot:Oettinger im Privatjet

EU-Kommissar Günther Oettinger verstößt offenbar gegen den Ethik-Kodex der Kommission, weil er sich zu einem Flug hat einladen lassen.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Nach seinen umstrittenen Äußerungen über Chinesen und Homosexuelle ist EU-Kommissar Günther Oettinger erneut in Erklärungsnot geraten. Die Grünen im Europäischen Parlament warfen ihm vor, mit einem Flug im Privatjet des deutschen Geschäftsmanns und russischen Honorarkonsuls Klaus Mangold gegen Ethikregeln der Kommission verstoßen zu haben. Oettinger wies dies zurück.

Eine Sprecherin des Kommissars erklärte, dass er am 19. Mai 2016 auf Einladung der ungarischen Regierung zu einer Konferenz nach Budapest geflogen sei. Am Vorabend habe Oettinger auf seine Initiative hin ein Arbeitsessen mit Ungarns Premier Viktor Orbán gehabt. Um pünktlich zu diesem Treffen zu kommen, sei der Flug mit Mangold der einzige Weg gewesen (auch das wiederum: ein Vorschlag der ungarischen Regierung). Nach Darstellung der Kommission habe Oettinger wegen Terminen in Brüssel keinen Linienflug nehmen können. Ob der Mitflug bei Mangold von Ungarn beglichen worden sei, habe man nicht explizit erfragt. Es blieb also offen, ob letztlich Mangold für die Reise des EU-Kommissars bezahlte. Die Ethikregeln der Kommission verbieten eine Annahme von Geschenken, deren Wert 150 Euro übersteigt. Der Wert des Fluges in Mangolds Privatjet dürfte über dieser Schwelle liegen. Die Grünen-Abgeordneten Rebecca Harms und Benedek Jávor hatten ihre parlamentarische Anfrage im Juli gestellt. "Oettinger hat die Ethikregeln der EU-Kommission ignoriert", sagte Harms. Es sei bedenklich, "wenn sich ein EU-Kommissar von einem Kreml-nahen Lobbyisten in einem Privatjet durch Europa fliegen lässt und das völlig normal findet".

Die beiden Europaabgeordneten hatten mit ihrer Frage an den Kommissar auf einen Bericht des ungarischen Onlinemagazins 444 vom Juni reagiert. Darin hieß es auch, Oettinger habe über das Nuklearprojekt Paks mit Orbán gesprochen. "Hab ich nicht", erklärte der EU-Kommissar nun via Twitter. Das Paks-II-Projekt sieht den Ausbau von Ungarns Atomkraftwerk mit Hilfe der russischen Firma Rosatom vor. Der Kreml unterstützt Ungarn bei dem Bau mit einem Zehn-Milliarden-Euro-Kredit.

Der Digitalkommissar soll zum Jahreswechsel die Ressorts Haushalt und Personal übernehmen. Unklar ist, ob sich Oettinger dazu einer neuen Befragung durch das Parlament unterziehen muss. Harms fordert wegen der Privatjet-Affäre eine Anhörung im Parlament: "Er wird sich sehr unangenehmen Fragen stellen müssen."

Oettinger war bereits vor drei Wochen wegen einer Rede vor Unternehmern in Hamburg unter starken Druck geraten. Mit Blick auf die Konkurrenz aus China hatte er von "Schlitzohren und Schlitzaugen" gesprochen. Außerdem spekulierte er über die Einführung einer "Pflicht-Homoehe" in Deutschland. Nach einer Woche entschuldigte sich Oettinger dafür.

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