Humanitäre Katastrophe:Das neue Sorgenkind heißt Uganda

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Vor kurzem war es der Sudan - jetzt spielt sich nach Angaben der UN die größte menschliche Katastrophe in Uganda ab. Und wieder droht sich niemand dafür zu interessieren.

Von Michael Bitala

Man sollte Kriege nicht vergleichen, nicht aufrechnen, wo es mehr Tote, mehr Vertriebene gibt und wo die größeren Gräueltaten begangen werden. Das birgt die Gefahr der Verharmlosung des vermeintlich weniger schlimmen Konflikts.

Alltag in Uganda: Eine junge Frau mit Kind in ihrem Zuhause. (Foto: Foto: AP)

Dennoch werden solche Vergleiche gerne gemacht, vor allem von UN-Vertretern und Hilfsorganisationen, wenn sie mehr Aufmerksamkeit, mehr Geld brauchen. Also: Wo findet die "weltweit größte verdrängte menschliche Katastrophe" statt? Vor ein paar Monaten noch lautete die Antwort des UN-Beauftragten für humanitäre Fragen, Jan Egeland: Darfur.

"Mindestens so schlimm wie im Sudan"

Nun hat er vor dem Sicherheitsrat den Konflikt in Norduganda zum Spitzenreiter erklärt. Das hat auch schon die US-Agentur für Internationale Entwicklung USAID gemacht, als sie die Tragödie in Uganda als "mindestens so schlimm" bezeichnete wie Darfur.

Als ob es diesen Vergleich bräuchte. In Norduganda flüchten jede Nacht mehr als 40 000 Kinder aus ihren Dörfern und suchen Schutz in größeren Ortschaften, damit sie nicht von einer Miliz entführt werden, die ohne Übertreibung als wahnsinnig bezeichnet werden kann. Sie nennt sich "Widerstandsarmee des Herrn" und hat mindestens 20 000 Kinder entführt.

Sie möchte die Regierung von Präsident Yoweri Museveni stürzen und ein Regime der Zehn Gebote installieren. Ihr Anführer, Joseph Kony, rühmt sich seiner übernatürlichen Kräfte und dafür, dass er die Wiedergeburt der Jungfrau Maria sei.

1,8 Millionen Flüchtlinge

Das klingt wie ein schlechter Scherz, aber die Horrortruppe hat in den vergangenen 18 Jahren 1,8 Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht, das sind 90 Prozent der Bevölkerung des Nordens. Wie viele Zivilisten schon getötet wurden, ist nicht bekannt, geschätzt werden 100 000. Sicher ist jedoch, dass die Truppe fast ausnahmslos aus Kindern besteht, aus Kindern, die entführt und zu Mördern gemacht wurden.

In diesem Krieg spielt aber auch Musevenis Regierung eine fragwürdige Rolle, eine Regierung, die nicht nur von den USA, sondern auch von der deutschen Regierung gerne als vorbildlich bezeichnet und massiv unterstützt wird. Mehr als die Hälfte des Staatsetats besteht aus Entwicklungshilfe.

Doch die Armee kann zum einen gegen die Überfälle der Rebellen nichts ausrichten - sie hat es in 18 Jahren nicht einmal geschafft, ein Foto von Kony aufzutreiben. Zum anderen, und das wiegt schwerer, hat sie jeden Versuch für Friedensgespräche zerstört. Der letzte Anlauf 2002 endete im Desaster, als Konys Gesandte in Pajori zu Verhandlungen eintrafen und dann von der Armee bombardiert wurden.

Profiteure des Krieges

Zwar behauptet Ugandas Regierung seit Jahren, dass sie kurz davor stehe, diesen Krieg zu gewinnen, doch viele Menschen im Norden glauben, dass sie daran gar kein Interesse hat. Zum einen findet er in einer Region statt, in der Museveni nur wenige Unterstützer hat, zum anderen profitieren hochrangige Soldaten von ihm. Aus dem Militäretat kann Geld abgezweigt werden, das es zu Friedenszeiten nicht gibt. Schon im Kongo-Krieg zeigte sich Musevenis Armee als besonders skrupellos.

Ugandas UN-Botschafter Frances Butagira bedankte sich denn auch bei Egeland, als dieser seine "Auflistung des Horrors" dem Sicherheitsrat geschildert hatte. Dann fügte er hinzu, sein Land brauche die UN nicht, schließlich stehe es kurz davor, den Krieg zu gewinnen. Nach dem Motto: Vielen Dank für die kurze Aufmerksamkeit, nun können sich die UN einer anderen "weltweit größten verdrängten menschlichen Katastrophe" widmen.

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